Drucksache 17 / 18 058 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Birk (GRÜNE) vom 19. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Februar 2016) und Antwort Bewertung von Standesbeamtenstellen – stehen die Standesämter bald zwischen Ausverkauf und Personalüberhang? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Standesbeamtinnen und Standesbeamte sind beim Land Berlin aktuell beschäftigt und wie sind diese – ggf. mit Ausnahme der Leitungsfunktion – vergütet ? Zu 1: Insgesamt sind in den Berliner Standesämtern (ohne Leitungsfunktion) 112 Standesbeamtinnen und Standesbeamte beschäftigt, davon In Besoldungsgruppe A 10: 41 In Besoldungsgruppe A 11: 63 Tarifbeschäftigte in Entgeltgruppe 9: 8 2. Welche Auswirkung hat nach Einschätzung des Berliner Senates die Entscheidung der Senatsverwaltung für Finanzen, die Standesamtsstellen mit der Besoldungsgruppe A 10 zu bewerten? Zu 2.: Der Senat erwartet keine kurzfristigen Auswirkungen der Bewertungsentscheidung. Es wird allerdings erwartet, dass die Bezirke spätestens bei Freiwerden der Stellen diese künftig nach Besoldungsgruppe A 10 besetzen . 3. Wie hat der Senat bei seiner Bewertung die Stellung des Standesamtes zwischen öffentlichem und privatem Recht und dessen Weisungsunabhängigkeit berücksichtigt , die nur durch Beschlüsse oder Urteile der Amtsgerichte eingeschränkt werden kann? 4. Wie hat der Senat bei seiner Bewertungsentscheidung die Vielzahl von Rechtsgebieten (Personenrecht, Familienrecht, Internationales Privat- und Verfahrensrecht , Staatsangehörigkeitsrecht, die Gesetzessammlung für StandesbeamtInnen umfasst fast 300 Gesetzestexte, Verordnungen und internationale Abkommen) berücksichtigt , mit denen StandesbeamtInnen in ihrer täglichen Arbeit im Rahmen ihrer Allzuständigkeit befasst sind? 5. Wie hat der Senat bei seiner Bewertungsentscheidung berücksichtigt, dass StandesbeamtInnen in Berlin aufgrund des erheblichen AusländerInnen- und Migrationsanteils an der Berliner Bevölkerung mit einer Vielzahl von Fällen mit einem auslandsbezogenen und damit in der Regel zusätzlich komplexen Sachverhalt befasst sind? 6. Wie hat der Senat bei seiner Bewertungsentscheidung das Konfliktpotenzial in der Tätigkeit der Standesbeamt Innen berücksichtigt, da deren Entscheidung für die Betroffenen oftmals existentiell ist, da davon z.B. für AusländerInnen Aufenthaltsmöglichkeiten abhängen, in der Regel aber immer finanzielle Fragen, teilweise auch die der vollständigen finanziellen Sicherung durch staatliche Transfers? Zu 3. - 6.: Die Bewertungsentscheidung wurde auf Basis des Gutachtens 1/2009 der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt®) zur Dienstpostenbewertung für Beamte getroffen. Dieses analytische Verfahren sieht eine Zuordnung verschiedener Kriterien anhand eines abgestuften Wertzahlenmodells vor, mit denen die Anforderungen an das Arbeitsgebiet beschrieben werden (Schwierigkeitsgrad der Informationsverarbeitung , Schwierigkeitsgrad der dienstlichen Beziehungen, Grad der Selbständigkeit, Grad der Verantwortung , Vor- und Ausbildung, Grad der Erfahrung). Basis für die Auslegung dieser Kriterien sind sowohl die Hinweise, die die KGSt® selbst im Rahmen ihres Gutachtens zur Anwendung und den entsprechenden Schulungsveranstaltungen gibt als auch der einschlägige Fachkommentar (Siepmann, Stellenbewertung für Kommunalbeamte , Luchterhand-Verlag). Auch Korrelationen zwischen den Merkmalen, insbesondere in Bezug auf die als Basis zu Grunde zu legende Vor- und Ausbildung sind dabei zu beachten, ebenso die Einordnung in das Gesamtgefüge der Ämter. