Drucksache 17 / 18 041 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 22. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Februar 2016) und Antwort Medizinische Versorgung von Geflüchteten (I): Konzept und Umsetzung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.) Laut Aussage vom 18. Januar 2016 will der Senat zeitnah ein umfassendes Konzept zur medizinischen Versorgung von Geflüchteten präsentieren. Am 08. Februar 2016 wurde das Abgeordnetenhaus in der RN 2582 A darüber informiert, dass der Senat eine erneute Fristverlängerung bis zum 31. März 2016 benötigt. Was ist der Stand der Dinge hinsichtlich dieses Konzeptes, welche Punkte umfasst es und ist eine finale Präsentation des Konzeptes bis zum 31. März 2016 absehbar (vgl. auch Drucksache 17/17539)? 2) Welche finanziellen Mittel wird der Senat für die Jahre 2016-17 für die medizinische Versorgung von Geflüchteten insgesamt und im Detail bereitstellen? (Bitte aufschlüsseln.) Zu 1. und 2.: Das Rahmenkonzept zur medizinischen Versorgung von Asylsuchenden einschließlich der Angaben zu den bereitzustellenden Mitteln befindet sich derzeit im Mitzeichnungsverfahren der beteiligten Senatsverwaltungen und wird danach dem Senat vorgelegt. 3) Wie bewertet der Senat § 62 des Asylgesetzes (AsylG), wonach eine medizinische Untersuchung nur für Geflüchtete in Aufnahmeeinrichtungen und in Gemeinschaftsunterkünften durchgeführt werden soll, nicht aber für Geflüchtete in notbelegten Unterkünften? Wie will der Senat eine umfassende medizinische Untersuchung für Geflüchtete inklusive derjenigen, die in notbelegten Unterkünften beherbergt werden, gewährleisten (vgl. auch Drucksache 17/17539)? a) Welchen Leistungsanspruch können Geflüchtete hinsichtlich der geplanten umfassenden Absicherung der Gesundheitsversorgung ableiten, unabhängig von der Art ihrer Unterkunft? 14) Laut der Arbeitsgruppe Medizinische Versorgung von Asylsuchenden des Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement soll es künftig ein Konzept für ein sofortiges medizinisches Erstscreening von neuankommenden Geflüchteten nach Ankunft beim LAGeSo in der Bundesallee geben. Was ist der Stand hinsichtlich der Umsetzung dieses Konzeptes und wie wird ein medizinisches Erstscreening von bereits registrierten Geflüchteten sichergestellt? a) Wird bei Geflüchteten, die neu in Berlin- Schönefeld ankommen, ein medizinisches Erstscreening durchgeführt? Wenn nicht, bis wann soll dies umgesetzt werden? b) Wann und wo und durch wen findet im Land Berlin ein sogenanntes Vorscreening als vorübergehende Maßnahme und Ersatz zum Erstscreening statt und wie viele Geflüchtete sind so ein Vorscreening seit Jahresbeginn durchlaufen? Kann der Senat garantieren, dass im Anschluss an ein Vorscreening zeitnah ein professionelles Erstscreening durchgeführt wird? Zu 3. und 14.: Seit dem 01.03.2016 wird die gemäß § 62 Asylgesetz geforderte Untersuchung für alle Asylsuchenden in der Bundesallee durch die Charité durchgeführt . Da die Untersuchung zeitnah nach Ankunft der Asylsuchenden im Land Berlin erfolgt, sind Vorscreenings nur noch in Ausnahmefällen erforderlich. 4) Konnten alle ausstehenden Rechnungen analog zu §§ 4 bzw. 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für das Jahr 2015 beglichen werden, in denen Arztpraxen und Krankenhäuser Interimsleistungen zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung von Geflüchteten erbracht haben (vgl. auch Drucksache 17/17225)? Wenn nein, wie hoch sind die noch außenstehenden und bis wann werden diese beglichen sein? Zu 4.: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) ist bemüht, zeitnah die noch ausstehenden Rechnungen zu begleichen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 041 2 5) Wie funktioniert die Rechnungslegung hinsichtlich nichtregistrierter Asylsuchender und