Drucksache 17 / 17 880 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 28. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Januar 2016) und Antwort Energetische Gebäudesanierung (3) – Wie wirkt sich die EnEV aus? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie bewertet der Senat die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der im Mai 2014 in Kraft getretenen Novelle der Energieeinsparverordnung (EnEV) für Berlin? Antwort zu 1: Die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen des bisherigen und aktuellen Anforderungsniveaus (Standard 2016) der Energieeinsparverordnung 2013 im Land Berlin sind nicht systematisch analysiert worden bzw. noch nicht bekannt. Eine vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) geleitete Baukostensenkungskommission prognostiziert eine pauschale Baukostensteigerung von 5- 9% (Kostengruppen 300 und 400) durch die Energieeinsparverordnung (Anforderungen zur Gebäudeenergieeinsparung ) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (Nutzungspflicht erneuerbare Energien). Aufgrund der durch die ENEV 2016 verursachten Baukostensteigerungen sinkt bei gleichbleibenden Investitionsfonds das Neubauvolumen und im Wohnungsbau führt dies zu höheren Mieten. Für Auswirkungen der Energieeinsparverordnung auf soziale Strukturen gibt es keine Untersuchungen. Für den Senat hat bei der Weiterentwicklung des Energiesparrechts die Bezahlbarkeit der Mieten hohe Priorität. Frage 2: Wie haben sich die Sanierungskosten pro m² in den Beständen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften entwickelt (bitte pro Jahr ab 2010, nach Wohnungsbaugesellschaft aufschlüsseln)? Antwort zu 2: Die Gesamtberichte des Verbandes Berlin -Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) weisen für die Ist-Instandhaltungskosten und aktivierten Modernisierungs- bzw. Instandsetzungskosten im Anlagevermögen der Städtischen Wohnungsbaugesellschaften folgende Zahlen (je m² Wohn-/Nutzfläche, Jahre 2010- 2014) aus: Jahr WBG 2010 2011 2012 2013 2014 €/m² €/m² €/m² €/m² €/m² degewo 15,71 25,84 34,75 24,74 25,15 GESOBAU 50,54 41,71 51,71 47,11 47,17 GEWOBAG 40,63 32,31 30,05 32,48 25,56 HOWOGE 13,50 23,59 27,89 20,35 20,87 STADT UND LAND 18,80 18,85 18,22 20,72 22,11 WBM 19,38 22,30 22,64 24,97 28,56 Gesamt 25,89 27,45 31,43 28,17 27,57 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 880 2 Frage 3: Hält der Senat die weitere Anhebung der energetischen Anforderungen in der EnEV für sinnvoll bzw. erforderlich? Wenn ja, welche und mit welcher Begründung? Antwort zu 3: Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 eine klimaneutrale Stadt zu sein. In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich eine Erhöhung der Gebäudeenergieeffizienz erforderlich. Diese kann neben ordnungsrechtlichen Maßnahmen (wie die Standardanhebung durch die Energieeinsparverordnung) auch durch flankierende Maßnahmen (z.B. durch Information und Beratung von Bauherren bzw. Eigentümern oder Förderung) erreicht werden. Zur Definition des Niedrigstenergiegebäudestandards und im Rahmen der Novellierung des gebäudebezogenen Energierechtes wird zurzeit die Notwendigkeit einer Anhebung der energetischen Gebäudeanforderungen durch den Bund untersucht. Dabei sind die sozialen Auswirkungen , der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und die technische Realisierbarkeit zu beachten. Die Ergebnisse stehen noch aus. Die Bauministerkonferenz hat im Oktober 2015 beschlossen, eine Neukonzeption von Energieeinsparverordnung und Erneuerbare-Energie-Wärmegesetz vorzunehmen und dies auf einer Sonderbauministerkonferenz zu beraten. Im weiteren Verfahren wird sich der Senat dafür einsetzen , dass vor dem Hintergrund der aktuellen Wohnraumsituation und der Erkenntnisse der Baukostensenkungskommission vor allem ein schneller und kostengünstiger Wohnungsbau realisiert werden kann. Frage 4: Wie bereitet sich der Senat auf die ab dem Jahr 2019 geltenden Niedrigstenergiegebäudestandards für Neubauten vor, und welche Planungsvorhaben der öffentlichen Hand werden schon jetzt daraufhin orientiert ? Antwort zu 4: Nach § 2a des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) gilt für alle Neubauten ab 2021 der Niedrigstenergiegebäudestandard . Beim Neubau von behördlich genutzten oder behördeneigegen Nichtwohngebäuden muss dieser Standard ab 2019 eingehalten werden. Die technischen Einzelheiten des durch Bundesrecht festzulegenden Niedrigstenergiegebäudestandards werden bis Ende 2016 erwartet. Frage 5: Wie bewertet der Senat die Neuregelung in der EnEV zur Ausstellung und Verwendung von