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 058 2 So ist beispielswiese beim Schwierigkeitsgrad der Informationsverarbeitung selbstverständlich betrachtet worden , dass sich Standesbeamte in größerem Maße auch mit ausländischem Personenstandsrecht befassen müssen, es jedoch durchaus auch häufiger zu Sachverhaltswiederholungen kommt (beispielsweise bei Eheschließungen von Ehepartner der gleichen nichtdeutschen Staatsangehörigkeit ). Soweit auf die Unabhängigkeit der Standesbeamten hingewiesen wird, ist anzumerken, dass diese auf Basis streng reglementierter Rechtsvorschriften tätig sein müssen . Der Bevölkerungsanteil Berlins mit Migrationshintergrund ist in etwa vergleichbar mit dem anderer großer Ballungsräume wie Köln, Hamburg oder Frankfurt am Main. Die Stellen mit gleichem Aufgabenfeld sind auch dort nach BesGr. A 10 bewertet. 7. Warum ordnet der Senat die einzelnen Bezirke grundsätzlich der Größenklasse 2 zu und nicht – wie im Melderecht - der Größenklasse 1? Zu 7.: Die Zuordnung der Bezirke zur Größenklasse 2 beruht auf dem entsprechenden Modell der KGSt® und hängt von der jeweiligen Einwohnerzahl ab. Die KGSt® unterscheidet in folgende Größenklassen: Größenklasse 1 mehr als 400.000 Einwohner Größenklasse 2 200.000 bis 400.000 Einwohner Größenklasse 3 100.000 bis 200.000 Einwohner Größenklasse 4 50.000 bis 100.000 Einwohner Größenklasse 5 25.000 bis 50.000 Einwohner Größenklasse 6 10.000 bis 25.000 Einwohner Größenklasse 7 weniger als 10.000 Einwohner Da die Berliner Bezirke i.d.R. alle eine Einwohnerzahl zwischen 200.000 und 400.000 haben, sind sie bezogen auf ihre kommunalen Tätigkeiten mit Gemeinden der Größenklasse 2 vergleichbar. Das Melderecht ist nicht vergleichbar, da die Bürgerämter – anders als die Standesämter – eine allgemeine berlinweite Zuständigkeit haben. Eine Zuordnung der Bezirke zu Gemeinden der Größenklasse 1 hätte im Übrigen auf die Bewertung der Stellen für Standesbeamtinnen und Standesbeamte keinen Einfluss. Denn auch in den Städten Frankfurt am Main und Köln, die zu dieser Größenklasse gehören, sind lt. Mustertabellen der KGSt® die entsprechenden Arbeitsgebiete nach BesGr. A 10 bewertet. Dies ist auch nachvollziehbar , da es sich beim Personenstandsrecht um bundeseinheitliche Regelungen handelt. 8. Wie will der Berliner Senat der Gefahr begegnen, dass die große Nachfrage nach StandesbeamtInnen und deren bessere Vergütung z.B. beim Bundesamt für Migration zu einem dramatischen personellen Aderlass führt und die bereits stark belasteten Standesämter in kurzer Zeit so viel qualifiziertes Personal verlieren, dass ein regulärer Dienstbetrieb kaum mehr möglich ist? Zu 8.: Von einer erheblichen Wanderungsbewegung Berliner Standesbeamtinnen und Standesbeamter zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist dem Senat bisher nichts bekannt. Der Senat geht davon aus, dass eine übermäßig starke Abwanderung von Standesbeamtinnen und Standesbeamten auch weiterhin nicht erfolgt, sondern sich Abgänge – auch zum BAMF – im Rahmen des Üblichen bewegen. Erfahrungsgemäß treffen Beschäftigte die Entscheidung, dem Land Berlin – ggf. auch räumlich– den Rücken zu kehren, nur nach längerer Abwägung, die auch die Frage nach dem künftigen Einsatzort oder der Möglichkeit ungewünschter späterer Versetzungen betrachtet. Abschließend ist anzumerken, dass die Bewertung von Arbeitsgebieten im Rahmen des Besoldungs- und Tarifrechts sich objektiv nach den Anforderungen des Arbeitsgebietes richtet und nicht für einzelne Berufsgruppen als Instrument zur Personalgewinnung oder –erhaltung missverstanden werden darf. Berlin, den 08. März 2016 In Vertretung Klaus Feiler Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Mrz. 2016)