Drucksache 17 / 17 929 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 03. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Februar 2016) und Antwort Noch mehr offene Fragen zum Mord an Burak B.: Nachfrage zur Schriftlichen Anfrage auf Drucksache 17/11880 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Am 22. März 2012 war der Neonazi Jörg L. in der Pension „Weißes Haus“ in Herzberg tot aufgefunden worden. In dem Artikel „Eine Leiche, ein Rucksack, eine militante Neonazigruppe?“ vom 9. Juli 2012 schreibt Roland S., dass die Polizei neben dessen Leiche „drei Waffen, darunter eine schussbereite 7,65-mm Pistole und ein umgebauter US-Karabiner mit Zielfernrohr sowie rund 300 Patronen unterschiedlichen Kalibers“ vorfand. Die Pension war gepachtet von der Lebenspartnerin von Meinolf S. Meinolf S. und Jörg L. gelten als Hauptverantwortliche der „Neuen Ordnung“. Laut einem Bericht von Report Mainz haben S. und L. im „Weißen Haus“ ein Schulungszentrum der „Neuen Ordnung“ - inklusive Ausbildung an Waffen - errichten wollen. Was hat die im Mordfall Burak B. ermittelnden Behörden zu der Einschätzung geführt, dass „keine Anhaltspunkte einer Verbindung zwischen der 'Neuen Ordnung' und dem Mord Burak B. erkennbar“ seien? Welche konkreten ermittlungstechnischen Schritte sind mit welchen Ergebnissen unternommen worden, um eine Verbindung ausschließen? Zu 1.: Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 17/11880 vom 8. März 2013 wurde mitgeteilt, dass „…keine Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen der 'Neuen Ordnung' und dem Mord an Burak B. erkennbar …“ waren. Dabei ist seinerzeit ein intensiver Informationsaustausch mit der ermittlungsführen-den Dienststelle des Landeskriminalamts (LKA) Brandenburg sowie die Unterstützung der dortigen Ermittlungen durch die Abteilung Polizeilicher Staatsschutz im LKA Berlin erfolgt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse führten im Ergebnis zu dieser Bewertung. Darüber hinaus wurde zu Beginn des Jahres 2014 der Polizeiliche Staatsschutz durch den Leiter des LKA Berlin damit beauftragt, die bisherigen Ermittlungen der zuständigen Mordkommission im Mordfall Burak B. aus dem Blickwinkel einer „fachexternen“ Dienststelle zu bewerten, um so gegebenenfalls weitere Anhaltspunkte zur Tataufklärung und/ oder einer möglichen politischen Motivlage zu erlangen. Hierzu wurde im Dezernat für die Bekämpfung von Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität - rechts unter Führung der Dezernatsleitung eine dezernatsübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, die in mehrmonatiger Arbeit die vorliegenden Ermittlungsakten hinsichtlich weiterer Ermittlungsanhalte und möglicher Tatmotivation einer gründlichen Prüfung unterzog. Im Ergebnis konnten weiterhin keine Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen der „Neuen Ordnung“ und dem Tötungsdelikt zum Nachteil von Burak B. festgestellt werden. 2. Haben die im Mordfall Burak B. ermittelnden Behörden inzwischen bei den zuständigen brandenburgischen Behörden in Erfahrung gebracht, ob die Waffen zu der in Herzberg gefundenen Munition ausfindig gemacht werden konnten? Wurde ein Abgleich zwischen der Munition aus Herzberg und der im Mordfall Burak B. verwendeten Munition durchgeführt? Wenn ja: Mit welchem Ergebnis? Wenn nein: Warum nicht? Zu 2.: Die in Herzberg (Brandenburg) sichergestellten Waffen und Munition wurden durch die zuständige Dienststelle beim LKA Brandenburg an das Bundeskriminalamt (BKA) zum Abgleich mit dem dort befindlichen Waffenspurenbestand übersandt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 929 2 Eine Übereinstimmung zwischen den sichergestellten Waffen und Waffenspuren zu bundesweiten Tatorten konnte nicht festgestellt werden. 3. Haben die im Mordfall Burak B. ermittelnden Behörden in Erwägung gezogen, dass der Mord aus dem Umfeld der „Neuen Ordnung“ in Reaktion auf das Ableben von Jörg L. verübt wurde? Wenn ja: Welche Ermittlungen wurden getätigt? Wenn nein: Warum nicht? Zu 3.: Im Rahmen der Ermittlungen konnten keine Anhaltspunkte festgestellt werden, die den Mord an Burak B. als eine Reaktion auf das natürliche Ableben des Jörg L. begründet hätten. 4. Im Artikel „Eine Leiche, ein Rucksack, eine militante Neonazigruppe?