Drucksache 17 / 17 818 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 20. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Januar 2016) und Antwort Organisierte Kriminalität in Berlin – Illegales Vermögen und Entlohnung teurer Strafverteidiger ? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Tatverdächtige und Angeklagte in Verfahren der Organisierten Kriminalität bezogen in den letzten fünf Jahren offiziell Sozialleistungen? Zu 1.: Der Erhalt von Sozialleistungen unterliegt dem Sozialgeheimnis und darf von den Sozialbehörden nur unter besonderen Voraussetzungen übermittelt werden. Eine routinemäßige Überprüfung, ob eine Beschuldigte oder ein Beschuldigter Sozialleistungen bezieht, ist daher nicht möglich. Darüber hinaus werden die Einkommensverhältnisse von Beschuldigten und Angeklagten statistisch nicht gesondert erfasst. 2. Unter welchen Voraussetzungen erhalten Angeklagte einen Pflichtverteidiger? Zu 2.: Die Fälle notwendiger Verteidigung ergeben sich aus § 140 Abs. 1 und 2 Strafprozessordnung (StPO). Insbesondere in Fällen schwerer Tatvorwürfe (Verbrechen ) oder bereits bestehender Freiheitsentziehung (Untersuchungshaft ) geht das Gesetz davon aus, dass dem Beschuldigten oder Angeklagten zu einer wirksamen Verteidigung und zur Durchführung eines prozessordnungsgemäßen Strafverfahrens ein Rechtsbeistand zwingend zur Verfügung stehen muss. Nach § 141 StPO hat das Gericht in diesen Fällen der oder dem Angeschuldigten, die oder der noch keine Wahlverteidigung hat, eine Pflichtverteidigung zu bestellen . Erscheint dies für den zügigen Fortgang des Verfahrens erforderlich, kann das Gericht auch mehrere Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidiger oder eine Pflichtverteidigung zusätzlich zu einer bestehenden Wahlverteidigung bestellen. 3. Spielt die offizielle Einkommenssituation von Angeklagten bei der Auswahl von Strafverteidigern eine Rolle? Zu 3.: Der Bundesgesetzgeber hat die Bestellung einer Pflichtverteidigerin oder eines Pflichtverteidigers unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Beschuldigten oder der Angeklagten vorgesehen. 4. Wie hoch sind in Berlin die Sätze bei Strafverteidigern ? Was besagt die Gebührenordnung? (Aufstellung der Preissätze erbeten) Zu 4.: Die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist bundesrechtlich durch das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) geregelt. Die einzelnen Gebührentatbestände finden sich im Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 (zu § 2 Absatz 2 RVG). Für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger sind insbesondere die Gebührentatbestände in Teil 4 (Strafsachen) Abschnitt 1 (Gebühren der Verteidiger ) - Nummern 4000 bis 4147 - relevant. Wegen der Vielzahl der Gebührentatbestände wird von einer Wiedergabe abgesehen und auf die elektronische Abrufbarkeit des Vergütungsverzeichnisses unter http://www.gesetze-im-internet.de/ rvg/anlage_1.html verwiesen. Die Höhe der einzelnen Gebühren unterscheidet sich danach, ob es sich um eine Wahl- oder Pflichtverteidigung handelt. Die Gebühren für Wahlverteidigerinnen und Wahlverteidiger sind als Rahmengebühren ausgestaltet , bei der Pflichtverteidigung handelt es sich um Festgebühren. Die Gebühren für Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidiger sind aus der Spalte „gerichtlich bestellter oder beigeordneter Rechtsanwalt“ des Vergütungsverzeichnisses ersichtlich. Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidiger erhalten ihre Vergütung aus dem Justizhaushalt des Landes Berlin, wenn sie von einem Berliner Gericht bestellt worden sind, § 45 Absatz 3 RVG. Als Kosten des Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 818 2 Verfahrens hat sie nach § 465 StPO grundsätzlich die/der Verurteilte zu tragen. 5. Muss ein Strafverteidiger hinterfragen, woher das Geld stammt, mit dem er entlohnt wird? Und wenn ja, ab wann? 6. Ab welchem Zeitpunkt handelt es sich um eine Straftat im Sinne des Geldwäschegesetzes, wenn illegal erworbenes Geld für die Entlohnung genutzt wird? Zu 5. und 6.: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520-1521/01 - (zuletzt bestätigt durch Beschluss des BVerfG vom 28. Juli 2015 - 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14 -) ist der Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 Strafgesetzbuch - StGB -) zur Wahrung des Übermaßverbotes einschränkend auszulegen. Das Verhalten von Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern darf nur dann mit Strafe bedroht werden, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme ihres Honorars sichere Kenntnis von dessen illegaler Herkunft haben. Die Strafbarkeit nur bedingt vorsätzlicher oder leichtfertiger Tatbegehung würde dagegen - so das BVerfG - unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit der Strafverteidigerin oder des Strafverteidigers eingreifen, da das Risiko eigener Strafverfolgung sie am Erwerb hindern könnte. Ermittlungspflichten zur Herkunft des Geldes treffen die Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger demzufolge nicht. Die Mandantin und der Mandant selbst wiederum, die oder der ihre Verteidigerin oder seinen Verteidiger mit bemakeltem Geld bezahlt, wird in der Regel nicht den Tatbestand der Geldwäsche verwirklichen. § 261 Abs. 9 StGB sieht nämlich vor, dass wegen Geldwäsche nicht bestraft wird, wer wegen Beteiligung an der Vortat, aus der die Vermögenswerte herrühren, strafbar ist. 7. Wer ermittelt bei Verdachtsfällen von Geldwäsche? Zu 7.: Bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat der Geldwäsche hat nach §§ 152 Abs. 2, 160 StPO die zuständige Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens Ermittlungen durchzuführen, wobei sie gem. §§ 161, 163 StPO von den Polizeibehörden unterstützt wird. 8. Wird die offizielle Einkommenssituation von Angeklagten mit der Auswahl bzw. Entlohnung von teuren Strafverteidigern überprüft und wie wird in Fällen verfahren , in denen offensichtlich ein Missverhältnis vorliegt? 9. Wie viele solcher Fälle gab es in den letzten fünf Jahren? Zu 8. und 9.: Das Verhältnis zwischen der Einkommenssituation der oder des Beschuldigten oder Angeklagten und dem (Wahl-)Verteidigerhonorar lässt sich in der Regel nicht feststellen, da - selbst wenn das Einkommen der oder des Beschuldigten oder Angeklagten bekannt ist - die konkrete Höhe und die Art und Weise der Begleichung des Wahlverteidigerhonorars nicht bekannt und auch nicht Gegenstand der Ermittlungen sind. Sollten im Einzelfall die Voraussetzungen eines Anfangsverdachts einer Geldwäsche oder eines Sozialbetruges vorliegen, werden entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Anzahl solcher Fälle in den letzten fünf Jahren ist dem Senat mangels statistischer Erfassung nicht bekannt. Berlin, den 12. Februar 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Feb. 2016)