Drucksache 17 / 17 737 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 11. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Januar 2016) und Antwort Schwanger im Knast Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Besteht für inhaftierte Frauen im Berliner Strafvollzug die Möglichkeit, insbesondere bei gynäkologischen Behandlungen zwischen einem Arzt und einer Ärztin wählen zu können? Falls die Wahl einer Ärztin nicht möglich ist: Wie bewertet der Senat dies sowohl mit Blick auf die Tatsache, dass inhaftierte Frauen überdurchschnittlich häufig Opfer von sexualisierter Gewalt sind, als auch angesichts des ethnischen/religiösen Hintergrunds einer Vielzahl von Inhaftierten? Zu 1.: Die inhaftierten Frauen können zwischen Ärztin und Arzt wählen. 2. Wie viele Kinder wurden in den vergangenen fünf Jahren in Berlin in der Haft geboren? Zu 2.: In den letzten fünf Jahren wurden 15 Kinder von inhaftierten Frauen zur Welt gebracht. Die Entbindungen fanden in allen Fällen in einem externen Krankenhaus statt. 3. Welche Vorkehrungen werden im Berliner Strafvollzug auch aus Rücksicht auf das ungeborene Kind getroffen, um Belastung und Stress so weit wie möglich von Schwangeren und Gebärenden fernzuhalten? Zu 3.: Es wird versucht, bei schwangeren Frauen die Einschlusszeiten zu verringern, insbesondere den Aufenthalt im Aufnahmebereich abzukürzen. Soweit dies möglich ist, werden Schwangere zeitnah auf eine Wohngruppe verlegt, wo mehr Kontaktmöglichkeiten bestehen, Aufschluss bzw. Zusammenschluss und ggf. Telefonate mit Angehörigen großzügiger gehandhabt werden. Zur Reduzierung von Belastungen und Stress während der Schwangerschaft besteht für werdende Mütter das Angebot, regelmäßig entlastende Gespräche mit der Anstaltspsychologin zu führen. In diesen Gesprächen kann - entsprechend dem Bedürfnis der Schwangeren - auf die spezifische Situation eingegangen werden. Es können Fragen, die die Schwangerschaft betreffen, thematisiert werden, eine Auseinandersetzung mit dem Rollenbild als Mutter stattfinden, über Ängste gesprochen und Zukunftsperspektiven entwickelt werden. 4. Gibt es Fälle, in denen in Berlin inhaftierte Frauen während der Entbindung gefesselt waren und wenn ja, welche? Zu 4.: Es sind keine Fälle bekannt. 5. Gibt es Regelungen oder dienstliche Hinweise über die Anordnung von Fesselung von inhaftierten Schwangeren , insbesondere bei der Ausführung in öffentliche Krankenhäuser ? Wenn ja, welche und seit wann gelten diese? Zu 5.: Eigene Regelungen gibt es nicht, es gelten die allgemeinen Vorschriften. 6. Welche zusätzlichen Angebote durch Sozialarbeiter /-innen und Psycholog/-innen stehen in den Fällen zur Verfügung, in denen das Kind von seiner inhaftierten Mutter getrennt wird, um traumatisierende Folgen für Mutter und Kind zu vermeiden? Zu 6.: Bei einer durch das Jugendamt verfügten Trennung von Mutter und Kind nach der Geburt wird versucht, zeitnah einen sogenannten Umgang zwischen Mutter und Kind herzustellen. Dieser Umgang wird im Sprechzentrum außerhalb der regulären Sprechstunden umgesetzt. In der Regel kommt die Pflegeperson mit dem Neugeborenen einmal wöchentlich in die Haftanstalt, wobei die Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 737 2 zeitliche Gestaltung des Umgangs flexibel gehandhabt wird. Es gibt Gelegenheit, die Begegnungen der inhaftierten Mutter mit ihrem Kind in Gesprächen mit dem Sozialdienst oder der Anstaltspsychologin vorzubereiten. Ferner wird der betroffenen Frau eine möglichst enge Begleitung durch ein interdisziplinäres Team (Sozialdienst , psychologischer Dienst, Allgemeiner Vollzugsdienst , Team der Arztgeschäftsstelle) angeboten. Durch Gesprächs- und Beziehungsangebote wird auf die individuellen Bedürfnisse der inhaftierten Frau eingegangen. Zur Förderung des Wohlbefindens der inhaftierten Frau können auch tagesstrukturierende Maßnahmen in Haft sinnvoll sein. Berlin, den 27. Januar 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Feb. 2016)