Drucksache 17 / 17 980 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 10. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Februar 2016) und Antwort Eingliederungshilfen verschiedener Rechtskreise für Kinder und Jugendliche Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Eingliederungshilfen können Kinder und Jugendliche aus den verschiedenen Rechtskreisen unter welchen Voraussetzungen bei welchen zuständigen Ämtern beanspruchen? 2. Welche der unter 1. erfragten Eingliederungshilfen werden in Zuständigkeit der bezirklichen Jugendämter geprüft, bewilligt und erbracht? Zu 1. und 2.: Seelisch behinderte Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII), wenn erstens ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und zweitens daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist (vgl. § 35a SGB VIII). Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII werden von Trägern der freien Jugendhilfe in verschiedenen Formen geleistet: 1. als Hilfe in ambulanter Form als psychotherapeutische Leistungen bzw. als integrative Lerntherapie, 2. als Hilfe in teilstationärer Form in Tageseinrichtungen oder in geeigneten Pflegefamilien und teilstationärer Familienpflege, 3. als stationäre Hilfe in Einrichtungen über Tag und Nacht oder 4. bei Pflegepersonen. Für die Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII sind die Jugendämter zuständig. Das Jugendamt klärt mit den Beteiligten im Rahmen der Hilfeplanung , welche Hilfe im Einzelfall erforderlich ist. Das Jugendamt ist über § 85 Abs. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch hinaus sachlich zuständig für 1. die Eingliederungshilfe und die Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie nach dem Landespflegegeldgesetz für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche sowie für junge Volljährige, sofern sie außerdem Jugendhilfe nach § 41 des Achten Buches Sozialgesetzbuch erhalten und 2. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung für junge Volljährige nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. 3. Welche Leistungen können Kinder und Jugendliche im Bereich der Einzelfallhilfe/Sozialassistenz im Bereich der Eingliederungshilfe nach SGB XII erhalten und an welche Bedingungen ist die Leistungsgewährung gebunden ? Zu 3.: Bei der Einzelfallhilfe/Sozialassistenz im Bereich der Eingliederungshilfe SGB XII im Geschäftsbereich Jugend handelt es sich um eine Leistung der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII. Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung haben Anspruch auf diese Leistung sofern die Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen. Die Sozialassistenz ist ein ambulantes Angebot, welches durch einen Träger nach § 75 SGB XII geleistet wird. Die Sozialassistenz dient der Förderung der psychischen , physischen und sozialen Fähigkeiten von Kindern, Jugendlichen und junge Volljährigen, die aus einer Behinderung resultierend eine Teilhabeeinschränkung haben . Die Hilfe ist darauf gerichtet, junge Menschen mit Behinderung bestmöglich in alle Bereiche der Gesellschaft zu integrieren. Die Sozialassistenz wird vorübergehend und zeitlich begrenzt gewährt. Die notwendige und geeignete Hilfe ist zielgenau zu ermitteln und wird - als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft , - als Hilfe zur Ausbildung oder zur Eingliederung in das Arbeitsleben, - als Hilfe bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung, - als Vermittlung einer angemessenen Schulbildung unter Berücksichtigung der Ausführungsvorschriften zur Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (AV Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 980 2 SchulEH) durch den Träger der Sozialhilfe nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII, - im Ausnahmefall als Frühförderung außerhalb der Kindertagesstättenbetreuung gewährt. 4. Wie unterscheidet sich die Einzelfallhilfe /Sozialassistenz nach SGB XII von vergleichbaren Leistungen nach SGB VIII fachlich, nach Leistungsanbietern , aber auch in Art und Umfang der Finanzierung? Zu 4.: Die Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII werden von Trägern der freien Jugendhilfe in vier Formen geleistet: 1. als Hilfe in ambulanter Form als psychotherapeutische Leistungen bzw. als integrative Lerntherapie, 2. als Hilfe in teilstationärer Form in Tageseinrichtungen oder in geeigneten Pflegefamilien und teilstationärer Familienpflege, 3. als stationäre Hilfe in Einrichtungen über Tag und Nacht oder 4. bei Pflegepersonen. Eine Vergleichbarkeit zu Einzelfallhilfe/Sozialassistenz nach SGB XII ist nicht gegeben. 