Drucksache 17 / 17 986 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Regina Kittler und Hakan Taş (LINKE) vom 11. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Februar 2016) und Antwort Schulbuchstudie Migration und Integration Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat die vom Georg Eckert Institut erstellte und von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration publizierte „Schulbuchstudie Migration und Integration“ bekannt? Falls ja, hat der Senat zur Kenntnis genommen, dass sehr viele in der Bundesrepublik eingesetzte Schulbücher aus einer eurozentrischen Sichtweise verfasst wurden und zahlreiche – die Schüler/-innen mit Migrationshintergrund – geringschätzende, diskriminierende, ja sogar rassistische Passagen enthalten? Zu 1.: Dem Senat ist die Schulbuchstudie bekannt. Die Schulbuchstudie „Migration und Integration“, vorgelegt vom Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung (GEI), untersucht, ob und wie Migration und Integration in Bezug auf die gesellschaftliche Vielfalt in deutschen Schulbüchern dargestellt werden und inwiefern Schulbücher zu einer zunehmenden Akzeptanz von Diversität als gesellschaftlicher Normalität beitragen . Untersucht wurden dazu die Curricula der Fächer Geschichte , Geografie und Sozialkunde/Politik von fünf Bundesländern – hier auch Berlin – der beiden Schularten Gymnasium und Integrierte Sekundarschule (Berlin) sowie 65 Schulbücher der drei größten Verlage (Cornelsen , Ernst Klett, Westermann). Migration werde in den 65 geprüften Sozialkunde-, Geschichts- und Geografie-Büchern häufig "primär als konfliktträchtig und krisenhaft dargestellt", so fasst das Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung die Erkenntnisse zusammen. Zuwanderung und Vielfalt seien in den analysierten Texten noch zu oft ein Problem - statt der Normalfall. Begriffe werden zu oft falsch eingebracht. Integration fast um jeden Preis wird laut Studie in Schulbüchern oft als notwendig definiert. Von Zuwandererinnen und Zuwanderern werde also zunächst "eine Anpassungsleistung an die deutsche Gesellschaft gefordert". Begriffe wie "Ausländer", "Fremde" oder "Migranten" kämen teilweise synonym im selben Text vor. 2. Teil der Senat die Auffassung, dass solche Darstellungen und Aufgabenstellungen in den Schulbüchern die Motivation der Schüler/-innen mit Migrationshintergrund stören und dem Zusammenlernen und der Integration entgegen wirken? Falls nein, warum nicht? Zu 2.: Ja, der Senat teilt diese Auffassung. 3. Inwieweit ist die „Schulbuchstudie Migration und Integration“ an den Berliner Schulen bekannt, hat der Senat die Berliner Schulen auf diese seit fast einem Jahr vorliegende Studie hingewiesen bzw. gedenkt er dies zu tun, und welche Empfehlungen gibt er für eine kritische Sichtung und für die Auseinandersetzung mit den an den Schulen eingesetzten Schulbüchern und anderen Lernund Lehrmaterialien? 4. Welchen Handlungsbedarf sieht der Senat für die Weiterentwicklung der Lern- und Lehrmaterialien, einschließlich der von Schulbüchern für die Thematik Migration und Integration (in gedruckter und digitaler Form), insbesondere angesichts der Einführung des neuen Rahmenlehrplans für Berlin und Brandenburg und der neuen Herausforderungen für Aufnahme und Integration geflüchteter Menschen? Zu 3. und 4.: Die Schulen treffen die Auswahl und Anschaffung von Schulbüchern in eigener Verantwortung . Der Senat steuert die inhaltliche Unterrichtsarbeit über die Rahmenlehrpläne und über Fortbildungen und Fachtage, Handreichungen, Fachbriefe und weitere didaktische Hinweise. Dies sind die Instrumente, die Schulen dafür zu sensibilisieren, Migration und Integration als Normalfall gesellschaftlichen Miteinanders im Unterricht zu thematisieren. Im derzeit gültigen Rahmenlehrplan findet sich das Thema „Migration und Integration“ in Sozialkunde in der Doppeljahrgangsstufe 7/8 im Rahmen des Themenfeldes „Menschenrechte" und in Geschichte in der Doppeljahrgangsstufe 9/10 im Thema „Umgang mit dem Fremden“. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 986 2 Der neue Rahmenlehrplan 1 – 10 (unterrichtswirksam ab dem Schuljahr 2017/18) integriert das Thema Migration und Integration im Rahmen der beiden übergreifenden Themen „Demokratieerziehung“ sowie „Interkulturelle Bildung und Erziehung“ und macht sie damit zum Thema im Unterricht aller Fächer. Im konkreten Fachunterricht wird das Thema darüber hinaus in vielfältiger Weise aufgegriffen: Schon in der 5./6. Jahrgangsstufe wird „Migration früher und heute in Europa“ im Fach Gesellschaftswissenschaften im Themenfeld „Europa – grenzenlos “ thematisiert, um zu verdeutlichen, dass Migration schon immer Teil der demographischen Entwicklung Europas war und ist. Das Fach Geschichte vertieft das Thema im Modul „Migration und Bevölkerung“ (Jahrgangsstufe 7/8) in einer Auseinandersetzung mit verschiedensten historischen Migrationsbewegungen von und nach Europa (z.B. die frühneuzeitliche (Zwangs-) Migration verschiedenster Bevölkerungsgruppen nach Berlin und Brandenburg oder die Migration nach Amerika im 19. Jahrhundert). Auch das Fach Geografie stellt Migrationsbewegungen als zentrales Merkmal menschlicher Gesellschaft dar. In den Jahrgangsstufen 9/10 erfolgt z.B. eine Auseinandersetzung mit dem europäischen Integrationsprozess und der Politik der Europäischen Union. Im Fach Politische Bildung setzen sich Schülerinnen und Schüler im 7./8. Jahrgang mit aktuellen Migrationsursachen und den gesellschaftlichen Auswirkungen der Migrationsbewegungen auseinander und diskutieren Ziele und Strategien der deutschen Integrations-und Einwanderungspolitik sowie Chancen und Probleme in einer zunehmend von Vielfalt geprägten Gesellschaft. Berlin, den 19. Februar 2016 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Feb. 2016)