Drucksache 17 / 17 861 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriele Hiller (LINKE) vom 27. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Januar 2016) und Antwort Schwimmunterricht für wachsende Schülerschaft Berlins gesichert? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welchen Stellenwert hat der Schwimmunterricht für den Senat und wie stellt er diesen an den Berliner Schulen sicher? Zu 1.: Wie bereits mehrmals in Antworten auf Schriftliche Anfragen dargestellt, misst der Senat dem Schwimmunterricht an den Berliner Schulen in der 3. Klasse eine hohe Bedeutung zu. Für alle Berliner Schülerinnen und Schüler dieser Jahrgangsstufe wird entgeltfrei ein qualifizierter Schwimmunterricht auf der Grundlage eines Rahmenlehrplanes mit mehr als 30 Wochenstunden im Schuljahr durch Sportlehrer/innen oder Lehrer/innen mit einer besonderen Lehrberechtigung für den Schwimmunterricht durchgeführt. Damit sind auch im Vergleich mit anderen Ländern gute organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen, um für möglichst alle Schülerinnen und Schüler die Zielstellung einer erfolgreichen Schwimmausbildung zu realisieren. Hierzu tragen mittel- und langfristig auch die umfangreichen Sanierungs - und Modernisierungsmaßnahmen in den Berliner Schwimmhallen bei, auch wenn deswegen kurzfristig die für den Schwimmunterricht zur Verfügung stehende Wasserfläche vorübergehend verdichtet werden muss. 2. An welchen Schulen kann der gesetzlich vorgeschriebene Schwimmunterricht in der Jahrgangsstufe drei und in Leistungskursen aktuell nicht oder nur eingeschränkt gewährleistet werden? Aus welchen Gründen und für welchen Zeitraum gilt dies (bitte bezirklich aufschlüsseln )? 3. An welchen Schulen kann bei wachsender Schülerzahl voraussichtlich der gesetzlich vorgeschriebene Schwimmunterricht in der Jahrgangsstufe drei bis 2020/21 nicht oder nicht ohne Einschränkungen gewährleistet werden (bitte bezirklich aufschlüsseln)? Zu 2. und 3.: Aktuell liegen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft keine Erkenntnisse vor, dass der Schwimmunterricht in der Jahrgangsstufe 3 und die Leistungskurse Schwimmen nicht oder nur eingeschränkt gewährleistet werden. Die Einrichtung des Leistungsfaches Sport ist in Berlin auf die Eliteschulen des Sports beschränkt. Im Grundkursangebot der Schulen in der Sekundarstufe II gibt es im Fach Sport keine Verpflichtung für Schülerinnen und Schüler den Grundkurs Schwimmen zu belegen. Für die verpflichtende Grundkursbelegung gibt es verschiedene Bewegungsfelder als Wahlmöglichkeit. Grundkurse Sport werden deshalb nach der Wahl der Schülerinnen und Schüler und den vorhandenen materiellen und personellen Bedingungen der Schule eingerichtet (u.a. Sportstätten, Qualifikation der Sportlehrkräfte). 4. Welche Maßnahmen hat der Senat in Zusammenarbeit mit den Berliner Bäder-Betrieben (BBB) ergriffen, um den Schwimmunterricht wie gesetzlich vorgeschrieben jetzt und künftig auch mit ausreichenden Schwimmhallenkapazitäten und dem dafür nötigen Fachpersonal sicherzustellen? 5. Wie will der Senat in Zusammenarbeit mit den BBB gewährleisten, dass weder das öffentliche Schwimmen noch das Vereinsschwimmen Einschränkungen erfahren , wenn die Erteilung des regulären Schwimmunterrichts zusätzliche Hallenkapazitäten erfordert? Zu 4. und 5.: Das Gesetz über die Anstalt öffentlichen Rechts Berliner Bäder-Betriebe (Bäder-Anstaltsgesetz – BBBG) beschreibt die unentgeltliche Sicherstellung des obligatorischen Schulschwimmens nach Maßgaben der Nutzungssatzung als gesetzlichen Auftrag der Berliner Bäder-Betriebe (BBB). Diesen Auftrag werden die BBB mit der zur Verfügung