Drucksache 17 / 17 899 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 26. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Februar 2016) und Antwort Organisierte Kriminalität in Berlin – Netzwerke in der Flüchtlingsunterbringung? II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gilt die Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen auch für Mieten? Zu 1.: Die Verordnung VO PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (VO PR Nr. 30/53) gilt auch für Mietverträge, allerdings nur in den engen Grenzen und in dem auf öffentliche Auftraggeber (Mieter) beschränkten Anwendungsbereich der Preisverordnung. Entgelte für Wohnraummieten stehen in mehrfacher Hinsicht unter Sonderrecht. Das betrifft zum Beispiel staatliche Mietpreisbindungen im Zusammenhang mit dem sozialen Wohnungsbau und sonstigen Fördermaßnahmen und auch mietpreisrechtliche Regelungen aus § 5 Wirtschaftsstrafgesetz, Anhang 2 (WiStG). Besondere Preisvorschriften haben Vorrang vor der Preisbildung der Preisbildungsbehörden gemäß VO Nr. 30/53. Die VO PR Nr. 30/53 ist nicht anwendbar auf Mietverträge , die zwischen Privaten geschlossen werden. 2. Liegt nach Ansicht des Senates im Bereich des Wohnungsmarktes – insbesondere für Flüchtlinge – eine Mangellage vor, die nach § 5 der Verordnung das Festlegen von Selbstkostenpreisen für die Anmietung zur Flüchtlingsunterbringung rechtfertigt? 3. Hält der Senat die Durchsetzung dieses Instruments für ein nützliches Mittel gegen die Ausnutzung von Maßnahmen zur Flüchtlingsunterbringung durch Gruppierungen der Organisierten Kriminalität? Zu 2. bis 3.: Die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Sammelunterkünften sind in der Regel gemischte Dienstleistungs- und Lieferaufträge, die unter das Vergaberecht fallen. Entsprechend erfolgt die Preisermittlung in einem wettbewerblich strukturierten Verfahren ; ungeeignete und nicht gesetzestreue Bewerber und Bieter sind vom Wettbewerb grundsätzlich auszuschließen . Erst nach dem Verlassen der Sammelunterkunft schließen die Flüchtlinge regelmäßig auf eigene Verantwortung mit Dritten Mietverträge ab. Ob eine Mangellage oder eine Wettbewerbsbeschränkung auf der Anbieterseite im Sinne der Preisverordnung vorliegt, ist – auf der Grundlage der dezentralen Fachund Ressourcenverantwortung – von der jeweiligen Vergabestelle des Landes Berlins, nicht jedoch von der Preisprüfungsstelle zu beurteilen. Darüber hinaus wäre in jedem Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit es aufgrund der unter der Antwort zu 1. beschriebenen besonderen Voraussetzungen überhaupt möglich ist, die Preisverordnung anzuwenden. Wegen der Nichtanwendbarkeit der VO PR Nr. 30/53 auf Mietverträge zwischen Privaten ist die Verordnung jedenfalls für die Überprüfung von Verträgen im Sinne der Fragestellung ungeeignet. 4. Wird das Instrument der Verordnung für den beschriebenen Tatbestand in Berlin schon angewandt und wenn nein, warum nicht? 5. Ist die Preisprüfungsstelle, angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, für die Prüfung des Marktes , des Wettbewerbs und von Mangellagen zuständig und wenn nicht, wer dann? 6. Wie viele Stellen sind zu diesem Zwecke in der Preisprüfungsstelle bzw. andern Orten der Verwaltung vorhanden? 7. Wie viele Stellen sind davon besetzt und wie hoch ist der Krankenstand? 8. Ist eine Stellenaufstockung geplant und wenn ja, in welchem Umfang? