Drucksache 17 / 18 042 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 22. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Februar 2016) und Antwort Ghettoisierung verhindern – Keine Beschulung von Kindern und Jugendlichen in den Unterkünften Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche sind aktuell in der Notunterkunft im ehemaligen Flughafens Tempelhof untergebracht? Zu 1.: Aktuell sind 343 schulpflichtige Kinder und Jugendliche in der Notunterkunft untergebracht 2. Wie will der Senat eine umfassende Beschulung der geflüchteten Kinder und Jugendlichen, die zurzeit in der Notunterkunft im ehemaligen Flughafens Tempelhof untergebracht sind, sicherstellen? a) Was ist das Konzept? b) Wie ist der Zeitplan und der Stand der Umsetzung? c) Wie ist das Verfahren zur Verteilung der Kinder und Jugendliche auf welche Schulen in den angrenzenden Bezirken Tempelhof-Schöneberg, Neukölln und Friedrichshain -Kreuzberg? d) Wie viele Plätze werden in den jeweiligen Schulen vorgehalten? Zu 2.: Die Sicherstellung eines umfangreichen Bildungsangebotes wird von einer Projektgruppe Tempelhofer Feld der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft unter Einbeziehung aller erforderlichen Fachreferate der Abteilungen und in enger Abstimmung mit dem Träger Tamaja in spezifischen Arbeitsgruppen erarbeitet. Es umfasst die Einrichtung von Willkommensklassen , Maßnahmen zur vorschulischen Förderung wie auch Angebote der offenen, kulturellen und sportorientierten Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit vor Ort. Das Konzept der Beschulung entspricht den Vorgaben des Landes Berlin zur Erfüllung der Schulpflicht bzw. der Sicherstellung des Rechts auf Bildung und hat in seiner umfassenden Berücksichtigung der unterschiedlichen Komponenten von Bildung Modellcharakter. Die räumliche Lage der Notunterkunft erfordert eine enge Abstimmung der drei Anrainerbezirke Tempelhof-Schöneberg. Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Es werden neue Ansätze in der Schul- und Kitaversorgung sowie in der Jugendarbeit und Familienarbeit unter anderem durch spezifische Angebote vor Ort umgesetzt, die auch der unterschiedlichen Verweildauer von Familien in einer Notunterkunft Rechnung tragen. Es ist angestrebt, die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen so zeitnah wie möglich zu beschulen. Die Verteilung der Schülerinnen und Schüler erfolgt in enger Absprache aller Beteiligten in regelmäßig stattfindenden Planungsgesprächen, abhängig von regionalen Kapazitäten und nach Einschätzung des Sprach- und Entwicklungsstandes sowie erkennbarer Kompetenzen oder beruflicher Neigungen. Alle Schulen in den angrenzenden Bezirken haben bereits sehr hohe Zuzugszahlen aufzuweisen . Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat gemäß langfristig getroffener Absprachen 240 Plätze explizit für Schülerinnen und Schüler aus der Notunterkunft Tempelhofer Feld bereitgestellt. 3. Plant der Senat, die ehemalige Luise-und-Wilhelm- Teske-Schule am Tempelhofer Weg 62 als Notunterkunft zu räumen und dort eine Beschulung in Willkommensklassen für Kinder und Jugendliche aus der Notunterkunft Tempelhof vorzunehmen? a) Wenn ja, soll die ehemalige Luise-und-Wilhelm- Teske-Schule als Zweigstelle einer anderen Schule im Bezirk Tempelhof-Schöneberg oder aber als eine eigenständige Schule genutzt werden? b)Wenn ja, bis wann soll die Notunterkunft in eine Schule umgewandelt werden? c) Wenn ja, wie viele Willkommensklassen sollen eingerichtet werden, wie lange sollen diese bestehen und mit welchem Personalschlüssel plant der Senat? d) Wenn ja, wie stellt der Senat sicher, dass die geflüchteten Kinder und Jugendliche Kontakte zu deutschsprachigen Kindern und Jugendlichen aufnehmen können ? e) Wenn ja, was geschieht mit den Bewohner*innen, die aktuell in der Notunterkunft beherbergt werden? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 042 2 Zu 3.: Die ehemalige Luise-und-Wilhelm-Teske- Schule am Tempelhofer Weg 62 soll einer temporären Nutzung als Bildungszentrum zugeführt werden. Neben Musikschul- und Volkshochschul-Angeboten sollen dort ca. 200 Kinder und Jugendliche für die Dauer ihres Aufenthaltes in der Notunterkunft Tempelhofer Feld in Willkommensklassen unterrichtet und auf den Unterricht in den Regelklassen vorbereitet werden. Der Betrieb der Willkommensklassen wird im Rahmen einer Schulfiliale erfolgen. Die derzeitigen Bewohnerinnen und Bewohner aus der Notunterkunft werden durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Absprache mit dem Betreiber in geeigneten anderen Unterkünften untergebracht. Sobald die Notunterkunft von ihren bisherigen Bewohnerinnen und Bewohnern verlassen ist, werden die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen beginnen. Nach deren Abschluss erfolgt die Aufnahme des Betriebs des Bildungszentrums. Im Bildungszentrum Tempelhofer Weg sollen Willkommensklassen für ca. 200 Schülerinnen und Schüler aus der Notunterkunft Tempelhofer Feld temporär, d.h. solange sie erforderlich sind, eingerichtet werden. Der Personalschlüssel für diese Willkommensklassen wird analog zum Personalschlüssel der Willkommensklassen auch aller anderen Berliner Schulen auf der Grundlage einer Zumessungsfrequenz von 12 Schülerinnen und Schülern geplant. Der Kontakt zu deutschsprachigen Kindern und Jugendlichen wird durch den Besuch außerschulischer Lernorte gesichert. Enge Kontakte und Patenschaften mit Schülerinnen und Schülern umliegender Schulen sind konzipiert. 