Drucksache 17 / 18 076 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Björn Eggert (SPD) vom 25. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Februar 2016) und Antwort Unlautere Geschäfte mit der Unterbringung von Flüchtlingen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat der Inforadio-Bericht von Oliver Soos vom 10.02.2016 „Das Riesengeschäft mit den Flüchtlingswohnheimen“ bekannt? Wie bewertet er ihn? 2. Sind vom LAGeSo Maßnahmen gegen den Betreiber „Hostel/Pension HeuSa GmbH“ ergriffen worden? Wenn ja, welche und mit welchem Erfolg? 10. Stellt eine derartige gewerbsmäßige Unterbringung von Flüchtlingen eine Zweckentfremdung von Wohnraum im Sinne des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes dar? 11. Wenn nein, warum nicht? 12. Hält der Senat eine Verschärfung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes für notwendig? 13. Wenn nein, warum nicht? 14. Hält der Senat die Unterbringung von – wie im Bericht genannt – 6 Flüchtlingen in einer Wohnung für einen Tagessatz von 50,00 €/Person, was einer Monatsmiete von 9.000,00 € oder einer Quadratmetermiete von etwa 90,00 € entspräche für angemessen? Wenn ja, warum? 15. Von wem wird überprüft, ob es sich bei dem jeweiligen Anbieter tatsächlich um ein Hotel/Pension handelt , bzw. ob diese überhaupt eine Zulassung haben? Zu 1. und 2. sowie 10. bis 15.: Der in der Fragestellung zu 1. genannte Radiobericht ist dem Senat bekannt. Seit der Ausstrahlung durch den Rundfunk Berlin- Brandenburg (RBB) wurden die Zahlungen an die HeuSa GmbH gestoppt. Grundsätzlich stellt sich die gewerbliche Nutzung von Wohnraum zur Unterbringung von Asylbegehrenden bzw. Flüchtlingen als eine genehmigungspflichtige zweckfremde Nutzung von Wohnraum nach dem § 2 Abs. 1 Nr. 1 Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG) dar. Diese Form der gewerblichen Wohnraumnutzung muss vorab vom zuständigen Bezirksamt genehmigt werden . Die Entscheidung zur Genehmigung dieser Wohnraumnutzung trifft das zuständige Bezirksamt im pflichtgemäßen Ermessen. Bei der Genehmigungsentscheidung muss das Bezirksamt eine Vorrangigkeitsprüfung durchführen. Dabei wird das öffentliche Interesse an der Wohnraumerhaltung mit dem öffentlichen Interesse an der Flüchtlingsunterbringung unter verhältnismäßiger Würdigung sämtlicher Aspekte abgewogen. Das Ergebnis dieser Abwägung kann eine Genehmigungserteilung oder Genehmigungsversagung sein. Das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz bietet insofern Handlungsmöglichkeiten, gegen die gewerbliche Wohnraumnutzung vorzugehen. Daher lässt sich derzeit durch die im Inforadio-Beitrag vom 10.02.2016 geschilderte gewerbliche Wohnraumnutzung kein Änderungsbedarf zur Verschärfung des Zweckentfremdungsverbot- Gesetzes ableiten. Im Übrigen bekundet der Senat ausdrücklich allen Berlinerinnen und Berlinern seinen Dank, die bereit sind, ihr Wohneigentum Flüchtlingen ganz oder teilweise zu den marktüblichen Konditionen und unter Beachtung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen zu überlassen. Gleichzeitig lehnt er jede Form der unangemessenen Bereicherung im Zusammenhang mit der Aufnahme von Asylsuchenden und Flüchtlingen, bei der die erbrachte Leistung in keinem angemessenen Verhältnis zu der aus öffentlichen Kassen finanzierten Gegenleistung steht, entschieden ab. Nach Überzeugung des Senats ist eine in diesem Sinne ausschließlich von einseitigem Gewinnstreben bestimmte Handlungsmaxime dem sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft abträglich und mit dem zu den maßgebenden Prinzipien der bundesdeutschen Rechtsordnung gehörenden Grundsatz der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht vereinbar. Bei Bekanntwerden von Missständen in Wohnungen und Gewerberäumen werden seit dem Sommer 2015 Begehungen durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) unter