wer fungiert hier als Ansprechpartner*in? Zu 5.: Die zuständigen medizinischen Abrechnungsstellen wurden vertraglich verpflichtet, ärztliche Leistungen , die von nichtregistrierter Asylsuchenden in Anspruch genommen werden, entsprechend dem Regelsystem der registrierten Asylsuchenden mit dem LAGeSo abzurechnen . Um dies zu ermöglichen, erhalten unregistrierte Asylbewerberinnen bzw. Asylbewerber, die zumindest namentlich im LAGeSo erfasst sind, ein mit einer Buchstaben -Zahlen-Kombination versehenes Armband. Die behandelten Asylsuchenden sind mit Hilfe der Buchstaben -Zahlen-Kombination ihres Armbandes sowie ihres Namens, Vornamens und Geburtsdatums eindeutig identifizierbar . Diese Daten dienen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten als Grundlage für die Abrechnung ihrer Leistungen mit dem LAGeSo. 6) Wie garantiert der Senat eine Absicherung der Gesundheitsversorgung in Notunterkünften mit mehr und weniger als 500 Bewohner*innen, wenn diese Versorgung auf der Einrichtung eines Medipoints beruht? a) Ist die Einrichtung von allen bereits installierten Medipoints vertraglich geregelt und bis wann sollen alle Einrichtungen laut Auflistung vom 28.01.2016 über einen Medipoint und durch welchen Betreiber verfügen? (Bitte Mustervertrag anfügen.) b) Wie bewertet der Senat die Arbeit von Hausärzt *innen? Welche Leistungen umfasst die hausärztliche Versorgung und wie unterscheidet sich die hausärztliche Versorgung hinsichtlich einer Belegungszahl der Unterkunft von unter oder über 500 Bewohner*innen? Zu 6.: Verträge wurden bisher für den Betrieb folgender Med-Punkte in Notunterkünften geschlossen: Standort Med-Punkt Betreiber Med-Punkt ehemaliger Flughafen Tempelhof Vivantes mit St. Joseph Krankenhaus ehemaliges Rathaus Wilmersdorf Arbeiter-Samatiter-Bund (ASB) Mertensstraße Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau Waldschluchtpfad Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe Ruschestraße DRK Müggelspree mit Sana Klinikum Köpenicker Allee DRK Müggelspree mit Sana Klinikum Für folgende bereits im Betrieb befindliche Med- Punkte in Notunterkünften sind die Vertragsunterlagen vorbereitet und liegen den Kliniken zur Unterzeichnung vor: Standort Med-Punkt Betreiber Med-Punkt Glockenturmstraße Charité ICC Martin-Luther-Krankenhaus Schmidt-Knobelsdorf- Straße Vivantes Für folgende weiter Notunterkünfte ist die Einrichtung eines Med-Punktes geplant: Geplanter Standort Med-Punkt Möglicher Betreiber Med-Punkt Motardstraße Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau, Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe Karl-Marx-Straße Vivantes Bitterfelder Str. N.N. Paulsternstraße N.N. Halemweg N.N. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 041 3 Darüber hinaus werden an den LAGeSo-Standorten in der Turmstraße und in der Bundesallee Med-Punkte durch die Charité betrieben. Die hausärztliche Versorgung dient dem Ziel, eine Vor-Ort-Versorgung von Asylsuchenden zu sichern und somit die Rettungsstellen von Krankenhäusern zu entlasten, die alternativ aufgesucht werden würden. 7) Für welche Unterkünfte, die unter 500 Bewohner *innen haben, konnten bereits Kooperationsvereinbarungen mit welchen Krankenhäusern geschlossen werden ? Falls noch kein Kooperationsvertrag geschlossen werden konnte, was ist der Stand der Verhandlungen? (Bitte aufschlüsseln nach Flüchtlingsunterkunft und den jeweiligen Kooperationsvertrag.) Zu 7.: Für Unterkünfte mit weniger als 500 Unterbringungsplätzen sind Kooperationsvereinbarungen mit Krankenhäusern nicht vorgesehen. Es wurden keine derartigen Verträge geschlossen und keine entsprechenden Vertragsverhandlungen geführt. 8) Wie plant der Senat die normale Patientenversorgung in Krankenhäusern sicherzustellen, wenn hier ggf. das Personal auf Grund von individuellen Kooperationsvereinbarungen fehlt? Zu 8.: In den o. g. Verträgen ist die Vergütung des Personaleinsatzes geregelt. Die Kliniken steuern eigenverantwortlich ihre Personalressourcen. 