Drucksache 17 / 18 031 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Benedikt Lux und Clara Herrmann (GRÜNE) vom 18. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Februar 2016) und Antwort Waffenbesitz von Rockern untersagen – Urteil des Bundesverwaltungsgericht umsetzen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 28. Januar 2015 (BVerwG 6C 1.14), wonach bereits die Mitgliedschaft in einer örtlichen Organisationseinheit der Rockergruppierung „Bandidos“ die Annahme der Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffengesetzes rechtfertigt, auch wenn sonst keine Tatsachen für die Unzuverlässigkeit der betroffenen Person sprechen und diese bislang unbescholten ist? Zu 1.: Der Senat von Berlin setzt die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Januar 2015 (Az.: BVerwG 6 C 1.14, BVerwG 6 C 2.14, BVerwG 6 C 3.14) zur Unzuverlässigkeit von Mitgliedern von örtlichen Organisationseinheiten der Rockergruppierung „Bandidos “ nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a) und c) Waffengesetz um. 2. Teilt der Senat die Auffassung, dass die bisher gängige Praxis, wonach eine bloße Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung oder einer Vereinigung, die Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung verfolgt, nicht zur Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffengesetzes führt, sondern der „Nachweis“ einer „individuell zurechenbaren, aktiven, ziel- und zweckgerichteten Betätigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ (vgl. Drs. 17/15130) vorliegen muss, vor dem Hintergrund des unter 1. genannten Urteils geändert werden muss? Wenn nein, wieso nicht? Zu 2.: Nein, die Auffassung ist vor dem Hintergrund der in der Frage zu 1. angegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu ändern (dazu auch jüngst Verwaltungsgericht Schleswig, Urteil vom 26.01.2016, Az.: 7 A 155/14). Der in der Frage zu 2. wiedergegebene Auszug aus der Beantwortung der Schriftlichen Anfrage Nr. 17/15130 bezieht sich auf den Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Absatz 2 Nummer 3 Waffengesetz, während die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sich auf den Unzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a) und c) Waffengesetz bezieht. 3. Wie viele Mitglieder von welchen Rockergruppen in Berlin sind dem Senat bekannt? Wie viele dieser Mitglieder welcher Rockergruppen verfügen über eine Waffenbesitzkarte ? Zu 3.: Die Polizei Berlin schätzt, dass sich in Berlin circa 1000 polizeilich relevante Personen in der Rockerszene in verschiedenen Clubzusammenhängen betätigen . 2010 wurden alle namentlich bekannten Personen durch die Fachdienststelle des Landeskriminalamtes in Zusammenarbeit mit der Berliner Waffenbehörde überprüft . Nach den der Berliner Polizei vorliegenden Erkenntnissen verfügt keine dieser Personen über eine Waffenbesitzkarte . Sollte der Waffenbehörde bei der Beantragung einer Waffenbesitzkarte im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung ein „Rockerbezug“ bekannt werden, wird bei der Fachdienststelle des Landeskriminalamtes um gerichtsverwertbare Erkenntnismitteilung ersucht, dessen Ergebnis in die Zuverlässigkeitsbewertung einfließt . 4. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung vor dem Hintergrund des unter 1. abgefragten Urteils eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffengesetzes begründet? Zu 4.: Ja, soweit die in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts benannten Strukturmerkmale der Rockergruppe , aus denen schon bei einer Mitgliedschaft auf eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu schließen ist, gegeben sind (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.01.2015, Az.: BVerwG 6 C 1.14, Rn. 11 ff.). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 031 2 5. Hat der Senat analog zu den Regelungen von Baden -Württemberg und Nordrhein-Westfalen aus dem Sommer 2015 die Waffenbehörden des Landes Berlin angewiesen, die Zuverlässigkeit von Mitgliedern von Rockergruppen im Sinne des Waffengesetzes zu überprüfen und gegebenenfalls zu versagen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, wieso nicht? Zu 5.: Anders als die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen hat das Land Berlin nur eine Waffenbehörde . Nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe wurden diese der Waffenbehörde von der Fachaufsicht über die Waffenbehörde bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zur Kenntnis übersandt. Eine Weisung wurde als nicht erforderlich erachtet. Die Waffenbehörde würde - wie in der Antwort zu Frage 3. beschrieben - im zu prüfenden Einzelfall Erkenntnisse über eine Mitgliedschaft in einer Rockergruppierung im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung berücksichtigen . 6. Inwieweit sieht der Senat eine Übertragbarkeit des genannten Urteils auf andere gewaltbereite Personenzusammenschlüsse , etwa aus dem rechtsextremistischen Bereich? Zu 6.: Eine Anwendung der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts auf andere gewaltbereite Personenvereinigungen , etwa aus dem rechtsextremistischen Bereich, würde voraussetzen, dass diese Strukturmerkmale aufweisen , aus denen schon bei einer Mitgliedschaft auf eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit geschlossen werden kann (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.01.2015, Az.: BVerwG 6.14, Rn. 11 ff.). 7. Wie viele gewaltbereite Rechtsextremisten in Berlin sind dem Senat aktuell bekannt? In welchen Gruppen oder Personenzusammenhängen sind diese organisiert? Zu 7.: Es gibt circa 700 gewaltorientierte Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten in Berlin. Zur Definition des Gewaltbegriffs und der Analyse des Gewaltpotenzials in rechtsextremistischen Personenzusammenhängen wird auf die Antworten zu den Fragen 2. und 3. der Schriftlichen Anfrage Nr. 17/17 835 verwiesen. 8. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Mitgliedschaft in bzw. die Zugehörigkeit zu einem gewaltbereiten, rechtsextremistischen Personenzusammenhang vor dem Hintergrund des unter 1. abgefragten Urteils eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffengesetzes begründet? Zu 8.: Die Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit zu einer gewaltbereiten, rechtsextremistischen Personenvereinigung könnte nur dann eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a) und c) Waffengesetz begründen, wenn die Personenvereinigung die in den benannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Januar 2015 dargestellten Strukturmerkmale aufweist. 9. Wie viele dieser unter 7. abgefragten Personen haben eine waffenrechtliche Erlaubnis? Hat der Senat seit Kenntnisnahme des unter 1. genannten Urteils eine Überprüfung und Neubewertung der Zuverlässigkeit dieser Personen vorgenommen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis ? Wenn nein, wieso nicht? Welcher organisatorische Aufwand ist mit so einer Überprüfung zu leisten? Zu 9.: Aktuell sind dem Senat keine gewaltbereiten Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten in Berlin mit einer waffenrechtlichen Erlaubnis bekannt. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass eine lückenlose Bestandsaufnahme über waffenrechtliche Erlaubnisse bei Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten aus den von der Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Frage 1 der Kleinen Anfrage und ihrer Beantwortung Nr. 18/402 aus den genannten Gründen nicht möglich ist. Wenn bei den Berliner Sicherheitsbehörden Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung anfallen, wird diesen gezielt nachgegangen und geprüft, ob und gegebenenfalls welche waffenentziehenden Maßnahmen eingeleitet werden können. Berlin, den 03. März 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Mrz. 2016)