Drucksache 17 / 17 970 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 10. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Februar 2016) und Antwort Wenn nur der Profit zählt (IX) – Überforderung des Betreibers Akzente und Ausbeutung in der Notunterkunft Geibelstraße Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Mit wem hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) für die beiden Notunterkünfte in der Kreuzberger Geibelstraße und am Tempelhofer Ufer, Absichtserklärungen verfasst und als Betreiberfirma für die genannten Notunterkünfte eingesetzt? Handelt es sich um Die Akzente GmbH oder aber um die Akzente-Sozial UG und wie stehen beide Firmen in Verbindung zueinander ? Zu 1.: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) und die Die Akzente GmbH haben für die Notunterkunft Tempelhofer Ufer am 22.12.2015 und für die Geibelstraße am 09.12.2015 in Form einer schriftlichen Vereinbarung erklärt, dass der Betrieb der jeweiligen Unterkunft durch die Die Akzente GmbH erfolgen solle und dass zugleich über den Abschluss eines ausführlichen Betreibervertrages verhandelt werde. Kurz darauf hat die Die Akzente GmbH erklärt, dass der Betrieb in beiden Notunterkünften ab dem 23.12.2015 durch die Die Akzente-Sozial UG (haftungsbeschränkt) fortgeführt werden soll. Die schriftlichen Vereinbarungen zwischen dem LAGeSo und der Die Akzente GmbH wurden daraufhin angepasst, so dass die Die Akzente-Sozial UG (haftungsbeschränkt) Vertragspartnerin wurde. 2) Bis wann soll es Betreiberverträge für beide Notunterkünfte geben? Zu 2.: Derzeit wird intensiv an der vollständigen Überarbeitung des vor dem Paradigmenwechsel entwickelten Musterbetreibervertrages des Landes Berlin gearbeitet . Für die Übergangszeit muss einzelfallbezogen entschieden werden, ob die zeit- und arbeitsintensive Anpassung des alten Musterbetreibervertrages in jedem Falle zweckmäßig oder ob bis zur Fertigstellung des neuen Vertrages eine vorübergehende Regelung aufgrund einer in Teilen verbindlichen Absichtserklärung ausreichend ist. In den Fällen der Notunterkünfte der Die Akzente GmbH/Die Akzente-Sozial UG (haftungsbeschränkt) war eine vollständige Anpassung des alten Musterbetreiber -vertrages bisher nicht erforderlich und der Abschluss einer Absichtserklärung ausreichend. Die Entwicklung des neuen Musterbetreibervertrages befindet sich derzeit in der Endabstimmung zwischen den beteiligten Behörden und soll im Frühjahr 2016 abgeschlossen sein. Ab diesem Zeitpunkt soll eine einheitliche , umfassende und ausgewogene Regelung der vertraglichen Verhältnisse erfolgen. 3) Wie bewertet der Senat die Zusammenarbeit mit der Betreiberfirma hinsichtlich der beiden genannten Notunterkünfte? 5) Welche Konsequenzen zieht der Senat aus der Begehung der Notunterkunft vom 01.02.2016? Wie bewertet der Senat die Beschwerden seitens der Freiwilligen von Kreuzberg Hilft über die Hauspolitik der Betreiberfirma? Ist eine weitere Zusammenarbeit mit der Betreiberfirma geplant oder aber wird der Senat die Zusammenarbeit nach dem Verstreichen des vom LAGeSo gesetzten Ultimatum vom 10.02.2016 beenden? 6) Welche weiteren Konsequenzen zieht der Senat sowohl für die Notunterkunft in der Geibelstraße, als auch für die Notunterkunft am Tempelhofer Ufer? Sind dem Senat weitere Beschwerden vom Tempelhofer Ufer bekannt , wurde auch diese Unterkunft begangen, was sind ggf. die Konsequenzen und kann die Zusammenarbeit mit der Betreiberfirma fortgeführt werden? a) Stimmt es, dass die Betreiberfirma sich um eine weitere Unterkunft in Rahnsdorf bewirbt? 7) Falls eine fortgesetzte Zusammenarbeit geplant ist, bis wann werden die aufgelisteten Mängel in der Notunterkunft Geibelstraße beseitigt werden? a) Wann soll es ausreichend Essen geben und wird dieses, wenn notwendig, auch als halal gekennzeichnet werden? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 970 2 b) Wann werden der Unterkunft ausreichend Küchengegenstände und Küchenmöbel zur Verfügung gestellt, sodass das Essen nicht mehr auf dem (dreckigen) Boden vorbereitet werden muss? c) Wann werden den Bewohner/-innen Waschmaschinen und Trockner zur Verfügung gestellt? d) Wann werden den Bewohner/-innen Etagenbetten und Trennwände zur Verfügung gestellt? e) Wann sollen die Bewohner/-innen abschließbare Schränke nutzen können? f) Bis wann werden den Bewohner/-innen Betten mit Matratzen zur Verfügung stellen, welche die bisher genutzten Feldbetten ablösen werden? g) Wie soll die hygienische Situation verbessert werden ? h) Ist seitens der Betreiberfirma geplant, mehr bezahltes Personal einzustellen und nicht die Arbeit der Freiwilligen von Kreuzberg Hilft auszunutzen? i) Wie stimmt sich das LAGeSo mit den Freiwilligen von Kreuzberg Hilft, aber auch mit den Delegierten der Begehung vom 01.02.2016 ab, um den Standard in der Notunterkunft zu verbessern und künftige Beanstandungen zeitnah beheben zu können? 8) Wie bewertet der Senat die Arbeit des für das Catering in der Notunterkunft zuständigen Subunternehmers, Mellenseeterrassen? Wurden die Forderungen von Kreuzberg Hilft und dem LAGeSo zufriedenstellend umgesetzt oder aber hälft der Senat die Beendigung der Tätigkeit von Mellenseeterrassen für notwendig? Zu 3. und 5. bis 8.: Die Zusammenarbeit mit der Betreiberin hat sich kontinuierlich verbessert. Die Betreiberin arbeitet kooperativ mit dem LAGeSo zusammen und kommt Aufforderungen zur Abstellung erkannter Mängel nach. Eine Abstimmung zwischen Betreiberin, ehrenamtlich Helfenden, dem Landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement (LKF) und dem LAGeSo findet in gemeinsamen Gesprächen statt. Bei einem dieser Gespräche am 09.02.2016 wurde vereinbart, dass die bis zu diesem Zeitpunkt festgestellten Mängel sowohl für die Notunterkunft Geibelstraße als auch für die Notunterkunft Tempelhofer Ufer zeitnah behoben werden sollen. Folgende Maßnahmen wurden bereits (vollständig oder in Teilen) umgesetzt: Die vorhandenen Betten wurden gegen Doppelstockbetten ausgetauscht, die so ausgerichtet werden, dass separate Bereiche entstehen, was die Errichtung besonderer Trennwände entbehrlich macht. Die Verbesserung der Qualität des Essens durch das beauftragte Cateringunternehmen Berlin Catering 4 U wurde durch die Betreiberin eingeleitet. Die dauerhafte Umsetzung wird Bestandteil zukünftiger Überprüfungen. Eine Erhöhung der Quantität der Mahlzeiten ist jedoch nicht erforderlich. Die Kennzeichnung des Mittagessens als halal erfolgt bereits. In der Notunterkunft Geibelstraße wurden höhere Tische für die Vorbereitung des Essens beschafft, auch wenn nicht festgestellt werden konnte, dass die Vorbereitung zuvor auf dem Boden erfolgte. Folgende weitere Maßnahmen sollen zeitnah umgesetzt werden: Für die Reinigung sollen Waschmünzen für die Nutzung eines öffentlichen Waschsalons ausgegeben werden. Die Zurverfügungstellung eigener Waschmaschinen und Trockner ist nicht vorgesehen. Für die Aufbewahrung persönlicher Sachen sollen abschließbare Schränke beschafft werden. Eine Erhöhung des Personals, unter anderem auch des Reinigungspersonals, ist vorgesehen. Die bisher eingeleiteten Maßnahmen der Betreiberin wurden und werden weiterhin durch das LAGeSo begleitet und überprüft. Aufgrund der Bemühungen der Betreiberin zur konstruktiven Zusammenarbeit wird eine Beendigung der Zusammenarbeit derzeit nicht geprüft. Die Betreiberin hat Interesse an dem Betrieb einer weiteren Unterkunft in Rahnsdorf bekundet. 4) Sind alle Rechnungen, die von der Betreiberfirma an das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) übermittelt worden sind, beglichen? Gibt es offene Rechnungen ? Zu 4.: Auf die bisher eingereichten Rechnungen wurden Abschläge in Höhe von 50 Prozent der Rechnungssumme ausgezahlt. 9) Wie bewertet der Senat die medizinische Versorgung in der Notunterkunft? Wurden die Bewohner/-innen bereits medizinisch erfasst und geimpft? Wie ist die medizinische Versorgung in der Notunterkunft sichergestellt ? Zu 9.: Die medizinische Versorgung einschließlich erforderlicher Impfungen ist sowohl in der Notunterkunft Geibelstraße als auch in der Notunterkunft Tempelhofer Ufer gewährleistet. 