9) In welchen Turnhallen wurde wann eine Besichtigung zur Absicherung der Gesundheitsversorgung durchgeführt , mit welchem Ergebnis und bis wann soll eine Erkundung in welchen übrigen Turnhallen durchgeführt werden? Zu 9.: Zusätzlich zu den routinemäßigen Begehungen der Turnhallen durch das LAGeSo wurden seit Anfang Februar 2016 bisher 11 Turnhallen in Treptow Köpenick, Neukölln und Reinickendorf aufgesucht. Es wurde festgestellt , dass die gesundheitliche Versorgung bereits weitgehend im Regelsystem – d. h. in den umliegenden Arztpraxen erfolgt. Um diesen Prozess weiter zu verbessern , kann ein Lotsensystem hilfreich sein. Die Besuche der Turnhallen werden fortgeführt. 10) Was ist das Ergebnis der Gespräche mit Hilfsorganisationen zur Unterstützung von Vorscreenings, wie sie in der Drucksache 17/17638 angekündigt worden sind? 11) Wie definiert der Senat mobile Teams zur medizinischen Versorgung, durch wen werden diese Teams gestellt, wie ist ihr personeller Schlüssel und wie helfen sie, die medizinische Versorgung von Geflüchteten in Notunterkünften sicherzustellen? Zu 10. und 11.: Im Ergebnis sind mehrere Hilfsorganisationen in die medizinische Versorgung durch Bereitstellung von mobilen Teams eingebunden worden. Mobile Teams sind mit Rettungssanitäterinnen bzw. Rettungssanitätern besetzt, die im Bedarfsfall auf eine ärztliche Ressource zurückgreifen können. Sie nehmen eine Lotsenfunktion wahr und können für eine Erstversorgung vor Ort eingesetzt werden. 12) Welche Notunterkünfte sollen künftig durch einen Umbau in eine Gemeinschaftsunterkunft umgewandelt werden? Zu 12.: Nach gegenwärtigem Sachstand sollen folgende Notunterkünfte in eine Gemeinschaftsunterkunft umgewandelt werden: Ruschestraße, Schmidt-Knobelsdorf-Straße, Daimlerstraße , Köpenicker Allee, Rathaus Friedenau, Kiefholzstraße , Thielallee, Eschenallee, Am Großen Wannsee, Großbeerenstr. , Am Bärensprung, Rohrdamm“ 13) Wie garantiert der Senat die Absicherung der Gesundheitsversorgung in a) Privatunterkünften? b) Hostels? c) Gemeinschaftsunterkünften? d) den Plätzen für Schutzbedürftige am Ostpreußendamm und im Marie-Schlei-Haus? Zu 13.: Die Gesundheitsversorgung ist für alle Asylsuchenden grundsätzlich im Regelsystem gewährleistet, da seit 01.02.2016 sowohl die Kassenärztliche Vereinigung als auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung die Zuständigkeit auch für kurzerfasste, d. h. noch nicht vollständig registrierte Asylsuchende übernommen haben. 15) Welche zusätzlichen Daten über meldepflichtige Erkrankungen unter Asylsuchenden sollen nach Vereinbarung zwischen Bund und Ländern erhoben und wo und mit welchem Ziel gesammelt werden? Zu 15.: Um sowohl Infektionswege als auch Infektionsrisiken bei Asylsuchenden besser einschätzen zu können , besteht seit Ende September 2015 auf Grundlage des § 11 Abs. 1 Nr. 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) die Möglichkeit , bei Asylsuchenden zusätzliche Angaben in der Meldesoftware zu übermitteln. Diese umfassen die Angabe , dass es sich um eine asylsuchende Person handelt sowie Angaben zum Geburtsland, zum Datum der Einreise nach Deutschland und zur Unterbringung in einer Massenunterkunft . Die von den Gesundheitsämtern erhobenen und in die Meldesoftware eingepflegten Daten werden anonymisiert an die zuständige Landesbehörde (in Berlin: LAGeSo) und von dort an das Robert Koch-Institut übermittelt . Eine Kurzauswertung der Daten für Berlin findet sich im epidemiologischen Wochenbericht des LAGeSo, der auf den Internetseiten öffentlich einsehbar ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 041 4 16) Plant der Senat den Aufbau eines offiziellen Beschwerdewegs für Probleme und Beanstandungen in der medizinischen Versorgung von Geflüchteten? Wenn ja, wie soll dieser Weg aussehen und bis wann soll solch eine offizielle Beschwerdemöglichkeit der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen? Zu 16.: Grundsätzlich soll die Versorgung von Asylsuchenden so schnell wie möglich im Regelsystem erfolgen . Vor diesem Hintergrund ist der Aufbau eines speziellen Beschwerdemanagements nicht vorgesehen. 