stehenden Wasserflächen erfüllen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 861 2 Mit der Umsetzung des Berliner Bäderkonzeptes 2025 sollen ausreichende Schwimmhallenkapazitäten und das nötige Fachpersonal sichergestellt werden. Die Aufteilung der Hallen nach Nutzergruppen ist durch die BBB bereits seit dem Schuljahr 2015/16 im Gange. Die Aufteilung der Hallenbäder erfolgt künftig konsequent nach Nutzergruppen . Dies bietet klare Vorteile für alle Beteiligten. Das Personal der BBB wird optimal eingesetzt, indem insbesondere bei der Wasseraufsicht das Engagement des Sports genutzt wird. Durch den Neubau zweier Multifunktionsbäder wird eine Erhöhung von Wasserflächen erreicht, die im Wesentlichen diesen unentgeltlichen Nutzergruppen zur Verfügung stehen werden. 6. Welchen Stellenwert hat die Sicherstellung des regulären Schwimmunterrichts im aktuellen „Berliner Bäderkonzept 2025“ des Senats und welchen Fortschreibungsbedarf sieht der Senat für dieses Konzept angesichts steigender Schülerzahlen? Zu 6.: Wichtiges Ziel im Bäderkonzept 2025 ist es, die Bedingungen für das obligatorische Schwimmen der Schülerinnen und Schüler sowie den Übungs-, Lehr- und Wettkampfbetrieb der Berliner Schwimmvereine nachhaltig zu verbessern. Dies soll erreicht werden, indem künftig ein Netz von Bädern vorgehalten wird, das ausschließlich Schulen, Vereinen sowie den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern der BBB zur Verfügung steht. Die BBB setzen seit dem Schuljahr 2015/16 die konsequente Aufteilung nach Nutzergruppen bereits um. Inwieweit ein weiterer Fortschreibungsbedarf am Bäderkonzept 2025 entsteht, kann erst nach dem Vorliegen belastbarer Zahlen geprüft und ggf. angepasst werden. 7. Wie bewertet der Senat aus heutiger Sicht Forderungen , wonach kein Schüler/keine Schülerin die Berliner Schule ohne Schwimmbefähigung verlassen dürfe? Wie steht der Senat zu dieser Position und wie will der Senat dies erreichen? Zu 7.: Im neuen Rahmenlehrplan der Länder Berlin und Brandenburg für die Klassen 1 bis 10 wird hierzu im Teil C für das Fach Sport ausgeführt: „Im Mittelpunkt des Bewegungsfeldes Bewegen im Wasser steht das sichere Schwimmen und sich Orientieren im und unter Wasser. Sich im Wasser sicher und kontrolliert bewegen zu können , ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Wassersport und hat ggf. lebensrettende Bedeutung. Deshalb hat das Erlenen des Schwimmens einen besonderen Stellenwert .“ Forderungen, wonach kein Schüler / keine Schülerin die Berliner Schule ohne Schwimmbefähigung verlassen dürfe, sind unrealistisch, da allein aus gesundheitlichen Gründen es nicht allen Schülerinnen und Schülern möglich ist, alle Bedingungen für die Schwimmfähigkeit zu erfüllen (u.a. Tauchen, Springen). Mit dem verpflichtenden Schwimmunterricht an den Berliner Grundschulen werden die Voraussetzungen geschaffen , dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler das Schwimmen erlernen. Darüber hinaus gibt es noch Angebote der Schwimmsportvereine und der BBB, die ebenfalls darauf abzielen, vielen Kindern die Schwimmbefähigung zu ermöglichen. 