Drucksache 17 / 17 774 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Baum (PIRATEN) vom 20. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Januar 2016) und Antwort Erfolgsgeschichte Semesterticket weiterschreiben – Solidarticket-Modell ausweiten? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage zukommen zu lassen. Zum Abschluss von Semesterticket-Verträgen hat der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) eine wichtige Koordinierungsaufgabe übernommen. Aus diesem Grunde hat der Senat den VBB um Stellungnahme gebeten. Die Informationen des VBB werden nachfolgend entsprechend gekennzeichnet wiedergegeben. Frage 1: Welche Gesetze oder Verordnungen müssten geschaffen oder geändert werden, um ein Solidarticket nach dem Vorbild des Semestertickets für Schüler/-innen der Grund- und weiterführenden Schulen in Berlin zu ermöglichen? Frage 2: Welche Gesetze oder Verordnungen müssten geschaffen oder geändert werden, um ein Solidarticket nach dem Vorbild des Semestertickets für Auszubildende in Berlin zu ermöglichen? Frage 3: Welche Gesetze oder Verordnungen müssten geschaffen oder geändert werden, um ein Solidarticket nach dem Vorbild des Semestertickets für Landesbeamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes in Berlin zu ermöglichen? Frage 4: Welche Gesetze oder Verordnungen müssten geschaffen oder geändert werden, um ein Solidarticket nach dem Vorbild des Semestertickets für Berliner Einwohner /-innen im Alter ab 65 Jahren zu ermöglichen? Antwort zu1, 2, 3 und 4: Bei den Semestertickets handelt es sich um ein solidarfinanziertes Zeitkartenangebot. Um ein derartiges Angebot zu verwirklichen, muss sich eine bestimmte Mehrheit aller Betroffenen in einer Urabstimmung für die Annahme eines entsprechenden Tarifangebotes aussprechen. Im Falle der Annahme eines solchen Tarifangebotes, müssen alle Studierenden (unabhängig vom Abstimmverhalten und unabhängig von der Nutzung ) den Betrag für das Semesterticket zahlen. Der jeweilige Semesterticketvertrag wird von dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) abgeschlossen. Die Realisierung eines solchen Angebotes setzt voraus : 1. einen klar definierten Kreis Betroffener, 2. eine Vertretungsorganisation, die im Namen der Betroffenen Verträge aushandeln und das Verhandlungsergebnis zur Abstimmung bringen darf. Während die Bedingung 1. für die angesprochenen Gruppen von Schülerinnen und Schülern erfüllbar sein mag, fehlt für die Bedingung 2 eine entsprechende Vertretungsorganisation . So ist die Studierendenschaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft . Als Voraussetzung für die Einführung von Semesterticketverträgen musste das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) entsprechend angepasst werden. Zur Umsetzung eines vergleichbaren Angebotes für Schülerinnen und Schüler wurde bisher weder die rechtliche Machbarkeit noch der Änderungsbedarf von Gesetzen geprüft. Hintergrund hierfür sind die ungleich ungünstigeren Rahmenbedingungen, die eine praktische und rechtliche Umsetzung kaum oder gar nicht realistisch erscheinen lassen. Frage 5: Wie haben sich die Beitragshöhen der Semestertickets an Berliner Hochschulen in den Semestern seit 2003 entwickelt? (Bitte nach Semestern, Hochschulen und jeweils geltendem Tarifbereich aufschlüsseln.) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 774 2 Antwort zu 5: Der VBB hat hierzu übermittelt: „Semestertickets Berlin ABC Semester Preise SS 2002 - WS 2004/05 115,00 € SS 2005 - WS 2005/06 141,00 € SS 2006 - WS 2006/07 145,00 € SS 2007 - WS 2007/08 149,50 € SS 2008 - WS 2008/09 154,00 € SS 2009 - WS 2009/10 158,50 € SS 2010 - WS 2010/11 163,50 € SS 2011 - WS 2011/12 168,00 € SS 2012 - WS 2012/13 172,60 € SS 2013 - WS 2013/14 176,00 € SS 2014 - WS 2014/15 179,40 € SS 2015 - WS 2015/16 184,10 € SS 2016 - WS 2016/17 188,90 € SS 2017 - WS 2017/18 193,80 € Die Preise sind für alle Hochschulen in Berlin gleich; sie gelten für den Tarifbereich Berlin ABC.