Drucksache 17 / 18 071 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander Spies (PIRATEN) vom 23. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Februar 2016) und Antwort Das Land Berlin als Auftraggeber und die Einhaltung des Mindestlohngesetzes Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Maßnahmen ergreifen die Berliner Verwaltung , landesunmittelbare öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, Hochschulen , die Gerichte des Landes Berlin, das Abgeordnetenhaus von Berlin, der Rechnungshof von Berlin, die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit und die juristischen oder privaten Personen oder Personengesellschaften , die das Land Berlin unmittelbar oder mittelbar durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert oder über deren Leitung es die Aufsicht ausübt oder bei denen es einen Teil der Mitglieder zur Geschäftsführung oder der zur Aufsicht berufenen Organe bestimmt hat, sowie die juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Land Berlin, die sich durch Gebühren oder Beiträge finanzieren, um das Auftraggeberhaftungsrisiko nach § 13 Mindestlohngesetz (MiLoG) zu minimieren und einem Bußgeld entgegenzuwirken? (Bitte nach den einzelnen Einrichtungen, Institutionen bzw. Unternehmen aufschlüsseln.) Zu 1.: Die von den Berliner Vergabestellen zur Minimierung des Auftraggeberhaftungsrisikos nach § 13 Mindestlohngesetz (MiLoG) zu ergreifenden Maßnahmen folgen insbesondere aus deren vergaberechtlicher Verpflichtung nach § 1 Abs. 4 und 6 des Berliner Ausschreibungs - und Vergabegesetzes (BerlAVG), Aufträge ab einem geschätzten Auftragswert von 500 € netto nur an Unternehmen zu vergeben, die sich und ggf. ihre Nachunternehmer bei der Angebotsabgabe schriftlich zur Zahlung des vergaberechtlichen Mindeststundenentgelts von 8,50 Euro brutto bei der Leistungsausführung verpflichten. Damit hat der Berliner Landesgesetzgeber die Vergabe öffentlicher Aufträge bereits seit Juli 2012 an die Einhaltung des Mindestlohns in der erst seit dem 1. Januar 2015 allgemein bundesweit geltenden Höhe gekoppelt. Bei Einhaltung dieser vergaberechtlichen Verpflichtung kann die Auftraggeberhaftung nach § 13 MiLoG schon mangels Mindestlohnverstößen auf Seiten der auftragnehmenden Unternehmen verhindert werden. Zu diesem Zweck ergreifen die Berliner Vergabestellen insbesondere folgende nach dem BerlAVG vorgesehene Maßnahmen: Gem. § 3 BerlAVG erfolgt eine gezielte Prüfung der Kalkulationsunterlagen des bietenden Unternehmens, wenn der Preis eines Angebots mehr als 10 % unter dem nächsthöheren Angebot oder dem Schätzpreis der Vergabestelle liegt. Hierbei wird insbesondere geprüft, ob der kalkulierte Mittellohn oder Stundenverrechnungssatz den Mindestlohn einhält. Bieter, die dies nicht nachweisen können, werden vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen . Bei der Auftragserteilung werden die Vertragsbedingungen mit den dafür zwingend einzuholenden Eigenerklärungen gem. Vordrucken der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung bzw. der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt u. a. um Verpflichtungen zur Mindestentlohnung ergänzt. Im Rahmen der Auftragsausführung haben die Vergabestellen gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 BerlAVG stichprobenartig Kontrollen u.a. zur Einhaltung der Mindestlohnverpflichtung durchzuführen. Hierzu können sie sich auch der Unterstützung der bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung eingerichteten Zentralen Kontrollgruppe nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Berl AVG bedienen. Werden hierbei Verstöße gegen die Mindestlohnverpflichtung festgestellt, berechtigt dies die Vergabestellen nach Maßgabe des § 6 BerlAVG ggf. zur Geltendmachung von Vertragsstrafen oder zur fristlosen Kündigung des Auftrags. Nach § 19 Abs. 3 MiLoG haben die Vergabestellen zudem bzgl. der bietenden Unternehmen Auskünfte aus dem Gewerbezentralregister über rechtskräftige Bußgeldentscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 21 MiLoG anzufordern. Ab einem Auftragsvolumen von 30.000 Euro hat die Vergabestelle außerdem gem. § 19 Abs. 4 MiLoG vor Zuschlagerteilung für das bietende Unternehmen, das den Zuschlag erhalten soll, eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister nach § 150a Gewerbeordnung anzufordern. Auf diese Verpflichtungen, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 071 2 die ebenfalls der Minimierung des Auftraggeberhaftungsrisikos dienen, sind die Berliner Vergabestellen in Ziff. 5 des vergaberechtlichen Rundschreibens WiTechForsch II G Nr. 2/2015 vom 12. August 2015 ausdrücklich hingewiesen worden (https://www.berlin.de/vergabeservice/vergabeleitfaden/ru ndschreiben/). 