Drucksache 17 / 17 742 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susanna Kahlefeld (GRÜNE) vom 14. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Januar 2016) und Antwort Rolle der Migrantenorganisationen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gibt es eine Bestandsaufnahme der in Berlin ansässigen Migrantenorganisationen? Zu 1.: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen - Abteilung Integration - führt eine öffentliche Liste der Vereine gemäß § 6 Partizipations- und Integrationsgesetz . Diese Liste ist veröffentlicht unter: https://www.berlin.de/lb/intmig/integrationsbeirat/wahlen/ Im Dezember 2014 hatten sich 171 Vereine eingetragen . Eine Auswahl von Migrantenorganisationen ist darüber hinaus veröffentlicht in der Broschüre „Integration und Migration - ein Wegweiser für Berlin“. Die aktuelle Ausgabe ist vom November 2015. https://www.berlin.de/lb/intmig/service/adressen/ Zudem arbeitet der Senat zum Beispiel auf Anfrage von Migrantenorganisationen und anlassbezogen mit einer Vielzahl von Initiativen, Vereinen und Verbänden zusammen. 2. Welche Potenziale zur Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten rechnet der Senat dem Engagement und der Arbeit der Berliner Migrantenorganisationen zu und setzt sie bei seiner Integrationspolitik ein? 5. Welche Herausforderungen und Möglichkeiten sieht der Senat im Hinblick darauf, die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen zu intensivieren? Zu 2. und 5.: Der Senat sieht Migrantenorganisationen als wichtige und zentrale Partner im Integrationsprozess und wird die Zusammenarbeit mit ihnen weiter intensivieren . Der Senat sieht Potenziale zur Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten und steht in dieser Frage im Austausch mit Migrantenorganisationen . Dieser Austausch erfolgt im Rahmen des Programmdialogs des Partizipations- und Integrationsprogramms des Senats. Durch die Arbeit der Migrantenorganisationen kann das Programm stetig weiter entwickelt und an die aktuellen gesellschaftlichen Bedarfe angepasst werden. Das Partizipations- und Integrationsprogramm ist das für die Berliner Migrantenorganisationen zentrale Förderinstrument . Sie werden damit befähigt, integrationspolitische Vorhaben des Senats umzusetzen. Hierzu gehört insbesondere auch die Förderung der Beratung von neu zugewanderten einschließlich geflüchteter Menschen. Mit dem Förderprogramm werden vor allem Projekte gefördert, die die Organisationen und Netzwerke von Personen mit Migrationshintergrund stärken und zur Erreichung eines der folgenden Ziele beitragen: Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund, Stärkung der politischen Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund und die Etablierung und Weiterentwicklung von herkunftsübergreifenden Kooperationen. Mit 1,9 Mio. 2016 und 2,0 Mio. € 2017 werden 35 Projekte gefördert. Das ist ein enormer Aufwuchs: in den vergangenen beiden Jahren standen je 1,5 Mio. € zur Verfügung Zusätzlich wird ein weiteres Projekt im Rahmen des Programms über eine neue Landes-Kofinanzierung zum EU-Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) gefördert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 742 2 Im Jahr 2015 gingen insgesamt 109 Bewerbungen mit einem Antragsvolumen in Höhe von rund 11,8 Mio. € für die Förderperiode 2016/17 ein. Die Auswahlkommission, bestehend aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses wählte 36 Projekte von Migrantenselbstorganisationen für eine Förderung aus. Im Rahmen des Qualitätsdialogs 2012/2013 haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Programms zusammen mit einem Moderationsteam wesentliche