Einbeziehung u. a. der Bezirksämter , des Polizeiabschnitts und des Landeskriminalamts durchgeführt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 076 2 Um einer missbräuchlichen Nutzung privater oder gewerblicher Immobilien - insbesondere im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung - noch stringenter entgegen zu wirken, wurde eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Senatsverwaltungen für Gesundheit und Soziales sowie für Stadtentwicklung und Umwelt, des LAGeSo, des landesweiten Koordinierungsstabs Flüchtlingsmanagement (LKF) und des Bezirksamts Mitte von Berlin eingerichtet mit dem Ziel, zukünftig eine widerrechtliche und missbräuchliche Nutzung von (sowohl privaten wie gewerblichen) Immobilien im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung zuverlässig ausschließen zu können. Nach derzeitigem Sachstand ist hierfür beabsichtigt, ein Verfahren zur Identifizierung jener Objekte (außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften) zu entwickeln, welche über die rechtlichen und faktischen Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte Unterbringung verfügen. Eine Übersicht dieser Objekte mit relevanten Angaben soll allen für die Unterbringung von Flüchtlingen und wohnungslosen Menschen zuständigen Leistungsbehörden zugänglich gemacht und so Kostenübernahmen für unzulässige und/oder ungeeignete Objekte von vornherein vermieden werden. Dieses Vorhaben war auch Gegenstand der Erörterungen bei der Sitzung der Bezirksstadträtinnen und - stadträte für Soziales am 09.03.2016. Zudem hat der Senat wiederholt – zuletzt in seiner Antwort vom 03.11.2015 auf die Fragen 1 bis 3 der Schriftlichen Anfrage Nr. 17/17217 vom 19.10.2015 – klargestellt, dass er die Einquartierung von Asylbegehrenden in Hostels oder ähnlichen Beherbergungsbetrieben lediglich als ein Instrument für Notfälle erachtet, um auch bei fehlenden Plätzen in Aufnahmeeinrichtungen den Eintritt von Obdachlosigkeit zu vermeiden. Nicht zuletzt durch den zügigen Kapazitätsausbau in Gemeinschaftsunterkünften sowie die Errichtung modularer Unterkünfte für Flüchtlinge und weiterer Wohncontainerdörfer wird angestrebt, schnellstmöglich auf derartige provisorische Unterbringungsoptionen verzichten zu können, so dass damit auch einem spekulativen Missbrauch bei der Bereitstellung von Wohnimmobilien für die Flüchtlingsunterbringung im Sinne der Fragestellung zu 14. der Boden entzogen wird 3. Wie viele Flüchtlinge werden aktuell vom Senat in Beherbergungsbetrieben untergebracht? Wie viele Kostenübernahmescheine für die Unterbringung von Flüchtlingen in Pensionen und Hotels wurden durch das LA- GeSO bisher ausgestellt? Zu 3.: Zum letzten Erhebungsstichtag 08.03.2015 waren 453 Personen in Hostels oder ähnlichen Beherbergungsbetrieben untergebracht. 4. Wie hoch ist der jeweilige Kostensatz, der je Übernachtung vom LAGeSO übernommen wird? 5. Sind die im Inforadio benannten 50,00 € der Standard ? 6. Was ist in dem Satz neben der bloßen Unterbringung mit enthalten? Zu 4. bis 6.: Bis einschließlich Februar 2016 wurden Kosten in Höhe von 12,50 Euro bis 50 Euro pro Person und Nacht von Betreiberinnen und Betreibern in Rechnung gestellt. Der durchschnittliche Satz einer Kostenübernahme lag bei 37,50 Euro. Im Vorfeld einer ordnungsgemäßen und mit den Bezirken abgestimmten Regelung werden seit März 2016 nur noch Kostenübernahmebescheinigungen mit einem Maximalwert von 30,00 Euro pro Person und Nacht ausgegeben. Diese Kostenübernahme beinhaltet nur die Unterbringung pro Nacht und Person. 