“ Frage 6: Auf welcher Grundlage und unter Berücksichtigung welcher Faktoren (Nutzungsverhalten der betroffenen Gruppe, zusätzliche Einnahmen, Zinsgewinne , Kundenbindung usw.) wurden und werden die Beiträge für die bestehenden Semestertickets in Berlin berechnet ? (Bitte um detaillierte Darstellung der Berechnungsgrundlagen .) Antwort zu 6: Der VBB hat hierzu übermittelt: „Durch Einführung spezieller Tarife für bestimmte Kundengruppen dürfen den Verkehrsunternehmen keine Mindereinnahmen entstehen. Aus diesem Grund ist der jeweils entscheidende Aspekt, wieviel Einnahmen die Verkehrsunternehmen vor Einführung bzw. ohne Einführung des Sondertarifes erzielten bzw. erzielen würden. Diese Einnahmen müssen weiterhin gewährleistet sein. Bei der Kalkulation fanden folgende Faktoren und Annahmen Berücksichtigung: Einnahmen aus allen relevanten Fahrausweisarten, der Modal-Split (= Anteil der Nutzung) der Studierenden , die Nutzungshäufigkeit. Die Berechnung ist mit Einführung der Semestertickets im VBB erfolgt und über die Jahre auf der Basis der Preissteigerung im ´normalen´ Tarifsegment fortgeschrieben worden.“ Frage 7: welche wirtschaftliche Bilanz weisen die bestehenden Semestertickets zu den gegenwärtigen Beiträgen vor? Antwort zu 7: Für den Tarif haben die Verkehrsunternehmen die wirtschaftliche Verantwortung. So haben die Verkehrsunternehmen auf Basis der in der Antwort zur Frage 6 genannten Randbedingungen das Semesterticket kalkuliert und hierfür entsprechende Tarifanträge gestellt. Frage 8: Werden auch die Erhöhungen der Semesterticket -Beiträge am aktuell verwendeten Tariferhöhungs- Index des VBB ausgerichtet? Antwort zu 8:Der VBB hat hierzu übermittelt: „Ja, der VBB-Tarifindex wird angewandt. Die Berechnung gilt für eine Vertragslaufzeit von drei Jahren. Dieser Zeitraum gründet darauf, dass die Abstimmungsverfahren in den Hochschulen sehr aufwändig sind und im Abstand von drei Jahren durchgeführt werden. Die übrigen VBB-Tarife werden mit dem VBB-Tarifindex für eine jährliche Tarifanpassung kalkuliert. Aus diesen unterschiedlichen Laufzeiten ergeben sich auch unterschiedliche Steigerungsraten.“ Frage 9: Zu welchem monatlichen Beitrag wäre ein Solidarticket nach dem Vorbild des Semestertickets für Schüler/-innen in Berlin – unter Einbeziehung der für den Schülerverkehr bereitgestellten Ausgleichszahlungen – ohne Einnahmeausfälle seitens der Verkehrsunternehmen umsetzbar? Frage 10: Zu welchem monatlichen Beitrag wäre ein Solidarticket nach dem Vorbild des Semestertickets für Auszubildende in Berlin ohne Einnahmeausfälle seitens der Verkehrsunternehmen umsetzbar? Frage 11: Zu welchem monatlichen Beitrag wäre ein Solidarticket nach dem Vorbild des Semestertickets für Landesbeamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes in Berlin ohne Einnahmeausfälle seitens der Verkehrsunternehmen umsetzbar? Frage 12: Zu welchem monatlichen Preis wäre ein Solidarticket nach dem Vorbild des Semestertickets für Einwohner/-innen Berlins im Alter ab 65 Jahren ohne Einnahmeausfälle seitens der Verkehrsunternehmen umsetzbar ? Antwort zu 9, 10, 11 und 12: Es wird auf die Beantwortung der Fragen 1 bis 4 verwiesen. Frage 13: Wie bewertet der Senat die Differenz von, je nach benötigtem Tarifbereich, zwischen 157,90 und 268,30 Euro, die Auszubildende für ein halbes Jahr ÖPNV-Nutzung mehr zahlen müssen als Studierende mit Semesterticket? 1) 1) Semesterticketpreis Wintersemester 2015/16, gültig im Tarifbereich ABC: 184,10 Euro, BVG-Monatsticket für Auszubildende: 57 Euro (AB), 62 Euro (BC) bzw. 75,40 Euro (ABC). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 774 3 Antwort zu 13: Der Semesterticketpreis ist deutlich niedriger, da er auf dem Solidarprinzip beruht; also auch von Personen gezahlt werden muss, die die ÖPNV 1 - Leistung nicht oder nur in einem geringen Umfang in Anspruch nehmen. Die Preisdifferenzen sind diesem Umstand zuzuordnen. Auszubildende erhalten eine Ausbildungsvergütung . Hierdurch relativieren sich die genannten Differenzbeträge. Frage 14: Wie bewertet der Senat die kurz- und mittelfristigen verkehrspolitischen Effekte sowie die – dank frühzeitiger Kundenbindung an den öffentlichen Nahverkehr – langfristige verkehrspolitische Lenkungswirkung, die eine Einführung von Solidartickets nach dem Vorbild des Semestertickets für die oben genannten Gruppen hätte? Antwort zu 14: Kundenbindungseffekte nach Vorbild z.B. von Semestertickets sind positiv zu bewerten. Die Solidarfinanzierung von Semestertickets ist wegen der erwähnten unterschiedlichen Rahmenbedingungen nicht auf jede Kundengruppe übertragbar. Berlin, den 05. Februar 2016 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Feb. 2016) 1 Öffentlicher Personennahverkehr