5. Welche Standards gelten für die Eingliederungshilfen im Bereich der Einzelfallhilfe/Sozialassistenz je nach SGB XII bzw. SGB VIII und inwieweit besteht hier Bedarf , Notwendigkeit und Möglichkeit zur Festlegung einheitlicher Fachstandards und einheitlicher Finanzierungsgrundlagen ? 6. Wie ist der Stand der Festlegung für Berlin geltender einheitlicher Fach- und Finanzierungsregelungen für die Einzelfallhilfe/Sozialassistenz für Kinder und Jugendliche im Bereich der Eingliederungshilfe? Wie ist der Stand der Kostensatzverhandlungen? Zu 5. und 6.: Die Standards für Eingliederungshilfen gemäß § 35a SGB VIII ergeben sich aus den §§ 77, 78a ff. SGB VIII und sind im Berliner Rahmenvertrag für Hilfen in Einrichtungen und durch Dienste der Kinderund Jugendhilfe (BRVJug), insbesondere in der Anlage B „Rahmenvorgaben für die Leistungs- und Qualitätsbeschreibung des Trägers als Grundlage für den Trägervertrag “ sowie in den genannten Rahmenleistungsbeschreibungen aufgeführt. Die in Berlin im Jugendamt angesiedelten sachlich zuständigen Sozialhilfeträger (hier Jugendämter) nutzen die Möglichkeit der Leistungsgewährung und für den Leistungserbringer die Erbringung nach § 75 Abs. 4 SGB XII. Das bedeutet unter anderem, dass die Bezirke nicht allgemeingültige Verträge mit Leistungserbringern über einen variierenden Personenkreis (also unabhängig von der jeweiligen sozialhilfeberechtigten Person) schließen, sondern jeweils nur für eine individuelle, sozialhilfeberechtigte Person. Ob und wie die Leistungen in diesem Rahmen inhaltlich und preislich ausgestaltet werden, richtet sich nach dem Hilfebedarf des Kindes bzw. Jugendlichen und liegt im Ermessen jedes einzelnen Jugendamtes . Um dennoch ein möglichst einheitliches Handeln der Bezirke umzusetzen, haben die Jugendamtsleiterinnen und Jugendamtsleiter eine berlineinheitliche Leistungsbeschreibung und Berechnung der Fachleistungsstunden abgestimmt. Diese Leistungsbeschreibung kann im Wege von sozialhilferechtlichen Bewilligungen nach §§ 53 ff. SGB XII i. V. m. § 75 Abs. 4 SGB XII im jeweiligen Einzelfall angewendet werden. Ob und wie die Leistungen im Rahmen des § 75 Abs. 4 SGB XII erbracht werden und inhaltlich sowie preislich ausgestaltet werden, sind Ermessensentscheidungen, die die Bezirke in jedem Einzelfall zu treffen haben. Dabei sind sie bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen gehalten, die zur Bedarfsdeckung erforderlichen Leistungen zu erbringen. 7. Inwieweit haben sich im Rahmen der Vereinheitlichung von Standards bei der Neukalkulation der Fachleistungsstunde als Finanzierungsgrundlage der Leistungserbringung Unterschiede (Verbesserungen/Verschlechterungen ) zum vorherigen Stand ergeben? Wie begründet und bewertet der Senat diese Veränderungen? Zu 7.: Die mit der Einführung der berlineinheitlichen Leistungsbeschreibung der Sozialassistenz zum 01.01.2016 vorgelegten Preiskalkulationen der Berliner Jugendämter erfüllen die Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 SGB XII. Sie bewegen sich im Rahmen der bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vereinbarten Stundensätze für das Betreute Einzelwohnen für erwachsene Menschen (BEW) mit geistigen und oder körperlichen Behinderungen. 8. Sind dem Senat Hinweise von Leistungsanbietern bekannt, wonach bei der Einzelfallhilfe/Sozialassistenz im Rahmen der Eingliederungshilfe nach SGB XII nach erfolgter Vereinheitlichung der Standards eine „versteckte “ Verschlechterung der Finanzierung stattfinde, die die Wirtschaftlichkeit ihrer Angebote gefährde? Zu 8.: Nein. 9. Wie bewertet der Senat diese unter 8. genannten Befürchtungen und was tut er, um die mit der Vereinheitlichung der Standards einhergehende Absicht zu gewährleisten , Qualitätsentwicklung, aber auch Finanzierungsund Planungssicherheit für die Leistungserbringung zu sichern? 10. Welche Möglichkeiten sieht der Senat und was wird er tun, damit mit der Neukalkulation der Fachleistungsstunde für die Einzelfallhilfe/Sozialassistenz im Rahmen der Eingliederungshilfe nach SGB XII nach erfolgter Vereinheitlichung von Standards keine Schlech- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 980 3 terstellung der leistungserbringenden Träger/Personen erfolgt? Zu 9. und 10.: Die Kalkulation der Stundensätze der Einzelfallhilfe/Sozialassistenz wurde den vereinbarten Stundensätzen des Betreuten Einzelwohnens für erwachsene Menschen mit Behinderung (BEW) aufgrund der Tarifsteigerungen der letzten Jahre angepasst. Insofern haben sich Verbesserungen zum vorherigen Stand ergeben . Hinweise von Leistungsanbietern zu Verschlechterungen in der Finanzierung aufgrund der Abstimmung der Jugendamtsleiterinnen und Jugendamtsleiter zu Leistungen der Einzelfallhilfe/Sozialassistenz sind dem Senat nicht bekannt. Berlin, den 29. Februar 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Mrz. 2016)