10) Wie bewertet der Senat die Praxis von Betreiberfirmen , bei Kritik von Mitarbeiter/-innen und Helfer/- innen hinsichtlich von Missständen und Problemen in der jeweiligen Unterkunft, Hausverbote zu erteilen? Zu 10.: Die Übertragung des Hausrechtes auf die jeweilige Betreiberin oder den jeweiligen Betreiber ist zur Ermöglichung ihrer oder seiner Aufgaben erforderlich. Die Ausübung des Hausrechts soll der Verhinderung von Störungen dienen, die sich negativ auf die Bewohnerinnen und Bewohner auswirken können. Dies kann auch mittelbar durch die Beeinträchtigung der für die Bewohnerinnen oder Bewohner tätigen Beschäftigten erfolgen. Für diesen Zweck steht der Hausrechtsinhaberin oder dem Hausrechtsinhaber ein Ermessensspielraum zu, der auch anderen Personen, beispielsweise Sicherheitspersonal, zur Ausübung übertragen werden kann. Die Ausübung erfolgt situationsabhängig und ist nachträglich nur eingeschränkt überprüfbar. Zur eingeschränkten Überprüfbarkeit aufgrund nicht reproduzierbarer situativer Elemente, insbesondere emotionaler Empfindungen und Reaktionen der Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 970 3 beteiligten Personen, kommt auch eine Doppelfunktionalität des Hausrechts, welche nicht nur eine repressive, sondern auch eine präventive Ausübung erlaubt. Aufgrund dieser individuellen Umstände und der intersubjektiv nicht überprüfbaren Motive kann eine nachträgliche Bewertung konkreter Hausverbote nur eingeschränkt, einzelfallorientiert und nur in Kenntnis sämtlicher Umstände , einschließlich der Wahrnehmungen aller beteiligten Personen und eventueller Zeuginnen oder Zeugen, erfolgen. 11) Welche weiteren Konsequenzen zieht der Senat aus der Arbeit mit Subunternehmen in Flüchtlingsunterkünften im Land Berlin? Wie kann Korruption vorgebeugt und eine zufriedenstellende Arbeit sichergestellt werden, wenn die Kontrolle allein den Betreiberfirmen der Flüchtlingsunterkünften obliegt? Welche Sanktionsmittel stehen dem Senat zur Verfügung, um auf die Arbeit von Subunternehmen einzuwirken? Zu 11.: Die Kontrolle von Subunternehmen steht nicht allein den Betreiberfirmen zu. Betreiberfirmen stehen in einem Vertragsverhältnis zum Land Berlin, aus welchem sich Rechte und Pflichten ergeben. Die Pflichten der Betreiberfirmen zum Land Berlin bleiben unberührt, auch wenn die Erfüllung einzelner Aufgaben an Subunternehmen übertragen wird. Im Rahmen von Kontrollen der Betreiberin oder des Betreibers, die sowohl anlassunabhängig , als auch anlassbezogen durch verschiedene Behörden des Landes Berlin erfolgen, werden negative Feststellungen , die auf von Subunternehmen mangelhaft ausgeführten Aufgaben beruhen, der Betreiberin oder dem Betreiber zugerechnet. Dieser oder diesem gegenüber stehen dem Land Berlin vertragliche Sanktionsmöglichkeiten , beispielsweise Schadensersatzforderungen, gerichtlich durchsetzbare Verhaltenspflichten oder einzelfallabhängig auch Kündigungsrechte zu. Auf Subunternehmen kann somit jederzeit mittelbar eingewirkt werden, indem die Betreiberin oder der Betreiber aufgefordert wird, erkannte Missstände im Zusammenhang mit dem Subunternehmen unverzüglich zu beseitigen. Ob hierfür eine Trennung von dem Subunternehmen zu verlangen ist oder ob die Anweisung zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen erforderlich und ausreichend ist, muss je nach Einzelfall entschieden werden. Weil ein Unterlassen der Einwirkung auf das Subunternehmen durch die Betreiberin oder den Betreiber unmittelbar Sanktionsmöglichkeiten des Landes Berlin gegen diese oder diesen, erforderlichenfalls bis zur fristlosen Kündigung, auslösen würde, ist die Durchsetzungsfähigkeit des Landes Berlin auch gegenüber Subunternehmen gesichert. Hinzu kommen einzelfallabhängig auch unmittelbare Einwirkungsmöglichkeiten des Landes Berlin gegen Subunternehmen , beispielsweise aufgrund des Eigentums, aber auch aufgrund öffentlich-rechtlicher Regelungs- und Eingriffsmöglichkeiten. Berlin, den 29. Februar 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Mrz. 2016)