Drucksache 17 / 17 763 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 13. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Januar 2016) und Antwort Aus der Turnhalle zur Arbeit oder zum Jobcenter? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Geflüchtete, bei denen die Zuständigkeit vom LAGeSo zu den Bezirken bzw. den Jobcentern übergegangen ist, leben derzeit in Not- oder Gemeinschaftsunterkünften ? (bitte getrennt nach SGB II bzw. XII sowie nach Einrichtungen und Bezirken aufschlüsseln) Zu 1.: Die Statistik der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) weist mit Stand 20.01.2016 insgesamt 2.713 Personen in den Einrichtungen der BUL aus, die leistungsrechtlich nicht vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) betreut werden. Darunter befinden sich 2.541 Personen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit , welche anspruchsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) oder dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB XII) sind, 167 Personen, die nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG) aufgenommen worden sind sowie fünf Wohnungslose deutscher Staatsangehörigkeit. Aufgrund der schwierigen Bearbeitungssituation sind diese Angaben jedoch nur ein Näherungswert. Die Zahl der in Wohnungen lebenden Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG wird auf mindestens rd. 10.000 Personen geschätzt . In dieser Zahl sind jene Personen nicht enthalten, die noch während des laufenden Asylverfahrens eine Wohnung bezogen haben, aber danach als Folge einer positiven Entscheidung über das Asylbegehren leistungsberechtigt nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB XII) wurden. Weitergehende statistische Aufschlüsselungen im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. Frage 2: Werden die Bezirke bzw. Jobcenter über den Übergang der Zuständigkeit vom LAGeSo zu den Bezirken informiert, wenn ja, in welcher Form bzw. wenn nein, warum nicht? Frage 7: Wie ist die Abstimmungen zwischen dem LAGeSo und den Bezirken bzw. Jobcentern organisiert, um den Übergang der Zuständigkeit für die Geflüchteten so zu gestalten, dass keine unnötige Mehrarbeit entsteht und Synergieeffekte genutzt werden können? Frage 8: Wie wird sichergestellt, dass für die Geflüchteten keine Versorgungslücke zwischen dem Ende der Zuständigkeit des LAGeSo und der ersten Vorsprache bei der zuständigen Stellen des Bezirks und des Jobcenters entsteht (Unterbringung, Taschengeld, Gesundheitsversorgung u. ä.)? Zu 2., 7. und 8.: Ziel des Senats ist eine lückenlose Leistungsgewährung, auch und gerade bei Personen, die in den Leistungsbereich des SGB II wechseln. Für eine verbesserte Zusammenarbeit und Optimierung der Schnittstellen beim Statuswechsel von Geflüchteten finden gegenwärtig Abstimmungen der beteiligten Behörden (dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, der Regionaldirektion Berlin / Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit, den Bezirksämtern, dem Landesamt für Bürgerund Ordnungsangelegenheiten, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales) statt. Aufgrund der komplexen Sach- und Rechtslage werden diese Abstimmungen leider noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Frage 3: Werden die Bezirke bzw. Jobcenter durch das LAGeSo nach Übergang der Zuständigkeit aufgefordert, die Geflüchteten durch die Bezirke aus den Not- oder Gemeinschaftsunterkünften herauszuholen und anderweitig unterzubringen und wenn ja in welcher Form, wenn nein, warum nicht? Frage 4: Wie lange können die Geflüchteten nach Übergang der Zuständigkeit in landeseigenen Not- oder Gemeinschaftsunterkünften verbleiben, wenn die Bezirke bzw. Jobcenter keine andere Unterbringung bereitstellen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 763 2 Zu 3. und 4.: Es gilt vorrangig der Grundsatz, dass kein Mensch obdachlos/wohnungslos werden darf. Solange kein adäquater Wohnraum als Unterkunftsalternative zur Verfügung steht, können Geflüchtete in den bisherigen Not- und Gemeinschaftsunterkünften verbleiben. Die