Drucksache 17 / 17 721 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 11. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Januar 2016) und Antwort Versendung von „Stillen SMS“ durch Berliner Sicherheitsbehörden (III) – Jahresstatistik für das Jahr 2015 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele „Stille SMS“ wurden von welcher Behörde in den Jahren 2006 bis 2015 im Land Berlin jeweils versandt? (Bitte eine detaillierte Aufschlüsselung nach Jahr, Gesamtanzahl und jeweiliger Behörde.) Zu 1.: In den angefragten Jahren wurden durch die Polizei Berlin „Stille SMS (Short Message Service)“ in folgender Anzahl versandt: 2006: 145.927 2007: 155.500 2008: 80.318 2009: 82.224 2010: 92.213 2011: 65.145 2012: 145.666 2013: 250.879 2014: 246.340 2015: 137.905. Aufgrund der taktischen Zielstellung wird die „Stille SMS“ in einem Strafermittlungsverfahren regelmäßig mehrfach eingesetzt. 2. Was sind nach Ansicht des Senats die Ursachen für eine steigende Anzahl von versandten „Stillen SMS“ in den letzten Jahren? Zu 2.: Die Zahlen sind 2015 gegenüber den Vorjahreswerten deutlich gesunken. 3. In wie vielen Ermittlungsverfahren wurden „Stille SMS“ im Jahr 2015 eingesetzt? (Bitte eine detaillierte Einzelaufschlüsselung.) 4. Auf wie viele Personen verteilen sich die im Jahr 2015 versandten „Stillen SMS“? (Bitte eine detaillierte Einzelaufschlüsselung.) Zu 3. und 4.: Die Berichtspflicht und somit die Pflicht zur statistischen Erfassung von Maßnahmen nach § 100a Strafprozessordnung (StPO) ist abschließend in § 100b StPO geregelt, der eine gesonderte Darstellung der „Stillen SMS“ nicht vorsieht. Die Statistiken über in Berlin durchgeführte Maßnahmen gem. § 100a StPO werden jährlich durch das Bundesamt für Justiz veröffentlicht. Darüber hinausgehende Vorgaben zur statistischen Erfassung bestehen nicht. Detaillierte Einzelaufschlüsselungen sind dem Mengengerüst der Abrechnungsunterlagen für diesen Dienst nicht zu entnehmen. 5. Bei welchen Kriminalitätsphänomenen wurden „Stille SMS“ im Jahr 2015 eingesetzt? (Bitte eine detaillierte Einzelaufschlüsselung.) Zu 5.: Die Polizei Berlin setzt die „Stille SMS“ unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausschließlich zur Aufklärung von im Einzelfall schwerwiegenden Straftaten, die in § 100a StPO aufgeführt sind, ein. Fallbezogene Einzelaufschlüsselungen sind aus dem Mengengerüst der Abrechnungsunterlagen für diesen Dienst nicht abzuleiten. 6. In wie vielen Fällen hat das Versenden einer „Stillen SMS“ im Jahr 2015 zu einem Ermittlungserfolg geführt ? (Bitte eine detaillierte Einzelaufschlüsselung.) Zu 6.: Diesbezüglich wird auf die Beantwortung zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. Ergänzend ist zu beachten, dass sich abschließende Aussagen zur Effizienz einzelner Ermittlungsmaßnahmen nur im konkreten Einzelfall nach Abschluss der Ermittlungs- bzw. Gerichtsakten (unter anderem aus Schlussberichten, Anklageschriften, Urteilsbegründungen ) ableiten lassen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 721 2 7. Wie viele der im Jahr 2015 versandten „Stillen SMS“ haben tatsächlich effektiv zu einer Standortermittlung beigetragen und wie viele gingen aufgrund eines nicht betriebsbereiten Mobiltelefons ins Leere? (Bitte eine detaillierte Einzelaufschlüsselung.) Zu 7.: Diesbezüglich wird auf die Beantwortung der Fragen 3, 4 und 6 verwiesen. 8. Sollte bei den vorstehenden Fragen für das Jahr 2015 lediglich die Gesamtanzahl der versendeten „Stillen SMS“ angegeben werden, wie können ohne Rückschlüsse auf Einzelverfahren und Zuordnungen zu Personen sowie Kriminalitätsphänomenen verwertbare Erkenntnisse zum Versenden von „Stillen SMS“ gewonnen werden , die eine Aussage zur Effizienz und/oder zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zulassen? Zu 8.: Lokalisierungen von Telekommunikationsanschlüssen im Rahmen von § 100a StPO stellen einen Grundrechtseingriff nach Artikel 10 Grundgesetz dar und stehen unter Richtervorbehalt. Die Ermittlungsrichterin bzw. der Ermittlungsrichter wird erst auf Antrag der Staatsanwaltschaft tätig, die bereits in eigener Zuständigkeit die gesetzliche Voraussetzung prüft. Die Ermittlungsrichterin bzw. der Ermittlungsrichter wiederum prüft alle Voraussetzungen der Maßnahme in richterlicher Unabhängigkeit. Zu den Voraussetzungen der Maßnahme gehört auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit . Durch diese mehrstufige Entscheidungsfindung ist bereits vor dem