Veränderungen erarbeitet. Das Programm ist von einem Integrations - zu einem Partizipations- und Integrationsprogramm umgebaut worden; strukturelle Förderungen über den Weg der Projektförderung sind ermöglicht worden; durch den Qualitätsdialog gab es einen Kurswechsel vom traditionellen Integrationsverständnis hin zu Diversitäts- und Partizipationsstrategien; festgestellt wurde die Notwendigkeit für mehr Transparenz, Qualifizierung und Vernetzung . Die Ergebnisse des Programmdialogs 2015 sind auf einer Fachtagung im Dezember 2015 konkretisiert worden und werden in Kürze veröffentlicht. Dem Senat geht es um die gemeinsame Umsetzung des Programmziels mit den Migrantenorganisationen: die politische Partizipation und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit eigener oder familiärer Zuwanderungsgeschichte unter Berücksichtigung der Vielfalt ihrer Lebenswelten zu verbessern sowie Migrantenorganisationen und ihre Netzwerke zu stärken. 2015 hat der Senat ausdrücklich auch geflüchtete Menschen zu den Programmbegünstigten hinzugenommen. Der Austausch wird 2016 und 2017 im Rahmen des Programmdialoges fortgeführt. 3. Welche Kooperationen zwischen dem Senat und Migrantenorganisationen bestehen im Land Berlin bereits ? Bitte konkrete Beispiele auflisten. 4. Als wie erfolgreich werden diese bestehenden Kooperationen bewertet? Werden in Zukunft weitere Kooperationen mit Migrantenorganisationen angestrebt? In welchen Bereichen sollen diese Kooperationen stattfinden? Zu 3. und 4.: Der Senat kooperiert mit Migrantenorganisationen insbesondere über den Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen und über das Partizipations - und Integrationsprogramm. Die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen über diese beiden Instrumente hat sich bewährt; gegenüber Initiativen von Migrantenorganisationen für weitere Kooperationen ist der Senat offen. Konkrete Beispiele für Kooperationen mit Migrantenorganisationen sind: Im Landesrahmenprogramm Integrationslotsinnen und Integrationslotsen wird seit Ende 2013 der Verein Harmonie e.V. gefördert. Zurzeit beschäftigt die Migrantenorganisation sieben Integrationslotsinnen und Integrationslotsen . Das Netzwerk Integration durch Qualifizierung (IQ Netzwerk) arbeitet mit Migrantenorganisationen im Teilprojekt „Willkommen in Berlin – Empowerment von Migrantenorganisationen“ zusammen. Dieses ist angesiedelt beim Verband für Interkulturelle Arbeit (VIA Landesverband Berlin/Brandenburg) e.V. Beteiligt sind: Akebi e.V. i.G., Kiezanker e.V., GePGeMI e.V., Hellenische Gemeinde e.V, Sathi e.V., MaMis en Movimiento e.V., Mitra e.V., Reistrommel e.V., Rroma Info Centrum e.V., Trixiewiz e.V., Vereinigung der Vietnamesen e.V., Xochicuicatl e.V, Yekmal e.V. Darüber hinaus sind zwei Migrantenorganisationen direkt Teilprojektträger im IQ Landesnetzwerk Berlin: Club Dialog e.V. mit dem Teilprojekt „Fahrplan Anerkennung beruflicher Abschluss“ (FAbA) und der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg e.V. mit dem Teilprojekt „Berliner Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung“ (AnQua). 6. Plant der Senat eine Professionalisierung der Migrantenorganisationen zu unterstützen, die im Bereich Beratung, Bildung, Übersetzung etc. u.a. auch in der Unterstützung der Regeldienste tätig sind? Wie soll diese Unterstützung aussehen? Zu 6.: Der Senat begrüßt und unterstützt Maßnahmen von Migrantenorganisationen zur Professionalisierung ihrer Projektarbeit. Gewährt werden entsprechende Zuwendungen und Anträge auf Förderungen bei Dritten können votiert werden. 