7. Welche Standards müssen die Betreiber einhalten und wer überprüft die Einhaltung dieser Standards? Zu 7.: Unter der Internetadresse: http://www.berlin.de/lageso/soziales/asylaussiedler /berlinerunterbringungsleitstelle /informationen-zu-betreiber-undimmobilienangeboten wurden vom LAGeSo Qualitätsanforderungen veröffentlicht , die als Orientierung für Angebote für Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte gelten. Die Einhaltung dieser Anforderungen wird von verschiedenen Stellen im LAGeSo geprüft, u.a. von der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) und der für Qualitätssicherung für Flüchtlingsunterkünfte zuständigen Arbeitsgruppe . Die Überprüfungen finden vor der ersten Nutzung statt und auch wiederholt im laufenden Betrieb sowohl regelmäßig, als auch anlassbezogen. Bei diesen Vorgaben handelt es sich um Richtwerte, von denen nach Maßgabe der Besonderheiten des Einzelfalls - etwa auf Grund baulicher Gegebenheiten - in Abstimmung mit der BUL abgewichen werden kann. Dies gilt insbesondere für notbelegte Gemeinschaftsunterkünfte , welche vorrangig der Vermeidung von Obdachlosigkeit und der damit einhergehenden Gefahren für Leib und Leben dienen. Doch auch in diesen Fällen erfolgt eine kontinuierliche Prüfung mit dem Ziel einer Verbesserung der Unterbringungsbedingungen vor Ort. Insoweit wird ergänzend auf die Antwort des Senats vom 26.02.2016 auf die Schriftliche Anfrage Nr. 17/17941 vom 05.02.2016 verwiesen . 8. Wie viele Fälle der Unterbringung von Flüchtlingen in vorgeblichen Hotels/Pensionen sind dem Senat bekannt? Zu 8.: Dem LAGeSo und der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 9. Ist die Unterbringung auf Basis des unter 2. genannten Kostenübernahmescheins in regulären Wohnungen oder Gewerberäumen möglich? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 076 3 Zu 9.: Eine Unterbringung mit einer Kostenübernahmebescheinigung in einer regulären (privat genutzten) Wohnung ist nicht möglich. 16. An wen können sich BürgerInnen wenden, denen eine unzulässige Unterbringung bekannt wird? 17. Wie viele Anzeigen hat es diesbezüglich bislang bereits gegeben? Zu 16. und 17.: Der Senat geht davon aus, dass die Fragestellung zu 17. nicht auf Strafanzeigen abzielt, sondern auf Meldungen über eine vermeintlich unzulässige Flüchtlingsunterbringung. Derartige Meldungen können an das LAGeSo gerichtet werden, sofern es um die Unterbringung von Asylbegehrenden geht. Nach den bisherigen Erfahrungen in der Verwaltungspraxis des LAGeSo handelt es sich in der Regel um anonyme Anrufe. Statistisch werden diese nicht erfasst. 18. Welche Sanktionen können gegen die Betreiber ergriffen werden? 20. Wie kann Berlin zuviel gezahlte Gelder von solchen Betreibern zurück verlangen? In wie vielen Fällen ist dies bereits geschehen? Zu 18. und 20.: Es ist insoweit zu unterscheiden zwischen Sanktionen, die von der für die Flüchtlingsunterbringung zuständigen Stelle verhängt werden, und Sanktionen der Bezirksämter von Berlin, die für die Überwachung des Zweckentfremdungsverbots-gesetzes zuständig sind. Als Sanktionen des für die Unterbringung zuständigen LAGeSo kommen grundsätzlich Kürzungen, Nichtzahlung oder Rückforderungen übernommener Kosten in Betracht, die jeweils einer Einzelfallprüfung zu unterziehen sind. Überzahlte Beträge werden mit Folgerechnungen verrechnet. Sanktionsinstrumente in bezirklicher Zuständigkeit sind die Nutzungsuntersagung, die Räumung als auch die Erhebung von Bußgeldern. 19. Stellt das LAGeSo gegen solche Betreiber Anzeige wegen Betrugs oder strafbaren Wuchers? Zu 19.: Als einschlägige Straftatbestände im Zusammenhang mit (rechtswidrig genutzten) Ferienwohnungen kommen (Miet-)Wucher nach § 291 Strafgesetzbuch (StGB), Betrug nach § 263 StGB (bei Vortäuschung von zu einer höheren Miete führenden Voraussetzungen) sowie Urkundsdelikte nach §§ 267, 271 StGB in Betracht. Ferner kann bei Mietpreisüberhöhung eine Ordnungswidrigkeit nach § 5 Wirtschafts-strafgesetz (WiStG) vorliegen . Vom LAGeSo wurde bisher in einem Fall Strafanzeige erstattet. Berlin, den 15. März 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Mrz. 2016)