Drucksache 17 / 17 797 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 22. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Januar 2016) und Antwort Religiöse Bedürfnisse von Geflüchteten in Sammelunterkünften Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Teilt der Senat die Auffassung, dass geflüchteten Menschen beginnend ab Einreise in Deutschland/Berlin die im Grundgesetz und in der Berliner Verfassung aufgeführten Rechte auf Religionsausübung – sofern verfassungskonform – in vollem Umfang zustehen? Falls ja, werden diese in den Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften berücksichtigt und in welcher Art und Weise? 2. In welcher Weise werden folgende religiöse Belange von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften berücksichtigt: a. Angebot geistlicher Betreuung, b. Vorhalten entsprechender Gebetsmöglichkeiten bzw. -räumlichkeiten sowie c. Beachtung religiös bedingter Ernährungsweisen? 3. Welche Anforderungen stellt der Senat an „helàl“- Essen, das in Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften an die Bewohner /-innen ausgegeben wird? 4. Reicht es nach Ansicht des Senats für eine „helàl“- Ernährungsweise aus, bei den in den Einrichtungen ausgegebenen Mahlzeiten auf die Verwendung von Schweinefleisch zu verzichten (vgl. Drucksache 17/12263, S. 2)? 5. Ist dem Senat bekannt, dass zu einer „helàl“- Ernährungsweise gehört, dass Tiere „helàl“ geschlachtet worden sind? 6. Ist dem Senat bekannt, dass Fleisch nicht mehr als „helàl“ anzusehen ist, wenn Schweine und andere Tiere mit derselben Maschine bearbeitet werden? Falls ja, wie werden Betriebe zertifiziert, die die Caterer mit „helàl“- Fleisch versorgen, die Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte und Notunterkünfte in Berlin beliefern? 7. Die Mahlzeiten welcher Caterer, die Erstaufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünfte und Notunterkünfte in Berlin beliefern, erfüllen die oben genannten Voraussetzungen für eine „helàl“-Ernährungsweise? Zu 1. bis 7.: Die durch Artikel 4 Grundgesetz und Artikel 29 Verfassung von Berlin geschützte Freiheit des Glaubens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses steht insbesondere auch Ausländerinnen und Ausländern und deren Kindern zu, die in Berlin einen Antrag auf Asyl stellen. Die individuelle Freiheit, eine religiöse und weltanschauliche Überzeugung zu haben und die äußere Freiheit, diese Überzeugung zu bekennen, ist in sämtlichen Flüchtlingsunterkünften im Land Berlin für alle untergebrachten Personen unverletzlich. Aus der Glaubensfreiheit der anderen untergebrachten Personen und der Würde des Menschen wird jedoch auch das verfassungsrechtliche Gebot der Toleranz berücksichtigt. Dementsprechend wird auch die negative Glaubensfreiheit, die Freiheit eine religiöse und weltanschauliche Überzeugung abzulehnen, geschützt. Entsprechend besteht für die untergebrachten Personen in sämtlichen Berliner Flüchtlingsunterkünften die Möglichkeit ihren individuellen Glauben frei zu bekennen. Gesonderte Gebetsräumlichkeiten oder eine spezielle geistliche Betreuung werden in den Flüchtlingsunterkünften nicht vorgehalten, weil der Besuch der jeweiligen zahlreich in Berlin vertretenen Religionsgemeinden jederzeit möglich ist. Die Qualitätsanforderungen des Landes Berlin sehen die Beachtung religiös bedingter Ernährungsweisen durch die Betreiberinnen und Betreiber von Flüchtlingsunterkünften vor. Diese haben die religiösen Belange bei den Mahlzeiten zu berücksichtigen. Dies beinhaltet auch die Verpflichtung bei der Verpflegung der muslimischen Personen das im Islam Erlaubte [Halāl] zu beachten und das aus religiösen Gründen verpönte oder verbotene zu meiden. Diesbezüglich hat der Senat bereits in der Schriftlichen Anfrage 17/12263 dargelegt, dass in den Einrichtungen auf die Verwendung von Schweinefleisch verzichtet wird. Dem Senat ist bekannt, dass nach islamischen Vorschriften ein Muslim nur Lebensmittel zu sich Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 797 2 nehmen darf, die rituell rein sind. Es ist ebenfalls bekannt, dass ein Gegenstand der von sich aus eigentlich rein ist, als verunreinigt gilt, wenn er in einer bestimmten Art mit Unreinem in Berührung kommt. Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes (AsylG) sind vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu leisten (§ 3 Asylbewerberleistungsgesetz /AsylbLG), sodass sich die untergebrachten Personen in Gemeinschaftsunterkünften selbständig versorgen . In den Notunterkünften und den Aufnahmeeinrichtungen haben die Betreiberinnen und Betreiber entsprechend den Qualitätsanforderungen Berlin Caterer auszuwählen, die regelmäßig eine Ernährung nach den islamischen Speisevorschriften anbieten. 8. Durch wen und wie wird in Berlin kontrolliert, ob die Mahlzeiten der Caterer, die Erstaufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünfte und Notunterkünfte in Berlin beliefern, die Voraussetzungen für eine „helàl“- Ernährungsweise erfüllen? Zu 8.: Bei den regelmäßig durchgeführten Unterkunftsbegehungen wird durch die Arbeitsgruppe Qualitätssicherung Flüchtlingsunterkünfte überprüft, ob in den Unterkünften eine Verpflegung angeboten wird, die als Halāl gekennzeichnet ist. Berlin, den 08. Februar 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Feb. 2016)