4. Plant der Senat, auch auf dem Gelände von anderen Flüchtlingsunterkünften oder aber in anderen Flüchtlingsunterkünften Zweigstellen von existierenden Schulen aufzubauen, Willkommensklassen einzurichten und geflüchtete Kinder und Jugendliche vom normalen Schulbetrieb räumlich zu trennen? a) Wenn ja, was ist der Stand der Beschulung in anderen Unterkünften mit eigenem Beschulungskonzept? (Bitte nach Unterkunft, Schüler*innenzahl, Personalschlüssel und Zweigstelle der jeweiligen Schule aufschlüsseln .) Zu 4.: Hierzu liegen momentan keine konkreten Pläne vor. Im Bedarfsfall kann jedoch auf die Planungen und Erfahrungen in Bezug auf das Bildungsangebot für das Tempelhofer Feld zurückgegriffen werden. 5. Plant der Senat, Geflüchtete, die momentan in der Luise-und-Wilhelm-Teske-Schule beherbergt sind, im ehemaligen Rathaus Friedenau unterzubringen ? a) Wenn ja, bis wann, welche Geflüchtete und was bedeutete dies für die bisherigen Pläne des Senats, das ehemalige Rathaus Friedenau als Unterkunft für besonders schutzbedürftige Geflüchtete einzurichten? Zu 5.: Mit Schreiben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vom 17.02.2016 wurde der Bezirk Tempelhof -Schöneberg darüber informiert, dass das Rathaus Friedenau nun seiner Nutzung als Notunterkunft zugeführt wird. In der Belegung sind sowohl Plätze für besonders Schutzbedürftige als auch für Familien, die bislang in der Notunterkunft in der Teske-Schule gelebt haben, vorgesehen. 6. Wie bewertet der Senat die Kritik der Sozialstadträtin des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, Sibyll Klotz (Grüne), hinsichtlich der gesonderten Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen? Zu 6.: Die genannte Kritik liegt der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft nicht vor. Grundsätzlich wird an der Leitlinie der Beschulung in Schulen festgehalten. Ausnahmen sind ausschließlich akuten Belastungssituationen wie durch die Einrichtung der Notunterkunft Tempelhofer Feld geschuldet, in der erforderliche Kapazitäten trotz sorgfältiger Prüfung nicht mehr gegeben sind. Dort, wo eine gesonderte Beschulung unvermeidlich ist, werden alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um z.B. durch Lernen an außerschulischen Lernorten, Patenschaften und Einbindung in Kultur- und Freizeitangebote die Begegnung mit Gleichaltrigen sowie dem alltäglichen Leben in unserer Stadt zu gewährleisten. 7. Wie und mit wem konkret arbeitet der Senat im Bezirk Tempelhof-Schöneberg zusammen, um eine zeitnahe Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen im Bezirk umzusetzen? Zu 7.: Der Senat arbeitet mit den Schulämtern der Regionen Tempelhof-Schöneberg, Friedrichshain- Kreuzberg, Neukölln und der beruflichen und zentralverwalteten Schulen zusammen. 8. Wie bewertet der Senat den offenen Brief der Koordinationsgruppe der Ehrenamtlichen der Notunterkunft Teske-Schule („Schöneberg hilft“) vom 10.02.2016 und ihre Kritik an einer möglichen Räumung der von ihnen unterstützten Notunterkunft? Zu 8.: Die Kritik der Koordinationsgruppe der Ehrenamtlichen – deren Arbeit der Senat von Berlin sehr hoch schätzt und würdigt - ist in der geäußerten Form nicht nachvollziehbar. Ein auf wenige Monate beschränkter Besuch in Willkommensklassen im Bildungszentrum Tempelhofer Weg, der zudem flankierende integrative Angebote enthält, ist alternativlos in Anbetracht der ansonsten drohenden Nicht-Beschulung. Mit dem Standort Rathaus Friedenau wurde zudem für die bisherigen Bewohnerinnen und Bewohner der Notunterkunft Teske- Schule ein Standort gefunden, der aufgrund der räumlichen Nähe den Fortbestand der geknüpften sozialen und schulischen Beziehungen ermöglicht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 042 3 9. Plant der Senat, die Bildung von mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen im Allgemeinen und von geflüchteten Kindern und Jugendlichen im Besonderen durch den Ausbau des bilingualen Schulsystems, ähnlich den bereits existierenden Europaschulen, zu unterstützen? Wenn ja, wie und durch welche konkreten Maßnahmen? 10. Plant der Senat die Gründung oder die Umwandlung einer existierenden Schule in eine bilinguale Deutsch-Arabische Schule? Wenn ja, wie, bis wann, welche Schule und durch welche konkreten Maßnahmen? Zu 9. und 10.: Derzeit ist dies nicht vorgesehen. Berlin, den 02. März 2016 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Mrz. 2016)