7. Welche Fortbildungs- bzw. Qualifikationsangebote gibt es bereits für Multiplikator*innen in Migrantenorganisationen , die im Bereich Beratung, Bildung, Übersetzung und ähnlichem aktiv sind? Zu 7.: Fortbildungs- und Qualifizierungsangebote werden regelmäßig im monatlich erscheinenden Internet- Newsletter Berlin International veröffentlicht: https://www.berlin.de/lb/intmig/service/newsletter/ Darüber hinaus bietet die Dienstelle des Integrationsbeauftragten des Senats Fortbildungen zum Migrationsrecht sowie flüchtlingsspezifischen Fragen des Arbeitsmarktzugangs . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 742 3 8. Welche Rolle können Migrantenorganisationen im Rahmen der Bemühungen um Bildungsintegration, Arbeitsmarktintegration und Engagement spielen? Zu 8.: Der Senat setzt sich für eine Verstärkung der Rolle von Migrantenorganisationen ein. Welche Rolle sie spielen hängt von ihrem Engagement ab. Migrantenorganisationen sind grundsätzlich besonders geeignet, in diesen Feldern aktiv und erfolgreich mitzuwirken. Sie werden daher als ein wichtiger Partner im Integrationsprozess gesehen und geschätzt; ihr Engagement wird vom Senat unterstützt. 9. Sind Migrantenorganisationen teil bestehender Beratungsgremien der Berliner Landesregierung? Wenn ja wo? Zu 9.: Migrantenorganisationen sind insbesondere im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen sowie im Beirat Entwicklungszusammenarbeit bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung vertreten: https://www.berlin.de/sen/wirtschaft/wirtschaft-undtechnologie /europa-und-internationales/landesstelle-fuerentwicklungszusammenarbeit /lez-undpartner /artikel.94925.php 10. Welchen Vernetzungsgrad haben die Migrantenorganisationen im Land Berlin erreicht, und sind öffentliche Stellen an solchen Netzwerken beteiligt? Welche Aktivitäten zur Vernetzung haben seitens des Senats in der Vergangenheit stattgefunden? Zu 10.: Der Senat kooperiert mit Migrantenorganisationen insbesondere über den Landesbeirat für Integrationsund Migrationsfragen und über das Partizipations- und Integrationsprogramm. Im Rahmen dieses Programmes werden unter anderem Projekte gefördert, die Netzwerke von Migrantenorganisationen mit Fachverwaltungen und Fachdiensten aufbauen und ausbauen. 11. Im Gegensatz zu kontinuierlicher, struktureller Förderung, fördert der Berlin größtenteils temporär Projekte . Eine Unterstützung auf Zeit gefährdet jedoch eine nachhaltige zivilgesellschaftliche Arbeit und deren Qualität . Wie plant der Senat Migrantenorganisationen in Zukunft zu unterstützen? Zu 11.: Die Projektauswahl im Rahmen des Partizipations - und Integrationsprogramms für 2016 und 2017 ist im Herbst 2015 erfolgt. Die Auswahl erfolgt im Rahmen der Maßgaben der Landeshaushaltsordnung. Für unbefristete Projekte und institutionelle Förderungen gibt es hierbei keinen Spielraum; dies wäre auch aus fachlichen Gründen nicht sinnvoll, da für Zielvereinbarungen und Qualitätssicherung feste Zeiträume für die Projektdurchführung sinnvoll sind. Der Senat geht jedoch auf die Bedarfe von Migrantenorganisationen bezüglich Informationen zu Drittmittelund Anschlussförderungen und zur Verschlankung der administrativen Projektabläufe ein. So aktualisiert der Senat zweimal jährlich eine Übersicht der Förderprogramme im Themenbereich Integration und Partizipation: https://www.berlin.de/lb/intmig/themen/projektfoerderung /#foerderprogramme Im Rahmen der Möglichkeiten werden daher Optionen der Verstetigung und langfristigen Finanzierung ausgelotet . Hierzu kann auch die Vernetzung der Migrantenorganisationen untereinander einen entscheidenden Beitrag leisten. Dieser wird durch den Programmdialog gestärkt. Berlin, den 28. Januar 2016 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Feb. 2016)