2. Sind dem Senat seit dem Inkrafttreten des MiLoG Fälle bekannt geworden, bei denen die in Frage 1 genannten Einrichtungen, Institutionen und Unternehmen Auftragnehmer *innen beauftragt haben, die sich gegenüber den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die sie zur Erbringung der vereinbarten Leistung eingesetzt haben, nicht an das MiLoG gehalten haben? Welche Folgen hatte jeweils diese Erkenntnis? (Bitte nach den einzelnen Einrichtungen, Institutionen bzw. Unternehmen und Jahren aufschlüsseln.) 3. Welche der in Frage 1 genannten Einrichtungen, Institutionen und Unternehmen mussten wie oft seit dem Inkrafttreten des MiLoG als Auftraggeber*innen nach § 13 MiLoG haften bzw. Bußgeld zahlen? (Bitte nach den einzelnen Einrichtungen, Institutionen bzw. Unternehmen und Jahren aufschlüsseln.) 4. Wie oft haben sich seit dem Inkrafttreten des Mi- LoG Arbeitnehmer*innen der durch die in Frage 1 genannten Einrichtungen, Institutionen und Unternehmen beauftragten Auftragnehmer*innen an diese Einrichtungen , Institutionen und Unternehmen wegen der Nichteinhaltung des MiLoG durch ihre Arbeitgeber*innen gewendet und welche Folgen hatte dies jeweils? (Bitte nach den einzelnen Einrichtungen, Institutionen bzw. Unternehmen und Jahren aufschlüsseln.) 5. Sind dem Senat seit dem Inkrafttreten des MiLoG Fälle bekannt geworden, bei denen die in Frage 1 genannten Einrichtungen, Institutionen und Unternehmen legale oder illegale Strategien zur Umgehung des MiLoG verwendet haben, insbesondere: a) unbezahlte Überstunden, b) freie Mitarbeit und sogenannte Scheinselbstständige , c) Abschluss von Werkverträgen, d) Verzichtserklärung des Arbeitnehmers, e) die Beschäftigung von Praktikanten, f) die Absenkung der Arbeitszeit, g) Umwandlung von Minijobs zur Arbeit in der Gleitzone, h) geringere Vergütung für Zeiten des sog. Bereitschaftsdienstes , i) leistungsabhängige Vergütung, j) Kündigung bzw. Änderungskündigung, k) freiwillige Leistungen des Arbeitsgebers? (Bitte nach den einzelnen Einrichtungen, Institutionen bzw. Unternehmen und Jahren aufschlüsseln.) Zu 2. bis 5.: Der Senat hat zu den in den Fragen 2 bis 5 nachgefragten Fällen bzw. Sachverhalten eine Abfrage bei allen in Frage 1 angesprochenen Stellen durchgeführt. Soweit hierauf Antworten eingegangen sind, ist ausnahmslos Fehlanzeige gemeldet worden. Dies ist auch von der bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung eingerichteten Zentralen Kontrollgruppe nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Berl AVG bestätigt worden. Danach sind auch bei deren Prüfungen nach dem BerlAVG keine Verstöße von Unternehmen im Rahmen der Ausführung von durch Berliner Vergabestellen vergebenen öffentlichen Aufträgen gegen die Vorschriften des MiLoG über den gesetzlichen Mindestlohn offenkundig geworden, die eine Auftraggeberhaftung nach § 13 MiLoG hätten auslösen können. Der Zentralen Kontrollgruppe sind bei der Vielzahl der von Ihr durchgeführten Stichprobenkontrollen nach dem Berl AVG insbesondere auch keine der in Frage 5 aufgelisteten „Strategien zur Umgehung des MiLoG“ bekannt geworden . Lediglich in einem Fall ist von der Zentralen Kontrollgruppe die Nichteinhaltung eines tariflichen Mindestlohns nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz im Rahmen einer Subunternehmervergabe aufgedeckt worden. Dies kann jedoch nicht Gegenstand einer Auftraggeberhaftung nach § 13 MiLoG sein. Berlin, den 10. März 2016 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mrz. 2016)