Drucksache 17 / 17 695 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 05. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Januar 2016) und Antwort Berliner Landesprogramm Radikalisierungsprävention (Nachfragen zur Drs. 17/16734) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch sind die im Landeshaushalt 2016/2017 jeweils eingestellten Mittel für welche einzelnen Programme und/oder Maßnahmen in der Zuständigkeit welcher Senatsverwaltung für Prävention und Deradikalisierung im Bereich des islamistischen Extremismus? Zu 1.: Zur Förderung geeigneter Initiativen, Projekte und Maßnahmen aus dem Landesprogramm Radikalisierungsprävention sind im Haushaltsplan 2016/2017 im Kapitel 0500 - Politisch-Administrativer Bereich und Service - die notwendigen Mittel wie folgt veranschlagt: im Titel 54051 - Prävention im Bereich der Inneren Sicherheit - sind für das Haushaltsjahr 2016 760.000 Euro und für das Haushaltsjahr 2017 860.000 Euro veranschlagt . 2. Mit wie vielen zusätzlichen Stellen wird die Geschäftsstelle der Landeskommission gegen Gewalt und/oder die „Landeskoordinierungsstelle Radikalisierungsprävention “, der die Federführung des neuen Landesprogramms Radikalisierungsprävention obliegt, ausgestattet , um ihrer neuen Aufgabe gerecht zu werden? Zu 2.: Für die Einrichtung der Landeskoordinierungsstelle Radikalisierungsprävention bei der Geschäftsstelle der Landeskommission Berlin gegen Gewalt sind im Haushaltsplan (Stellenplan) 2016/ 2017 im Kapitel 0500 Titel 422 01 bzw. 428 01 4,5 Stellen wie folgt enthalten: zwei Planstellen der Besoldungsgruppe A 14 unter anderem für die konzeptionelle Weiterentwicklung der Berliner Gesamtstrategie, Einrichtung und Begleitung der Gremien, Erarbeitung von Förderrichtlinien, Koordinierung des Deradikalisierungsnetzwerks, eineinhalb Stellen der Entgeltgruppe 11 für die Mittelverwaltung/ Zuwendungssachbearbeitung sowie eine Stelle der Entgeltgruppe 8, unter anderem für Organisation und Verwaltung. 3. Welche Begleitgremien sollen eingesetzt werden, um das Berliner Landesprogramm Radikalisierungsprävention fortlaufend weiterzuentwickeln und welche Senatsverwaltungen und Akteurinnen und Akteure aus Praxis und Wissenschaft werden in diesem Rahmen inwiefern eingebunden? Zu 3.: Im Rahmen des Landesprogramms Radikalisierungsprävention ist die Einrichtung von bestimmten Gremien (Koordinierungsgremium, Beirat) geplant. Diese sollen unter anderem die Arbeit der Landeskoordinierungsstelle sowie der Landeskommission Berlin gegen Gewalt unterstützen und sie beraten. Aussagen zur Zusammensetzung der Gremien sind auf Grund der derzeit laufenden Abstimmungen aktuell nicht abschließend möglich. 4. Wie wird das Berliner Landesprogramm Radikalisierungsprävention dazu beitragen, die islamistische Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen zu verhindern und wie wird dieses der Mädchen- und Jungenpräventionsarbeit gerecht werden? Zu 4.: Das Landesprogramm Radikalisierungsprävention fördert insbesondere Projekte mit den folgenden Förderschwerpunkten: Aufklärungsworkshops an Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe: Im Vordergrund steht die Informationsvermittlung und Aufklärung über Terrororganisationen, insbesondere den sogenannten Islamischen Staat, die Folgen von Radikalisierung , einer Ausreise in Krisengebiete zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen, die Strategien zur Anwerbung und der Beeinflussung, Manipulation und Instrumentalisierung für die Ziele des sogenannten Islamischen Staates. Darüber hinaus sind auch folgende Fragen bzw. Themenfelder relevant: Vermittlung von Kenntnissen zu Islam, Islamismus, Salafismus und Dschihadis- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 695 2 mus, Information und situative Bearbeitung weiterer aktueller Themen und Ereignisse (zum Beispiel Nahostkonflikt , sogenannter Arabischer Frühling), Förderung von Demokratieverständnis und interreligiöser und interkultureller Kompetenz, Förderung des Abbaus von Demokratie - und Menschenfeindlichkeit und situatives Eingehen auf Ausgrenzungserfahrungen und biografische Erlebnisse . Informations- und Aufklärungsveranstaltungen für Mädchen und junge Frauen: Vor dem Hintergrund, dass zunehmend auch Mädchen und junge Frauen in Krisengebiete ausreisen und Terrororganisationen , wie zum Beispiel den sogenannten Islamischen Staat, unterstützen, ist die Ansprache auch dieser Zielgruppe sehr wichtig. Die Veranstaltungen sollen dem Schutz vor einer Einflussnahme und Rekrutierung dienen, um so zum Beispiel eine mögliche Ausreise und Zwangsverheiratung zu verhindern. Mehrsprachige Online-Beratung/ Präsenz im Internet und in Sozialen Netzwerken / Informationsmaterialien: Auf Grund der Tatsache, dass eine Ansprache radikalisierungsgefährdeter Personen in erschreckend vielen Fällen über das Internet erfolgt, sind gerade hier besondere Maßnahmen zu treffen. Hierzu gehören unter anderem die Präsenz in den Sozialen Netzwerken sowie die Ansprache und die Unterbreitung eines Beratungsangebotes, der Aufbau von Medienangeboten im Internet gegen islamistische Propaganda, die niedrigschwellige Beratung sowie das Aufzeigen von Hilfsangeboten für Jugendliche und junge Erwachsene sowie deren soziales Umfeld. Darüber hinaus werden auch andere Projekte, zum Beispiel zur Ausbildung von Multiplikatoren sowie zur Beratung von Eltern und Angehörigen, gefördert. 