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 899 2 Zu 4. bis 8.: Gemäß Nr. 9 der Ausführungsvorschriften zu § 55 Landeshaushaltsordnung (AV § 55 LHO) ist von den Vergabestellen vor der Erteilung von Aufträgen die Stellungnahme der Preisprüfungsstelle einzuholen, wenn begründete Zweifel an der preisrechtlichen Zulässigkeit der Preise bestehen, sofern sich die Preise nicht im Wettbewerb gebildet haben, oder in Ausnahmefällen mangels ausreichender Marktübersicht eine einwandfreie Beurteilung von Preisen für marktgängige Lieferungen und Leistungen nicht möglich ist. Bislang ist noch kein entsprechendes Ersuchen um eine Stellungnahme bei der Preisprüfungsstelle eingegangen. Ob ein öffentlicher Auftraggeber hinsichtlich der Anmietung von Wohnraum bereits Selbstkostenpreise mit einem Auftragnehmer vereinbart hat, ist nicht bekannt. Ob eine Mangellage oder eine Wettbewerbsbeschränkung auf Anbieterseite im Sinne der Preisverordnung vorliegt, ist vom jeweiligen öffentlichen Auftraggeber zu prüfen. Kommt zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer kein Einverständnis über das Vorliegen der Voraussetzung einer Mangellage zustande, entscheidet das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, wenn die Mangellage oder die Wettbewerbsbeschränkung die Preisbildung in mehr als einem Land beeinflusst oder beeinflussen kann. Andernfalls entscheidet die für den Sitz des Auftragnehmers zuständige Preisbildungsstelle. Jedes Bundesland hat eine Preisprüfungsstelle. Maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit der Landespreisprüfungsstelle ist der Sitz des Rechnungswesens des Auftragnehmers . Bei der Preisprüfungsstelle Berlin stehen zwei Stellen zur Verfügung, die beide besetzt sind. Der Krankenstand wird statistisch nicht erfasst. Statistiken über die Besetzung und den Krankenstand der übrigen Preisprüfungsstellen der Länder werden nach Kenntnis der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung ebenfalls nicht geführt. Die Prüfung von Markt und Wettbewerb hingegen obliegt , zumindest sofern die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Raum steht, dem Bundeskartellamt bzw. den Landeskartellbehörden. 9. Welche weiteren marktregulierenden Instrumente wären geeignet, um dem ausbeuterischen Vorgehen durch Gruppen der Organisierten Kriminalität – etwa im Immobiliensektor – Einhalt zu gebieten? Zu 9.: Nach dem Gesetz zur Beseitigung von Wohnungsmissständen in Berlin kann die bezirkliche Wohnungsaufsicht bei massiver Überbelegung von Wohnraum einschreiten. Bei Vorlage der Tatbestandsmerkmale ist Zweckentfremdung von Wohnraum durch die Fachbereiche Wohnen der Berliner Bezirksämter zu verfolgen. Der Tatbestand des Mietwuchers liegt vor, wenn die vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50 % übersteigt (im gewerblichen Bereich ist die Rechtsprechung uneinheitlicher, häufig wird als Kriterium eine Überhöhung um 100 % genannt). Die Miete steht dann in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters. Zusätzlich hat eine Zwangslage des Mieters vorzuliegen, die vom Vermieter zur Erzielung einer überhöhten Miete ausgenutzt wurde. Zivilrechtlich ist Mietwucher gemäß § 138 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein sittenwidriges Rechtsgeschäft. Vereinbarungen hinsichtlich des Mietzinses sind unwirksam, wenn der Mieter nachweisen kann, dass er sich in einer Zwangslage befand, als er die überteuerte Wohnung anmietete. Außerdem darf der Mieter dem Vermieter die Mietzahlung verweigern, bis der jeweilige Betrag angepasst wurde. Die zu viel bezahlte Miete kann der Mieter auch zurückfordern. Strafrechtlich wird Mietwucher mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren bestraft (§ 291 StGB). Ergänzend gilt das Verbot der Mietpreisüberhöhung nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG). Danach liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn die Miete infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Wohnräumen die ortsüblich vergleichbaren Mieten um mehr als 20 % übersteigt. Darüber hinaus stehen Entgelte für Wohnraummieten in mehrfacher Hinsicht unter Sonderrecht. Das betrifft zum Beispiel staatliche Mietpreisbindungen im Zusammenhang mit dem sozialen Wohnungsbau und sonstigen Fördermaßnahmen sowie mietpreisrechtliche Regelungen gemäß § 5 WiStG, Anhang 2. Berlin, den 12. Februar 2016 In Vertretung Dr. Hans R e c k e r s ................................................................. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Feb. 2016)