Energieausweisen von Kauf- und Mietobjekten? Antwort zu 5: Eine wesentliche Neuerung der Energieeinsparverordnung 2013 sind die bedingten Vorlagepflichten und Übergabepflichten von Energieausweisen bei der Besichtigung und der Vermietung bzw. dem Verkauf von Immobilien. Damit wird der Energieausweis als Informationsinstrument formal gestärkt. Über die tatsächlichen Auswirkungen der Regelungen auf die Bedeutung von Energieausweisen auf dem Immobilienmarkt liegen keine Informationen vor. Frage 6: Wie beurteilt der Senat die Einhaltung dieser Regelung in Berlin, und welche Nachbesserungen müssen aus Senatssicht vorgenommen werden? Antwort zu 6: Aufgrund der Fehleranfälligkeit von Energieausweisen und der angespannten Wohnungsmarktlage in Berlin sind Energieausweise bisher nur untergeordnet relevant für das Miet- oder Kaufverhalten auf dem Immobilienmarkt. Die Wichtigkeit der energetischen Eigenschaft von Gebäuden wird zudem wesentlich durch den Energiepreis beeinflusst. Die Überwachung der Einhaltung der Vorlage- und Übergabepflichten ist in der Praxis nur rückwirkend möglich und setzt die Aktion und den Nachweis von betroffenen Benachteiligten voraus, die die Nichteinhaltung anzeigen . Ordnungsrechtliche Veränderungen in der Energieeinsparverordnung werden als nicht zielführend in Bezug auf das Mieter-/ Vermieter-, Käufer-/ Verkäuferverhalten eingestuft. In Bezug auf die Qualität der technischen Informationen von Energieausweise werden sich aus den Stichprobenkontrollen von Energieausweisen langfristig Erkenntnisse für deren Verbesserung ergeben, die dann in die Berechnungs- und Ausstellungsregeln eingehen sollen. Frage 7: Welchen Stellenwert haben Maßnahmen für die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden in der Smart-City-Strategie für Berlin, und welche konkreten Vorhaben werden in deren Rahmen realisiert? Antwort zu 7: Die vom Senat am 21.04.2015 beschlossene Smart City Strategie Berlin (SCSB) definiert als eines der zentralen Oberziele der Smart City Berlin die Verringerung der Nutzung endlicher Ressourcen, Etablierung des Einsatzes erneuerbarer Energien, Steigerung der Ressourceneffizienz und Klimaneutralität Berlins bis zum Jahr 2050. Das Querschnittsthema Ressourceneffizienz wird in unterschiedlichen Handlungsfeldern der SCSB adressiert. Die Energieeffizienz von Gebäuden wird ausdrücklich in den Handlungsfeldern Smarte Wirtschaft und Smartes Wohnen – z.B. bei der Nutzung neuer Technologien und Materialen für Neubau- und Sanierungsprojekte – aufgegriffen. Ein Leitprojekt ist in diesem Zusammenhang die „Urban Tech Republik“ auf dem ehemaligen Flughafen Tegel. Dort sollen urbane Technologien entwickelt werden, u.a. im Feld der Energiewelten von morgen. Darüber hinaus werden in der Anlage zur SCSB verschiedene Referenzprojekte genannt, die derzeit in Berlin umgesetzt werden und die zur Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden beitragen. Im Rahmen des Projektes „Zukunftshaus“ wird ab 2016 ein Mehrfamilienhaus der DEGEWO zu einen „Eigen -Energie-Haus“ umgebaut. Die angestrebte, weitestgehend Selbstversorgung mit Wärme und Strom wird durch Photovoltaik, Solarthermie, Strom- und Wärmespeicherung , Wärmepumpen und hocheffiziente Lüftung mit Wärmerückgewinnung sowie durch Dämmen der Gebäudehülle auf Passivhaus-Standard erreicht. Darüber hinaus modernisiert das Wohnungsbauunternehmen GE- SOBAU seine Bestände im Märkischen Viertel energetisch und unter Einsatz neuer Technologien. Durch die Sanierungsmaßnahmen sollen nicht nur Energiekosten, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 880 3 sondern mittels Umstellung auf Versorgung aus erneuerbaren Energien der CO2-Ausstoß sozialverträglich und energieeffizient deutlich sinken. Durch energetische Selbstversorgung im Rahmen verschiedener Projekte soll die Unabhängigkeit von Energielieferungen erreicht und durch die Reduktion von Strom- und Heizkosten Investitionen betriebswirtschaftlich besser gestellt werden. Von den sinkenden Energiekosten profitieren die Bewohnerinnen und Bewohner entsprechend. Im Rahmen des derzeit in Erarbeitung befindlichen Umsetzungskonzept SCSB sollen darüber hinaus in besonderem Maße die Herausforderung des Klimaschutzes und der Energiewende berücksichtigt werden. Der Endbericht für einen Entwurf für das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) bietet eine gute Orientierung, mit welchen Projekten und Ansätzen Smart City die übergeordnete Zielsetzung der klimaneutralen Stadt unterstützen kann. Berlin, den 16. Februar 2016 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Feb. 2016)