5. Wie wird ein berlinweites und/oder bezirkliches Präventionsnetzwerk sichergestellt und wird angestrebt, dass die zukünftig an einer bzw. mehreren Berliner Universitäten auszubildenden Imame Teil dieses Präventionsnetzwerkes werden? Zu 5.: Die Landeskommission Berlin gegen Gewalt hat 2015 das Austauschgremium für bezirkliche Präventionsräte eingerichtet. Die konstruktive Auftaktveranstaltung bildet eine gute Grundlage für eine Weiterführung und Intensivierung dieses Netzwerkes. 6. Wie wird sichergestellt, dass es eine enge präventive Zusammenarbeit zwischen Schulen, Jugendämtern, Jugendrichterinnen und -richtern und der Staatsanwaltschaft geben und in diesem Rahmen die Präventionsarbeit von nachweislich nicht salafistisch geprägten Moscheevereinen integriert wird? Zu 6.: Die im Bereich der Prävention bestehenden Gremien (insbesondere die Landeskommission Berlin gegen Gewalt sowie auch die ressortübergreifende Arbeitsgruppe Kinder- und Jugenddelinquenz) leisten ihren Beitrag zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Akteure . Darüber hinaus ist es Aufgabe der zum 1. Januar 2016 neu eingerichteten Landeskoordinierungsstelle dieses Thema mit den relevanten staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren zu erörtern und gegebenenfalls Handlungsempfehlungen zu erstellen. 7. Wie wird sichergestellt, dass sich zukünftig unter anderem Lehrkräfte, Jugendsozialarbeiterinnen und - arbeiter sowie Jugend- und Familienzentren an eine Experten -Beratungsstelle wenden können? Zu 7.: Die angefragte Zielgruppe kann sich an die bereits bestehenden Beratungsstellen zur Radikalisierungsprävention wenden, zum Beispiel die Beratungsstelle Radikalisierung, angesiedelt beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dabei handelt es sich um eine der Beratungsstellen für Fragen zu islamistischer Radikalisierung . Über derartige Beratungsangebote wird die Zielgruppe vielseitig unterrichtet, zum Beispiel über das Internet , Newsletter, Flyer sowie spezifische Aus- und Fortbildung einschließlich Multiplikatorenschulungen. Zudem wird in den entsprechenden Gremien (zum Beispiel die ressortübergreifende Arbeitsgruppe Kinderund Jugenddelinquenz) über die Angebote berichtet und damit die Weitergabe der Informationen an die genannte Zielgruppe sichergestellt. 8. Wie wird sichergestellt, dass Lehrkräfte, Jugendsozialarbeiterinnen und -arbeiter sowie Jugend- und Familienzentren jeweils besser auf den Umgang mit radikalisierten Argumenten und Gedankengut vorbereitet werden ? Zu 8.: Es wird auf die Beantwortung der Frage 7 verwiesen . 9. Wie wird sichergestellt, dass das Thema Islam und islamistische Radikalisierung und der interreligiöse Dialog in der Schule und im Unterricht eine stärkere Rolle spielt? Zu 9.: Es wird auf die Maßnahmen des Landesprogramms verwiesen, die bereits zu Frage 4 ausgeführt wurden. Darüber hinaus wird die stärkere Befassung mit den Themen islamistische Radikalisierung und interreligiöser Dialog im Schulunterricht auch durch weitere Senatsprojekte sichergestellt, wie beispielsweise das Modellprojekt zur Lehrerschulung „Protest, Provokation und Propaganda “ durch den Verein „ufuq.de“. Mit diesem Projekt werden Fortbildungsangebote für Fachkräfte der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit angeboten. Ziel ist es, Themen wie Islam, Islamfeindschaft und Islamismus in der Bildungsarbeit dauerhaft zu verankern. Es werden Kompetenzen gefördert und Methoden vermittelt, um Jugendliche in ihren sozialen, Urteils- und Handlungsfähigkeiten insbesondere im Umgang mit kulturellen und religiösen Unterschieden zu stärken. Darüber hinaus wird Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 695 3 auch eine kontinuierliche Beratung und Begleitung der Fachkräfte angeboten. 10. Wie wird sichergestellt, dass die Biografien der in der Vergangenheit radikalisierten Jugendlichen sollen untersucht werden, um systematisch herauszufinden, in welchen Lebenslagen eine Radikalisierung erfolgt und welche Form der Prävention bzw. Intervention hilfreich sein kann, um Radikalisierung zu verhindern? Zu 10.: Es ist angedacht, dieses Thema im Rahmen eines Forschungsprojektes von einer Berliner Hochschule behandeln zu lassen. 11. Wie hoch sind die für die geplante Evaluation des ressort- und organisationsübergreifenden Landesprogramms eingestellten Mittel und welche Senatsverwaltungen und untergeordneten Behörden wirken an dem Qualitätszirken mit? Zu 11.: Für die im Rahmen des Landesprogramms kofinanzierten Projekte, die auch über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert werden, erfolgt vorrangig eine Evaluierung durch den Hauptfinanzierer, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend selbst. Für die Evaluation der anderen Projekte sind circa 42.500 Euro vorgesehen. Zudem existiert eine Kooperation mit einer wissensbasierten Arbeitsstelle, die voraussichtlich weitere Evaluationen im Rahmen eines bestehenden Arbeitsauftrages übernehmen wird. Über die Zusammensetzung der Qualitätszirkel ist derzeit noch nicht abschließend entschieden. Berlin, den 20. Januar 2016 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Feb. 2016)