Drucksache 17 / 17 924 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 03. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Februar 2016) und Antwort Noch mehr offene Fragen zum Mord an Burak B.: Operative Fallanalyse Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Nach Angaben der Anwälte von Familie B. wurde im Sommer 2012 eine Operative Fallanalyse (OFA) durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass der Mord als eine politisch relevante Tat eingestuft wurde, bei der ein rassistischer / rechter Tathergang möglich erscheint. Welche Erkenntnis ergibt sich für den Senat aus der OFA? Welche Konsequenzen hatte dies für die Ermittlungstätigkeit der Polizei? Zu 1.: Die Behauptung, es habe im Ermittlungsverfahren zum Nachteil von Burak B. eine Operative Fallanalyse (OFA) gegeben, ist unzutreffend. Vielmehr ist im April 2015 lediglich ein „Auswertungsbericht des Landeskriminalamtes (LKA) 11 Auswerteeinheit (AE)/OFA“ erstellt worden, dessen Fazit wörtlich lautet: „Eine Aufklärung dieses Verbrechens scheint nach vorliegendem Erkenntnisstand mehr als schwierig“ und dem sich keine Hinweise auf eine politische Motivation der unbekannten Täterin beziehungsweise des unbekannten Täters entnehmen lassen. Darüber hinaus ist der Fall in dem beim Bundeskriminalamt (BKA) geführten Datenbanksystem Violent Crime Linkage Analysis System (ViCLAS) gemeldet und in der Zusammenfassung als „politisch relevante Tat in Berlin, da ein rechtsextremer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann“, erfasst. Unabhängig von der Frage der OFA ist von den Ermittlungsbehörden – Polizei Berlin und Staatsanwaltschaft Berlin - stets auch ein rechtsextremer beziehungsweise rassistischer Hintergrund der Tat für möglich gehalten und dementsprechend auch ergebnisoffen ermittelt worden. Bis heute haben sich aber keine belastbaren Hinweise in diese Richtung ergeben, die Ermittlungen dauern weiter an. 2. Worauf stützen sich die Ermittlungsbehörden zum Mord an Burak B. in ihrer Einschätzung, den Mord bisher nicht als politisch motivierte Tat zu bewerten und zu behandeln? Zu 2.: Durch den Leiter des LKA Berlin wurde zu Beginn des Jahres 2014 die Abteilung Polizeilicher Staatsschutz damit beauftragt, die bisherigen Ermittlungen der zuständigen Mordkommission im Mordfall Burak B. aus dem Blickwinkel einer „fachexternen“ Dienststelle zu bewerten, um so gegebenenfalls weitere Anhaltspunkte zur Tataufklärung und/ oder einer möglichen politischen Motivlage zu erlangen. Hierzu wurde im Dezernat für die Bekämpfung von Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität - rechts unter Führung der Dezernatsleitung eine dezernatsübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, die in mehrmonatiger Arbeit die vorliegenden Ermittlungsakten hinsichtlich weiterer Ermittlungsanhalte und möglicher Tatmotivation einer gründlichen Prüfung unterzog. Wie bei der Beantwortung der Frage 1 ausgeführt, gibt es bis zum heutigen Tage keine belastbaren Hinweise auf eine politische Tatmotivation. Vor diesem Hintergrund andere mögliche Motive auszuschließen und nur noch in Richtung einer politisch motivierten Tat zu ermitteln, ist nicht sachgerecht. Auch weiterhin wird ergebnisoffen in alle denkbaren Richtungen ermittelt. 3. Warum wird von Staatsanwaltschaft und Polizei bis heute in der Öffentlichkeit an der Formulierung festgehalten , dass es keine Hinweise auf ein mögliches Motiv gäbe? Gibt es jenseits der OFA Hinweise auf ein anderes Motiv als ein rechtes/ rassistisches? Wenn ja, welche? Zu 3.: Belastbare Hinweise auf ein wie auch immer geartetes Tatmotiv gibt es nicht. Wie auch in der Beantwortung der Fragen 1 und 2 beschrieben, wird ein rechtsextremer Hintergrund der Tat lediglich „nicht ausgeschlossen “. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 924 2 4. Welche konkreten Ermittlungsschritte wurden in Richtung eines möglichen rechten/rassistischen Tathergangs unternommen? Zu 4.: Es erfolgte ein intensiver, noch am Tattag begonnener und bis heute anhaltender Informationsaustausch mit der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz im LKA Berlin, siehe auch die Beantwortung zu Frage 2. 5. Wurde ein bundesweiter Abgleich mit ähnlichen Fällen durchgeführt, insbesondere mit der Liste der 745 Verdachtsfällen auf rechte Tötungsdelikte (mit 849 Tatopfern ) des BKA? Zu 5.: Ein bundesweiter Abgleich mit ähnlichen Fällen erfolgte ohne explizite Heranziehung der genannten Liste. 6. Warum erklärte der zuständige Staatsanwalt und Leiter der Ermittlungen auf eine Anfrage der Anwälte der Familie B. in einem Schreiben vom 23.07.2014, dass keine Operative Fallanalyse durchgeführt wurde, da der Fall dafür „nicht geeignet“ scheine? 7. Aus welchen Gründen war dem zuständigen Staatsanwalt zwei Jahre nach deren Erstellung die OFA angeblich nicht bekannt? Zu 6. und 7.: Da keine OFA stattgefunden hat (siehe Beantwortung zu Frage 1), war und ist die Auskunft von dem zuständigen Staatsanwalt zutreffend. Grund für die gemeinsam mit den Fachleuten der Polizei getroffene Entscheidung gegen eine OFA war der Mangel an auswertbarem Täterinnen- beziehungsweise Täterverhalten. 8. Ist die falsche Aussage des zuständigen Staatsanwalts Gegenstand interner behördlicher Untersuchungen? Welche Konsequenzen ziehen die zuständigen Behörden aus dieser Falschinformation im Fall Burak B.? Zu 8.: Da die Auskunft des zuständigen Staatsanwalts zutreffend ist und war, bestand kein Anlass für behördliche Konsequenzen. 9. Die Anwälte der Familie B. fordern eine Übernahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt. Wird von Berliner Behörden erwogen die Ermittlungen an die GBA abzugeben? Wenn ja, welche Schritte werden dazu unternommen? Wenn nein, warum nicht? Zu 9.: Die Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes (GBA) ergibt sich aus § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). Da der Fall des Burak B. keines der dort genannten Kriterien erfüllt, erfolgte keine Abgabe. 10. Welche Amtshilfeersuchen an Bundesbehörden und Landesbehörden außerhalb Berlins wurden durch die ermittelnden Behörden bisher gestellt? Wenn keine Amtshilfeersuchen gestellt wurden, warum nicht? Zu 10.: Neben dem allgemeinen Informationsaustausch unter Einbeziehung des BKA wurde die Dienststelle BKA – Task Force Gewaltdelikte mit einem Abgleich der erhobenen Massendaten - hier insbesondere der Funkzellendaten - beauftragt. Weitere Amtshilfeersuchen gab es nicht. Berlin, den 19. Februar 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Feb. 2016)