Einsatz der elektronischen Ermittlungsmaßnahme gewährleistet, dass die engen gesetzlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Anordnung vorliegen. Das Versenden der „Stillen SMS“ wird von der Polizei Berlin im Rahmen richterlich angeordneter Telefonkommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt. Es bedarf dazu keiner gesonderten Einzelanordnung, die Versendung kann mehrfach im Rahmen einer Telekommunikationsüberwachung erfolgen. Die Polizei Berlin nutzt das Instrument der „Stillen SMS“ ausschließlich auf gesetzlicher Grundlage des § 100a StPO und bewertet dieses als unverzichtbares taktisches Einsatzmittel im Rahmen operativer Einsätze. Die Bewertung im Hinblick auf einen eingetretenen Erfolg wird somit nach taktischen Gesichtspunkten vorgenommen . Die Polizei Berlin setzt die „Stille SMS“ nie solitär ein, sondern stets im Zusammenwirken mit anderen Ermittlungsmethoden auf Grundlage entsprechender Eingriffsbefugnisse . Der polizeiliche Gesamterfolg in einem Ermittlungsverfahren ist daher in der Regel nie allein auf das Ergebnis einer Standortermittlung durch die „Stille SMS“ zurückzuführen, gleichwohl leistet diese Maßnahme regelmäßig einen erheblichen Beitrag. 9. Welche einzelnen statistischen Daten (Ort, Zeit, zugrundeliegendes Delikt, Anzahl der betroffenen Personen, etc.) werden jeweils bei welchen Ermittlungsinstrumenten auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) statistisch erhoben, sodass diese im Wege einer parlamentarischen Anfrage abrufbar wären. 10. Hat sich im Verlauf der 17. Wahlperiode die polizeiliche Erfassung von statistischen Daten auf dem Gebiet der polizeilichen TKÜ geändert bzw. ggf. erweitert? Wenn ja, wie konkret? Welche statistischen Daten werden nun erfasst? Zu 9. und 10.: Statistische Aussagen der Berliner Verwaltung orientieren sich grundsätzlich an gesetzlichen Verpflichtungen und Vorgaben des Senats von Berlin. Bei der Telekommunikationsüberwachung handelt es sich um einen strafprozessualen Eingriff nach § 100a StPO. Dementsprechend obliegen statistische Aussagen zu diesem Themenkomplex der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (SenJustV). Gefahrenrechtliche Eingriffsbefugnisse zur Telekommunikationsüberwachung im Sinne einer „polizeilichen TKÜ“, wie in Frage 9. formuliert, bestehen im Allgemeinen Gesetz zur Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Berlin) nicht. Die Polizei Berlin setzt die Maßnahmen gem. § 100a StPO im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft bzw. Staatsanwaltschaft um und erhebt in diesem Zusammenhang statistische Grunddaten, die der Justizverwaltung zugeliefert und dort vor Veröffentlichung noch bewertet und mit den Daten der so genannten „Mehr-Länder- Staatsanwaltschafts-Automation“ (MESTA) abgeglichen werden. Bei den Grunddaten handelt es sich um Quartalsübersichten mit Verfahren, zu denen bei der Polizei Berlin TKÜ-Maßnahmen eingerichtet wurden. Die Listen enthalten die jeweiligen Justizaktenzeichen und Angaben, wie viele zu überwachende Anschlüsse innerhalb eines Verfahrens eingerichtet wurden. Diese Zulieferung wurde von der Justizverwaltung ab 2012 erbeten. Darüber hinaus geht der Justizverwaltung halbjährlich eine Aufstellung zur Anzahl im Rahmen von TKÜ-Maßnahmen aufgezeichneter Gespräche zu, die bereits vor der 17. Wahlperiode vereinbart war. 11. Ist eine Abfrage der statistisch erfassten Daten zum Ermittlungsinstrument der „Stillen SMS“ weiterhin nur indirekt durch das mit Abrechnungsunterlagen erstellte Mengengerüst möglich oder existiert mittlerweile eine gesonderte statistische Erfassung der Einzelmaßnahme der „Stillen SMS“? Zu 11.: Es existiert keine gesonderte statistische Erfassung der Einzelmaßnahme „Stille SMS“. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 721 3 12. Ist es vorgesehen, dass das Versenden von „Stillen SMS“ an das „Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung “ (GKDZ) ausgelagert wird? Wenn ja, was ist konkret geplant? Zu 12.: Ja, es ist grundsätzlich geplant, dass zukünftig auch bei „Stillen SMS“ das Gemeinsame Kompetenz- und Dienstleistungszentrum (GKDZ) die entsprechende technische Dienstleistung erbringt. Dabei wird die Verantwortung für derartige Maßnahmen aber nicht delegiert, sondern verbleibt in der Hoheit des jeweiligen Bundeslandes. Die konkrete technische Umsetzung wird erst in der Feinplanung festgelegt. Berlin, den 26. Januar 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Feb. 2016)