Drucksache 17 / 17 690 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 22. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Januar 2016) und Antwort Öffentlicher Dienst im Land Berlin – Umsetzung des Verwaltungsgerichtsurteils vom 20. Juni 2013 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Maßnahmen hat die Senatsverwaltung für Inneres und Sport zwischenzeitlich veranlasst, landeseinheitliche Verfahrensregelungen zur Umsetzung des Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom 20. Juni 2013 (2 VR 1.13) zu schaffen, die eine rechtssichere Stellenbesetzung gewährleisten und verhindern, dass in jeder Dienststelle ein erhöhter zusätzlicher juristischer Sachverstand aufgebaut werden muss? Zu 1.: In dem hier in Rede stehenden Beschluss vom 20.06.2013 (2 VR 1/13) stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) fest, dass Bezugspunkt einer Auswahlentscheidung zur Besetzung einer Beamtenstelle nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt sei (BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013, 2 VR 1/13., Rn. 28). Hiermit ist unvereinbar, eine Bewerberin /einen Bewerber vom Auswahlverfahren auszuschließen , nur weil sie/er den besonderen Anforderungen des aktuell zu besetzenden Dienstpostens nicht entspricht. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Dienstaufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die eine Laufbahnbewerberin/ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (BVerwG, a.a.O., Rn. 31). Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar mehrheitlich angeschlossen. Zum Teil ist gegen die Rechtsprechung aber auch eingewandt worden, dass diese nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) stehe oder diese zumindest fehlinterpretiere (vgl. Oberverwaltungsgericht [OVG] Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 14.04.2014, 7 S 19.14, Rn. 6; OVG Sachsen, Beschluss vom 27.03.2015, 2 B 308/14, Rn. 10 sowie Beschluss vom 27.03.2014, 2 B 518/13, Rn. 12). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die Ermittlung des am besten geeigneten Bewerbers stets in Bezug auf das „konkret angestrebte Amt“ zu erfolgen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 24.07.2014, 2 BvR 816/14, Rn. 11). Die verwaltungsgerichtliche Spruchpraxis ist in der Deutung der vorgenannten ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts uneinheitlich (Anforderungen des Statusamts maßgeblich: so das Bundesverwaltungsgericht (zuletzt mit Beschluss vom 19.12.2014, 2 VR 1.14., Rn. 28), ebenso OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.04.2015, 2 MB 5/15, Rn. 28; Anforderungen des abstrakt -funktionellen Amts maßgeblich: OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 09.03.2015, 4 S 36.14, Rn. 19; Anforderungen des konkret-funktionellen Amts (Dienstposten) maßgeblich: VGH Bayern (3. Senat), Beschluss vom 28.05.2015, 3 CE 15.727, Rn. 28; Gestaltungsspielraum der Behörde: OVG Hamburg, Beschluss vom 29.07.2013, 1 Bs 145/13, Rn. 9, wohl auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.04.2014, 7 S 19.14, Rn. 6). Tatsächlich lassen die offenen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts diese unterschiedlichen Deutungen zu. Eine abschließende Klärung ist angesichts der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerde (2 BvR 1958/13) zu erwarten, obschon sich diese vordergründig auf die Zulässigkeit sog. gebündelter Dienstposten bezieht. Die Zulässigkeit dienstpostenbezogener konstitutiver Anforderungen stellt eine entscheidungserhebliche Vorfrage dar (BVerfG, Beschluss vom 16.12.2013, 2 BvR 1958/13; Rn. 2). Bis zur endgültigen Klärung steht allen Dienstkräften des Landes Berlin im Intranet eine Arbeitshilfe zu § 9 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG)/§ 8 Landesbeamtengesetz (LBG) zur Verfügung, die auch Ausführungen zu dem in Rede stehenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts enthält. Diese Arbeitshilfe wird regelmäßig fortgeschrieben. Weiterer Maßnahmen bedarf es nach Ansicht des Senats nicht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 690 2 2. Welche landesweiten Verfahrensregelungen hat die Senatsverwaltung für Inneres und Sport in Umsetzung dieses Urteils zum Umgang mit § 6 Abs. 3 Verwaltungsreform -Grundsätze-Gesetz geschaffen? Zu 2.: Die rechtssichere Stellenbesetzung unter Berücksichtigung der Vorgaben der hier einschlägigen Entscheidung des BVerwG liegt in der dezentralen Verantwortung der einzelnen Dienstbehörden. Nach § 6 Abs. 3 Satz 2 des Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz (VGG) bildet das Anforderungsprofil die Grundlage für die dienstliche Beurteilung, eine Ausschreibung und das Auswahlverfahren. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der genannten Gerichtsentscheidung sind die beamtenrechtlichen Vorgaben zur Bedeutung des Statusamtes als Bezugspunkt für dienstliche Beurteilungen und Beförderungsentscheidungen maßgeblich. In der unter 1. benannten Arbeitshilfe ist hinsichtlich des Spannungsverhältnisses zwischen dem Beschluss des BVerwG vom 20. Juni 2013 und § 6 Abs. 3 VGG Folgendes ausgeführt: „Dem Abstellen auf die Anforderungen des statusrechtlichen Amtes für die Auswahl steht auch nicht § 6 Abs. 3 VGG entgegen. (….) Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Regelungen und Grundsätze für die Auswahl für Beförderungsämter des Beamtenrechts, die sich unmittelbar aus dem Laufbahnprinzip ableiten lassen, gegenüber den Regelungen des VGG insoweit die spezielleren sind (a.A. aber wohl insoweit OVG Berlin - Brandenburg vom 14.4.2014 - OVG 7 S 19.14 -, in dem ohne weitere Differenzierung darauf verwiesen wird, § 6 Abs. 3 VGG sei eine zulässige einfachgesetzliche Konkretisierung).“ Inwieweit die Rechtsprechung, insbesondere das Bundesverfassungsgericht , künftig Klarheit schafft, bleibt abzuwarten. 3. Welche Funktion haben in diesem Zusammenhang das in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport angesiedelte Rechtsreferat sowie das für Beamten- und Laufbahnrecht zuständige Referat? Zu 3.: Das für das Beamten- und Laufbahnrecht zuständige Referat I D der Senatsverwaltung für Inneres und Sport ist für status- und laufbahnrechtliche Grundsatzfragen zuständig. Soweit mit „Rechtsreferat“ das Justiziariat gemeint sein sollte, handelt es sich hierbei um die Arbeitsgruppe ZS A 4. Dieser Arbeitsgruppe obliegen vornehmlich die Führung von Prozessen und die Klärung von schwierigen Rechtsfragen im Einzelfall. 4. In welchem Zusammenhang stehen – das in der Fortschreibung des Personalkonzepts des Senats vom 14. Juli 2015, Drucksache 17/2399, für das zweite Halbjahr 2015 angekündigte – landesweite einheitliche Basisanforderungsprofil mit Kernkompetenzen für die Führungskräfte des Landes Berlin und das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes? Zu 4.: Im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zunächst das den dienstlichen Beurteilungen für beamtete Dienstkräfte zugrunde liegende Basisanforderungsprofil maßgeblich. Im Hinblick auf die in einem Masteranforderungsprofil festgelegten Kernkompetenzen für Führungskräfte erfolgt derzeit in Abstimmung mit den für die dezentrale Umsetzung verantwortlichen Dienststellen der Haupt- und Bezirksverwaltung eine Überarbeitung des im Entwurf vorliegenden Kompetenzkatalogs. Bei der Erarbeitung des Masteranforderungsprofils wird der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigt. 5. Welche Möglichkeiten sieht der Senat insgesamt, bei Beachtung des Urteils dennoch die Besetzung insbesondere auch von Führungsfunktionen im Land Berlin an konkrete Anforderungen des jeweiligen Dienstpostens zu knüpfen? Zu 5.: Nach Auffassung des Senats können die besonderen Anforderungen des konkret zu besetzenden Dienstpostens in bestimmten Ausnahmefällen (z.B. objektiv unabdingbare Fremdsprachenkenntnisse) im Rahmen des eigentlichen Leistungsvergleichs und im Übrigen im Wege der Ausschärfung bei Leistungsgleichstand der Bewerberinnen und Bewerber berücksichtigt werden. Es ist demnach zulässig, bei der Auswahlentscheidung zwischen Bewerberinnen und Bewerbern, die nach dem Gesamturteil im Wesentlichen gleich beurteilt sind, dienstpostenbezogene Merkmale des Anforderungsprofils im Rahmen der ausschärfenden Auswertung dienstlicher Beurteilungen heranzuziehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies im Beschluss vom 20.06.2013 (2 VR 1/13) ausdrücklich offen gelassen. Das OVG Berlin- Brandenburg hat mit Beschluss vom 23.10.2015 (7 S 34.15) eine derartige Berücksichtigung dienstpostenbezogener Anforderungen auf der zweiten Stufe des Auswahlfahrens dagegen ausdrücklich gebilligt (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 23.10.2015, 7 S 34.15, Rn. 11, 12). Berlin, den 27. Januar 2016 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Feb. 2016)