leistungsrechtlichen Pflichten der Bezirksämter / Jobcenter bleiben hiervon unberührt. Frage 5: Wird über private Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete, über deren Bewilligung vom LA- GeSo noch nicht entschieden wurde, nach Übergang der Zuständigkeit noch abschließend entschieden bzw. werden sie zur weiteren Prüfung an die Bezirke bzw. Jobcenter weitergeleitet oder gehen diese Angebote verloren, da mit dem Wegfall der Zuständigkeit keine weitere Bearbeitung mehr erfolgt, obwohl sich die Situation der Geflüchteten durch den Übergang statusrechtlich verbessert hat? Zu 5.: Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales wird sich in Abstimmung mit dem LAGeSo sowie den Bezirksämtern von Berlin kurzfristig um eine sachgerechte Verfahrensweise bemühen, um zu gewährleisten, dass die Vermittlung von Mietwohnraum an Personen, für die während des Vermittlungsverfahren die leistungsrechtliche Zuständigkeit vom LAGeSo auf eine bezirkliche Leistungsbehörde bzw. ein Jobcenter übergeht, nicht beeinträchtigt wird. Frage 6: Können die vom LAGeSo ausgegebenen Gesundheitskarten von Geflüchteten beim Übergang der Zuständigkeit vom LAGeSo zu den Bezirken bzw. Jobcentern weitergenutzt werden oder verlieren diese ihre Gültigkeit? Zu 6.: Die vom LAGeSo ausgegebene elektronische Gesundheitskarte wird für Leistungsberechtigte nach den §§ 1a und 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes zur Verfügung gestellt. Die Gültigkeitsdauer ist bei der Erstausgabe in der Regel zunächst auf sechs Monate beschränkt. Ein Wechsel in die Zuständigkeit eines Jobcenters ist für die Leistungsberechtigten mit einem Wechsel des Rechtskreises verbunden. Die Adressaten sind in dem Fall nicht mehr Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, sondern nach der im Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) geregelten Grundsicherung für Arbeitssuchende . Entsprechend besteht an dieser Stelle eine Versicherungspflicht als gesetzlich Versicherte bzw. gesetzlich Versicherter nach § 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). In der Folge des beschriebenen Rechtskreiswechsels ist eine Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte für Leistungsberechtigte nach den §§ 1a und 3 AsylbLG rechtlich nicht möglich. Wenn ehemalige AsylbLG-Leistungsberechtigte nach Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anspruchsberechtigt nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) sind, wechseln sie in die Zuständigkeiten der bezirklichen Sozialämter. In diesem Fall ist nicht mehr § 264 Abs.1 SGB V einschlägig , sondern § 264 Abs. 2 bis 7 SGB V anwendbar. Empfängerinnen und Empfänger nach § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V wählen nach § 264 Abs. 3 SGB V eine Krankenkasse , die die Krankenbehandlung im Auftrag der Leistungsbehörde übernimmt. Auch dieser Personenkreis erhält daher eine neue elektronische Gesundheitskarte. Sofern Personen nach Entscheidung des BAMF leistungsberechtigt nach dem AsylbLG bleiben, aber in die Zuständigkeit der Sozialämter wechseln (im Falle einer Duldung) erfolgt keine Ab- und erneute Anmeldung, sondern lediglich eine Änderungsmeldung an die zentrale Abrechnungsstelle und die zuständige Krankenkasse hinsichtlich der gewechselten Zuständigkeiten. Der Personenkreis behält in einem solchen Fall die elektronische Gesundheitskarte. Frage 9: Wie bewertet der Senat den Vorschlag, die Zuständigkeit für die Geflüchteten in den Bezirken bzw. Jobcentern nach dem Wohnortprinzip, d h. dem Ort der Unterkunft zu regeln, statt wie bisher nach dem Geburtsmonat ? Welche Schritte wurden dafür ggf. bereits ergriffen ? Zu 9.: Die sog. Geburtstagsregelung für Wohnungslose führt zu einer annähernd gleichen Fallzahl in allen Bezirken und hat sich im Land Berlin bewährt. Das Wohnortprinzip für diesen Personenkreis wird wegen der erheblich ungleichen Belastungen auch von der Mehrheit der Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträte für Soziales abgelehnt. Berlin, den 09. Februar 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Feb. 2016)