Drucksache 17 / 17 791 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Rainer-Michael Lehmann (SPD) vom 21. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Januar 2016) und Antwort Flüchtlinge mit Behinderung - Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen mit Behinderungen verbessern - Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wirkt der Senat aktiv auf die zügige Verbesserung der aktuelle Situation von Flüchtlingen und vor allem derer betroffener Flüchtlingskinder und jugendlichen Geflüchteten mit Behinderung hin? Wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen/Programme und in welchem Zeitrahmen? 3. Sieht der Senat Verbesserungsbedarf bei der Regelung der Mindestnormen für die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge nach dem Rundschreiben SOZ Nr. 02/2015 über Leistungen der EU-Richtlinie 2013/33/EU-Mindestnormen? Wenn ja, welche Verbesserungsmaßnahmen strebt der Senat in Absprache mit den Fachstellen des Netzwerkes an? 4. Wie sieht der Senat die Forderung nach einem berlinweit gültigen Feststellungsverfahren für die Leistungsstellen ? Die Feststellung des Grades der Behinderung und der Prüfung von erfolgter psychischer oder physischer Gewalt fallen auseinander. 5. Sieht es der Senat als hilfreich an, dass an die Sozialdienste und Berliner Bezirke entsprechende Handreichungen zum Thema ausgegeben werden? Wenn ja, praktiziert der Senat dies bereits in seinem tätigen Handeln? 6. Sind Personal der Erstaufnahmestellen und das La- GeSo ausreichend zur Thematik geschult? Erfolgt aus Sicht des Senates, von diesen Stellen aus, eine ausreichende Kontaktaufnahme und Vermittlung der besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge an entsprechende Anlaufund Beratungsstellen oder die Sozialämter? Zu 1. und 3. bis 6.: Im Land Berlin sind allein im Jahr 2015 75.422 Menschen als Asylsuchende registriert worden , von denen 55.001 Menschen hier zur Durchführung des Asylverfahrens aufgenommen, untergebracht und mit den notwendigen Leistungen versorgt worden sind. Auch im Jahr 2016 hält der Trend des erheblichen Anstiegs gegenüber dem Vorjahr weiter an. In dieser großen Gruppe der Asylsuchenden befinden sich auch besonders schutzbedürftige Menschen, zu denen auch Kinder und Menschen mit Behinderung gehören. Obwohl aktuell aufgrund des bestehenden Mangels an Gemeinschaftsunterkünften erhebliche Kapazitäten für die Beschaffung von Unterkünften gebunden sind, wird parallel aktiv daran gearbeitet, die Identifizierung besonders schutzbedürftiger Personenkreise zu intensivieren und in die Ablauforganisation zu integrieren. Das genannte Rundschreiben gibt daran anknüpfend die erforderlichen Hinweise zur leistungsrechtlichen Umsetzung der EU-Richtlinie. Um auch in der aktuellen Situation Härten für die betroffenen Menschen zu vermeiden, werden besonders Schutzbedürftige aus dem Med-Punkt am Campus Turmstraße direkt an den Sozialdienst vermittelt. Ferner sind bestimmte, in Bezug auf die Baulichkeit und die Betreuung besonders geeignete Gemeinschaftsunterkünfte der Unterbringung von Menschen mit Behinderung gewidmet . Hinsichtlich der Identifizierung wird aktuell in enger Abstimmung mit dem Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge an einer Handreichung gearbeitet , die von den verschiedenen Beteiligten in den unterschiedlichen Zusammenhängen nutzbar sein soll. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass viele Schutzbedürfnisse erst mit zeitlichem Abstand zum Aufnahmeverfahren erkannt werden oder auch erst später auftreten können. Angesichts der Vielschichtigkeit besonderer Schutzbedürfnisse wird ein flexibles Verfahren für wichtig gehalten . Das Berliner Netzwerk bietet auch bereits Schulungen für die Mitarbeiter/innen der involvierten Verwaltungen an. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 791 2 2. Wie gestaltet sich aktuell die Fortsetzung und Förderung für das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, als zentrale Anlaufstelle? Hat der Senat bereits die künftige finanzielle Förderung beschlossen oder eine Regelfinanzierung angedacht? Zu 2.: Für das Berliner Netzwerk sind im Haushalt des Büros des Integrationsbeauftragten 370.000,00 Euro vorgesehen . Die Förderung erfolgt als Zuwendung (Projektfinanzierung ) an das Behandlungszentrum für Folteropfer (als koordinierende Stelle). 7. Beabsichtigt der Senat auf eine Änderung der Heimstättenverordnung hinzuwirken, sodass im Rahmen von Neubau von Flüchtlingsunterkünften, die Barrierefreiheit als Zulassungskriterium der Bauämter zwingend ist? Zu 7.: Die Anforderungen an die Unterkünfte ergeben sich aus den mit den Betreiberinnen und Betreibern geschlossenen Verträgen, denen bestimmte Qualitätsanforderungen zu Grunde liegen. Eine umfassende Barrierefreiheit , die ja nicht allein auf eine Gruppe von Behinderungen abzielt, sondern auf verschiedene Lebensumstände und Arten von Behinderung, wird nicht für jede zu eröffnende Einrichtung realisierbar sein. Auch Neubauten von Flüchtlingsunterkünften werden nicht ausnahmslos barrierefrei errichtet werden können. 8. Hält der Senat das Vorhalten von Sozialarbeiter/- innen durch Träger der Flüchtlingseinrichtungen für verpflichtend an, um einen etwaigen Zeitverzug durch verspätete Antragsstellung bei der Feststellung einer Behinderung verhindern zu können? Zu 8.: Die Qualitätsanforderungen der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) sehen u. a. vor, dass in ausreichendem Maße qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der sozialen Arbeit eingesetzt werden. Hierzu gehören insbesondere Diplom- Sozialpädagoginnen und Diplompädagogen, Diplom- Sozialarbeiterinnen und Diplom-Sozialarbeiter sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. 9. Die Bescheinigung über eine Behinderung durch eine Fachstelle ist insoweit nicht bindend, als das Kassenleistungen von einer ärztlichen Verordnung abhängig gemacht werden. Hat der Senat hier ein einfaches zügiges Verfahren zur Bescheinigung der Behinderung, das die Diskriminierung bei der Inanspruchnahme von Leistungen des GKV verhindert? Wie sieht der Senat in diesem Zusammenhang den Vorschlag des Bremer Modells für Berlin? Zu 9.: Die Bescheinigung über das Vorliegen einer besonderen Schutzbedürftigkeit dient der Vorlage bei der Leistungsbehörde und soll dort den Zugang zu Leistungen erleichtern, die die Behörde einzelfallorientiert bewilligen muss. Seit Jahresbeginn ist mit der Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte begonnen worden, die den Zugang zu den medizinischen Leistungen erleichtern wird. Für die Gewährung z. B. von Hilfsmitteln wird dann auf das Instrumentarium der beteiligten Krankenkassen zurückgegriffen. Berlin, den 09. Februar 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Feb. 2016)