8. Welche Maßnahmen wird der Senat auch angesichts des Zuzuges nach Berlin, steigender Geburtenzahlen und einer wachsenden Zahl von Schülerinnen und Schülern aus Flüchtlingsfamilien ergreifen, um über den Schwimmunterricht in der dritten Klasse hinaus den Schwimmunterricht in schulischer Verantwortung für alle Schülerinnen und Schüler ungeachtet ihrer Alters-bzw. Klassenstufe zu gewährleisten? Zu 8.: In § 2 Absatz 6 der Satzung über die Nutzung der Einrichtungen der Berliner Bäder-Betriebe wird geregelt , dass für den öffentlichen (Grundversorgung der Bevölkerung im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge ) und nichtöffentlichen Badebetrieb (Schulen, Vereine, Kindertagesstätten) Wasserflächen in einem ausgewogenen Verhältnis zur Verfügung zu stellen sind. Bei Hallenbädern sind wenigstens 50 % der gesamten Wasserkapazitäten zur Grundversorgung (öffentlicher Badebetrieb) bereitzustellen. Aus diesem Grund ist der verpflichtende Schwimmunterricht an den Berliner Schulen nur in der 3. Klassenstufe möglich. Eine Ausweitung zu Lasten der Grundversorgung der Bevölkerung im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge ist nicht geplant. 9. Wird Schülerinnen und Schülern in den Willkommensklassen Schwimmunterricht erteilt und wenn nein, warum nicht? 11. Welche Maßnahmen plant der Senat, um Flüchtlingen und Asylsuchenden jeden Alters zeitnah die Chance zum Erlernen des Schwimmens zu geben? Zu 9. und 11.: Schwimmunterricht für Willkommensklassen gibt es nicht. Vielfach werden aber Schülerinnen und Schüler, die nach ihrem Alter der dritten Klassenstufe zugeordnet werden können, bereits in den Sportunterricht integriert und nehmen am Schwimmunterricht teil. Eine hohe Sensibilität muss in diesem Zusammenhang auch den Kindern entgegengebracht werden, die durch die Flucht traumatische Erlebnisse mit Wasser hatten. Ihnen ist gegenwärtig eine Verpflichtung zum Schwimmunterricht nicht zuzumuten. Je mehr die Kinder und Jugendlichen über einen gewissen Zeitraum in die Schulen integriert werden, bestehen gute Aussichten Flüchtlingen und Asylsuchenden die Teilhabe am verpflichtenden Schwimmunterricht, aber auch an den Kooperationsangeboten der Schwimmvereine mit den Schulen zu ermöglichen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 861 3 Spezielle Maßnahmen zum Erlernen des Schwimmens sind für Flüchtlinge und Asylsuchende bisher nicht geplant . 10. Was wird der Senat ressortübergreifend und in Zusammenarbeit mit dem Sport, den BBB und den Bezirken tun, um die Nichtschwimmerquote in Berlin zu senken und Kindern bereits im frühen Alter und unabhängig vom Geldbeutel der Eltern die Chance zum Erlernen des Schwimmens in Schule und Kita, in der Freizeit, in den Ferien und im Sportverein zu ermöglichen? Zu 10.: Der Senat hat ressortübergreifend und in Zusammenarbeit mit dem Sport, den BBB und den Bezirken verschiedene Projekte entwickelt, die zur Senkung der Nichtschwimmerquote im Grundschulalter beitragen sollen. In unterschiedlichen Projekten (z.B. „Schwimmbär“ im Bezirk Neukölln, Kooperationsprojekt mit dem Berliner Schwimm-Verband (BSV) „Schwimmförderung in den 3. Klassen“), die zum erfolgreichen Erlernen des Schwimmens führen sollen, wird ein besonderer qualitativer Schwerpunkt auf die Wassergewöhnung gelegt. Die ersten Ergebnisse hierzu sind positiv. Auch die Aktion „Schwimmen für alle“ bietet einen guten Ansatz, um allen Kindern das Erlernens des Schwimmens zu ermöglichen. Das Kooperationsprojekt zwischen den BBB, der Firma „Nordsee“ und der Deutschen Kinderhilfe (Start 2014), das im Jahr 2015 zusätzlich von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales unterstützt wurde, soll u.a. dazu dienen, den betroffenen Eltern aufzuzeigen, dass Kosten für Schwimmkurse im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets von den Ämtern übernommen werden können. So werden Kursgebühren, Schwimmsachen und auch Fahrtkosten finanziert. Mit dem Projekt soll dafür gesorgt werden, dass mehr Familien diese Leistungen in Anspruch nehmen, damit künftig mehr Kinder im Grundschulalter schwimmen lernen. Berlin, den 11. Februar 2016 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Feb. 2016)