17) Wie will der Senat eine umfassende und zufriedenstellende Hebammenversorgung am Standort des LA- GeSo in der Turmstraße und in den Flüchtlingsunterkünften in Berlin sicherstellen? Wie definiert der Senat einen angepassten Personalschlüssel für Hebammen bei welchem gesteigerten finanziellen Bedarf bzw. wie sollen Hebammen ggf. direkt abgerechnet werden? (Bitte aufschlüsseln nach Versorgungskonzept für Flüchtlingsunterkünfte mit Medi-Punkt und solche ohne.) Zu 17.: Die Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen durch Hebammen wird derzeit konzeptionell im Rahmen eines Gesamtpaketes entwickelt. Derzeit gibt es bereits folgende Regelungen: am Standort des LAGeSo in der Turmstraße wird die Hebammenversorgung durch eine ehrenamtliche Hebamme im Rahmen der medizinischen Versorgung sichergestellt. Schwangere Frauen in anderen Flüchtlingsunterkünften werden über ehrenamtlich tätige Hebammen, über die Sprechstunden der Zentren für Sexuelle Gesundheit und Familienplanung oder gynäkologische Sprechstunden in nahe gelegenen Krankenhäusern versorgt. Grundsätzlich wird auch in diesem Bereich eine schnelle Eingliederung in das Regelsystem angestrebt. Die Abrechnung der Hebammenleistungen erfolgt über den Krankenschein beim LAGeSo. 18) Wie ist die Abrechnung und Bezahlung von offenen Rechnungen von Krankenhäusern, Pflegediensten und Ärzten durch das LAGeSo sichergestellt und welche offenen Rechnungen gibt es, die im vergangenen Jahr nicht beglichen werden konnten? Zu 18.: Das LAGeSo wird im Rahmen seiner Möglichkeiten und personellen Resourcen die offene Rechnungen von Krankenhäusern, Pflegediensten, Ärztinnen und Ärzten entsprechend abarbeiten. 19) Wie plant der Senat die Unterbringungskapazitäten für besonders schutzbedürftige Geflüchtete, inklusive medizinischer und pflegerischer Härtefälle, zu erhöhen und welche bauliche Kriterien zur Erweiterung dieser Kapazitäten gibt es? 20) Welchen neuen Personalschlüssel hat der Senat für Unterkünfte mit besonders schutzbedürftigen Geflüchteten festgelegt und wie definiert der Senat die besondere fachliche Eignung von Mitarbeiter*innen in diesen Unterkünften ? Zu 19. und 20.: Hierzu laufen derzeit Abstimmungen zwischen den betroffenen Senatsverwaltungen und dem LAGeSo. 21) Wurden, wie in der Drucksache 17/17640 angekündigt , alle Betreiber hinsichtlich der Fortbildung über Infektionskrankheiten informiert und wie ist sichergestellt , dass die Betreiber ihre Mitarbeiter*innen und Helfer *innen vor Ort entsprechend fortbilden? (Bitte die aufbereitenden Informationen beifügen.) Zu 21.: Grundsätzlich sind die bezirklichen Gesundheitsämter Ansprechpartner in Fragen des Infektionsschutzes in Einrichtungen für Asylsuchende. Darüber hinaus wurden in Betreibertreffen, die die Caritas regelmäßig organisiert, auch Fragen zu Infektionskrankheiten geklärt. 22) Wie viele neue Stellen benötigen die Berliner Gesundheitsämter im laufenden Jahr zur Unterstützung der medizinischen Versorgung von Geflüchteten und was ist das Ergebnis der Gespräche der Bezirksämter im Rahmen der AG Wachsende Stadt mit der Senatsverwaltung für Finanzen (vgl. Drucksache 17/17639)? Zu 22.: Ein möglicher personeller Mehrbedarf der Gesundheitsämter wird in den Prozess „Wachsende Stadt“ eingespeist und entschieden. Berlin, den 14. März 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Mrz. 2016)