Drucksache 17 / 18 007 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Claudio Jupe (CDU) vom 16. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Februar 2016) und Antwort Kündigungen bei der Verbraucherzentrale Berlin e.V. Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz hat das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und die Verbraucherzentrale Berlin e.V. gebeten, die Fragen zu beantworten. 1. Warum hat das Bezirksamt Tempelhof Schöneberg von Berlin den seit vielen Jahren bestehenden Vertrag über die regionale Schuldnerberatung durch die Verbraucherzentrale Berlin e.V. zum 31. Dezember 2015 gekündigt und wer hat diese Kündigung entschieden? Zu 1.: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg: Das Bezirksamt geht davon aus, dass der Fragesteller mit dem „seit vielen Jahren bestehenden Vertrag“ die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Bezirksamt und der Verbraucherzentrale e.V. meint. Das Rechtsamt des Bezirks Tempelhof-Schöneberg hat empfohlen, diese Vereinbarung aus dem Jahr 1998 zu kündigen , weil sie Festlegungen enthielt, die der Landeshaushaltsordnung widersprachen. Die zuständige Dezernentin ist dieser Empfehlung des Rechtsamtes gefolgt. Die Kooperationsvereinbarung begründete im Übrigen keinen Anspruch auf die Gewährung einer Zuwendung, sondern lediglich die inhaltliche Ausgestaltung des Projekts. Hinsichtlich der Finanzierung verwies sie auf Zuwendungsbescheide für das jeweilige Rechnungsjahr. Die Kündigung der Vereinbarung wurde von Seiten der Verbraucherzentrale akzeptiert. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat über viele Jahre gut mit der Verbraucherzentrale zusammengearbeitet und war stets mit deren fachlicher und inhaltlicher Leistung zufrieden. Intransparenz in den Verwendungsnachweisen der Zuwendungen sowie mehrere gravierende Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung haben dazu geführt, dass sowohl die für Finanzen zuständige Serviceeinheit wie auch das Rechtsamt im April des Jahres 2014 empfohlen haben, eine Markterkundung vorzunehmen und das Projekt in der Folge ggf. mit einem anderen Partner fortzuführen - nicht zuletzt mit Blick auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Landeshaushaltsordnung. Dieser Empfehlung wurde gefolgt und für eine Projektvergabe für die Schuldner- und Insolvenzberatung für das Jahr 2016 ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt. Die Auswahlkommission , die aus den Vertreterinnen und Vertretern der politischen Fraktionen des Sozialausschusses der Bezirksverordnetenversammlung , des Jobcenters, des Rechtsamtes und der Verwaltung gebildet war, hat ihre Empfehlung für das Diakonische Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf ausgesprochen . Das Bezirksamt ist dieser Empfehlung gefolgt. Verbraucherzentrale Berlin e.V.: Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg (Amt für Soziales) erklärte am 12.11.2014 die ordentliche Kündigung der seit 1998 bestehenden Vereinbarung mit der Verbraucherzentrale Berlin zur Erledigung der kommunalen Pflichtaufgabe „Schuldnerberatung “ zum 31.12.2015 ohne Angabe von Gründen, obwohl die Beratungsdienstleistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verbraucherzentrale fachlich anerkannt war. An einer anschließenden Neuausschreibung der Beratungsdienstleistung nahm auch die Verbraucherzentrale teil, kam aber mit ihrem langjährigen TV-L-vergüteten (TV-L = Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) „teuren“ Personal nicht zum Zuge. Am 29.04.2015 teilte das Bezirksamt mit, dass es künftig die Diakonie Steglitz-Teltow-Zehlendorf mit der Schuldnerberatung des Bezirks betrauen werde. Durch den Wechsel des Trägers, der 2016 die Tätigkeit mit seinem (neuen) Personal aufgenommen hat, dürfte der Bezirk - unter Umgehung des Rechtsgedankens aus § 613 a Bürgerliches Gesetzbuch - eine gewisse Kosteneinsparung erzielt haben, zumal er die Verbraucherzentrale bislang auf den Kosten der Projektabwicklung hat sitzen lassen. 2. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die Verbraucherzentrale Berlin e.V. daraufhin gekündigt und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben derzeit noch keinen neuen Arbeitsplatz? Zu 2.: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg: Das ist im Bezirksamt nicht bekannt. Das Bezirksamt hat darauf hingewirkt , dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verbraucherzentrale e.V. die Möglichkeit erhalten, sich auf die ausgeschriebenen Stellen des Diakonischen Werkes gezielt zu bewerben. Zu diesem Zwecke wurde durch die Leiterin des Sozialamtes der Kontakt zum Diakonischen Werk Steglitz- Zehlendorf vermittelt. Einfluss auf die konkreten Personal- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 007 2 entscheidungen konnte und wurde jedoch nicht vorgenommen . Verbraucherzentrale Berlin e.V.: Von den im Projekt beschäftigten 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten 7 Projektmitarbeiterinnen und Projektmitarbeiter mit Wegfall der Aufgabe sowie eine weitere Beschäftigte der Verbraucherzentrale in Folge der gebotenen Sozialauswahl betriebsbedingt gekündigt werden. 3 Projektmitarbeiterinnen konnte eine Weiterbeschäftigung durch Umsetzung auf freie Stellen in anderen Bereichen der Verbraucherzentrale ermöglicht werden. Das Bezirksamt lehnte es rundweg ab, die Fortbeschäftigung eines oder mehrerer gekündigter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - überwiegend mit sozialarbeiterischem Hintergrund - in der bezirklichen Schuldnerberatung oder auch anderen sozialen Diensten des Bezirks etwa im Wege einer Abordnung/Personalüberlassung in Erwägung zu ziehen . Über die aktuelle Beschäftigungssituation der gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besteht kein Überblick. 3. Wie viele Arbeitsgerichtsprozesse wurden daraufhin geführt und welche Ergebnisse wurden durch gerichtliche Entscheidungen, außergerichtliche Einigungen oder auf anderem Wege erzielt? Zu 3.: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg: Das ist im Bezirksamt nicht bekannt. Verbraucherzentrale Berlin e.V.: Insgesamt 7 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage eingereicht. Ein Verfahren wurde bislang durch Vergleich beendet, die anderen Verfahren sind weiterhin offen. Zusätzlich wurden diverse Auseinandersetzungen in dieser Angelegenheit mit dem Betriebsrat der Verbraucherzentrale gerichtsanhängig. 4. Welche Kosten entstanden durch die gerichtlichen Auseinandersetzungen, durch erzielte Einigungen, durch einen Sozialplan oder auf andere Weise? Zu 4.: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg: Das ist im Bezirksamt nicht bekannt. Verbraucherzentrale Berlin e.V.: Die Kosten der Arbeitsgerichtsverfahren sowie des vereinbarten Sozialplans können zum jetzigen Zeitpunkt nicht beziffert werden, da der Großteil der Verfahren noch in der Schwebe und wechselbezüglich ist. Allein für Gerichts-, Anwalts- und sonstige Verfahrenskosten sind bislang ca. 45.000 € angefallen. 5. Welche Zahlungen erfolgten durch das kündigende Bezirksamt Tempelhof Schöneberg von Berlin, um diese Kosten zu decken, und welche Zahlungen werden noch erfolgen ? Zu 5.: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg: Es erfolgten keine Zahlungen, um diese Kosten zu decken, dies wäre mit dem Zuwendungsrecht auch nicht vereinbar. Verbraucherzentrale Berlin e.V.: Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat bislang jegliche Übernahme von Kosten der Projektabwicklung „Schuldnerberatung“ abgelehnt , mit Ausnahme von Kosten für die vorgeschriebene Aktenaufbewahrung in Höhe von 4.730,87 €. Die Verbraucherzentrale hat der Ablehnung widersprochen, der Widerspruchsbescheid des Bezirks steht noch aus. Eine gerichtliche Auseinandersetzung ist wahrscheinlich. 6. Wie sollen nach Auffassung des Bezirksamtes Tempelhof -Schöneberg von Berlin eventuell verbleibende Kosten finanziert werden? Zu 6.: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg: Dieses Problem kann nur die Verbraucherzentrale Berlin e.V. selbst lösen. Damit die Verbraucherzentrale entsprechende Vorkehrungen treffen kann, wurde ihr zeitnah nach der Empfehlung des Rechtsamtes im April 2014 vom Bezirksamt signalisiert, dass es zu einem Interessensbekundungsverfahren für das Jahr 2015 kommen wird. Verbraucherzentrale Berlin e.V.: Siehe Antwort zu 5. 7. Wie beurteilt der Senat das Verhalten des Bezirksamtes Tempelhof Schöneberg von Berlin in dieser Angelegenheit ? Zu 7.: Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz teilt die Auffassung, dass geltendes Haushaltsrecht einzuhalten ist. Sie sieht, insbesondere auch mit Blick auf die jahrzehntelange erfolgreiche Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Berlin e.V. in der Schuldnerberatung, das Bezirksamt Tempelhof-Schöne-berg von Berlin in der Pflicht, zu einer für die gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessenen weiteren beruflichen Perspektiven beizutragen. Sie wird sich daher um eine Vermittlung zwischen beiden Parteien bemühen. Berlin, den 29. Februar 2016 In Vertretung Sabine Toepfer-Kataw Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mrz. 2016)