“ von Roland Sieber stellt dieser einen Zusammenhang zwischen dem langjährigen Neonazi -Aktivisten und ehemaligen Vorsitzenden der 1992 verbotenen „Nationalen Front“ (NF) Meinolf S., seinen Aktivitäten für die „Neue Ordnung“ und der „Neuen Gemeinschaft von Philosophen“ aus dem „Reichsbürger“- Spektrum her. Die „Neue Gemeinschaft von Philosophen“ zeichnete verantwortlich für rassistische und antisemitische Brief mit Todesdrohungen, die in den Wochen vor dem Mord an Burak B. in Berlin gezielt vor allem an Personen mit sogenanntem Migrationshintergrund und entsprechende Organisationen verschickt wurden. Nach Einschätzung des brandenburgischen Verfassungsschutzes ist Meinolf S. „militanter Neonationalsozialist“ und „bekennender Reichsbürger“ und wird in Zusammenhang mit der „Neuen Gemeinschaft von Philosophen“ genannt. Ist den im Mordfall Burak B. ermittelnden Behörden dieser Zusammenhang zwischen Meinolf Schönborn, der „Neuen Ordnung“ und der „Neuen Gemeinschaft von Philosophen“ bekannt und überprüft worden? Wenn ja: Mit welchem Ergebnis? Wenn nein: Warum nicht? Zu 4.: Im Rahmen einer durch die Abteilung Polizeilicher Staatsschutz im LKA Berlin vorgenommenen Auswertung wurde festgestellt, dass die Aktivitäten der „Neuen Ordnung“ vorwiegend auf die Bundesländer Brandenburg , Nordrhein-Westfalen und Thüringen konzentriert waren. In Thüringen meldete die „Neue Ordnung“ 2008 – 2009 „Sonnenwendfeiern“ und „Julfeste“ an. Organisator der vorgenannten Veranstaltungen war der in Nordrhein- Westfalen lebende Meinolf S.. Zudem war S. 2011 Betreiber der entsprechen-den Internetseite www.neueordnung.org und galt somit als Verantwortlicher der „Neuen Ordnung“. Seitens der Polizei Berlin stellt die „Die Reichsbewegung – Neue Gemeinschaft von Philosophen“ eine sogenannte Reichsbürgerbewegung dar. Eine formelle Definition des Begriffes „Reichsbürgerbewegung“ existiert nicht. Allerdings sind einige Kriterien ansetzbar, unter deren Zuhilfenahme verschiedene Gruppierungen und Personen unter diesen Oberbegriff gefasst werden können. Unter Berufung auf das Deutsche Reich leugnen diese Gruppierungen und Personen aus verschiedenen Gründen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise negieren die Rechtmäßigkeit der verfassungsmäßigen Ordnung, ihrer Organe und Institutionen. Die „Neue Gemeinschaft von Philosophen“ verbreitete bundesweit in der Zeit von Februar - Juli 2012 einen achtseitigen Brief mit der Überschrift "Ausweisung aus Deutschland". In diesem Schreiben wurden in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer sowie Deutsche mit Migrationshintergrund unter Androhung ihrer Ermordung zur Ausreise aus Deutschland aufgefordert. Das Schreiben wurde in den meisten Fällen als Wurfsendung in Mehrfamilienhäusern verteilt, unter den Empfängerinnen und Empfängern befanden sich aber auch unter anderem verschiedene islamische Einrichtungen /Gemeinden/Moscheen sowie die Jüdische Gemeinde zu Berlin. Vorgenanntes Schreiben wurde originär auf einer Internetplattform zur Verfügung gestellt, bei dessen Domaininhaber es sich um einen Ulf T. handeln sollte. Diese Personalie war bereits Gegenstand von Ermittlungen zu der Internetseite „www.neueordnung.org“, welche wiederum durch den Schönborn betrieben wurde. Ob es sich bei der Personalie Ulf T. um eine tatsächlich existente Person handelt, konnte im Rahmen der Ermittlungen nicht abschließend geklärt werden. Ebenso liegen keine validen Erkenntnisse hinsichtlich einer Verbindung zwischen dem Schönborn und Ulf T. beziehungsweise zur „Neuen Gemeinschaft von Philosophen“ vor. 5. Die Neonazi-Aktivistin Mandy P. wohnte zum Zeitpunkt des Mordes an Burak B. in unmittelbarer Nähe des Tatortes. Sie veröffentlichte auf ihrem Facebook- Profil einen Post, dass sie hoffe, dass den Ermittlungsbehörden keine Hinweise zum Täter geliefert werden. Wurde Mandy P. und die Facebook-Freunde, der ihr Statement auf Facebook geliked hatten, auf Täterwissen oder Tatbeteiligung hin überprüft? Falls nein, wie erklärt sich der Senat, dass Hinweise wie im Falle von Mandy P. und ihrer Facebook-Freunde von den ermittelnden Behörden nicht weiter beachtet werden? Zu 5.: Mandy P. und Personen ihres Umfeldes wurden überprüft. 6. Gibt es Erkenntnisse zu möglichen Verbindungen zwischen Mandy P. und der NS-Black-Metall-Szene um den wegen Mordes an Sandro B. verurteilten und in Berlin -Treptow wohnhaften Henrik M.? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 929 3 Zu 6.: Eine Verbindung zwischen Henrik M. und Mandy P. ist der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz nicht bekannt. 7. Ist der 6. Mordkommission der im Frühjahr 2012 verbreitete achtseitige Drohbrief der „Reichsbürger“ bekannt ? Wurde untersucht, ob eine Verbindung zwischen der Androhung eines „Rassenkriegs“ in diesem Schreiben und dem Mord an Burak B. besteht? Welche Konsequenzen haben polizeiliche und geheimdienstliche Kenntnisse über die „Reichsbürger“ für die Ermittlungen zum Mordfall Burak B.? Zu 7.: Der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz beim LKA Berlin ist das genannte Schreiben mit Verweis auf die Antwort zu Frage 4 bekannt. Bislang haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Inhalte des Schriftstücks mit dem Tötungsdelikt zum Nachteil von Burak B. in Zusammenhang stehen könnten. Berlin, den 18. Februar 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Feb. 2016)