Drucksache 17 / 18 077 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 16. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Februar 2016) und Antwort Ausschreitungen beim Freundschaftsspiel des 1. FC Union Berlin gegen Austria Salzburg am 30.01.2016 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Polizeibeamte waren beim Freundschaftsspiel des 1. FC Union Berlin gegen Austria Salzburg am 30.01.2016 im Einsatz? Zu 1.: Vor, während und nach dem Spiel waren an dem Einsatz bedingt durch unterschiedliche Dienstzeiten insgesamt bis zu 300 Beamtinnen und Beamte aus der Direktion Einsatz, der Direktion 6, des Landeskriminalamtes und der Zentralen Serviceeinheit beteiligt. 2. Welche Erfahrungen hat die Polizei Berlin in Vergangenheit bei ihren Einsätzen zur Absicherung von Freundschaftsspielen des 1. FC Union Berlin gesammelt? Zu 2.: In den vergangen Jahren fanden mehrere Freundschaftsspiele mit unterschiedlichen Vereinen statt. Mit einer Ausnahme verliefen diese Spiele störungsfrei. 3. Wie hoch ist der durchschnittliche Einsatz von Polizeibeamten bei vergleichbaren Spielen des 1. FC Union Berlin? Zu 3.:Für jeden Einsatz führt die Polizei Berlin eine Beurteilung der Lage durch und legt danach fest, wie viele Polizeidienstkräfte zur erfolgreichen Einsatzbewältigung erforderlich sind. Dies gilt gleichermaßen für Fußballspiele des 1. Fußballclub (FC) Union Berlin und richtet sich nach vielfältigen Kriterien. Da dies für jeden Einsatz gesondert bewertet wird, ist eine pauschale Aussage zu Kräfteansätzen nicht möglich. 4. Gab es im Vorfeld oder im Laufe des Freundschaftsspiels eine hohe Gefahreneinschätzung der Polizei, welche ein subjektiv hohes Polizeiaufkommen rechtfertigte ? Zu 4.: Bei dem Freundschaftsspiel 1. FC Union Berlin gegen Sportverein (SV) Austria Salzburg waren neben den allgemein üblichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit im Stadion auch im Vorfeld umfangreiche Maßnahmen zur Trennung der Fanmärsche beider Fangruppen zu treffen. Nach dem Spiel waren keine Fanmärsche geplant, sodass die Kräfte, die zum Schutz und zur Begleitung der Fanmärsche eingesetzt waren, bereits während des Spiels aus dem Einsatz entlassen wurden. 5. Warum hätten am 30.01.2016 eine Absicherung der Fanmärsche und eine deeskalierende Präsenz der Berliner Polizei im Notfall nicht ausgereicht? Zu 5.: Grundsätzlich ist der Veranstalter bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen für die Sicherheit der Besuchenden verantwortlich. Der Weg zum Stadion jedoch liegt, ungeachtet der Form des Wegs (Fanmarsch, individuelle Anreise etc.), im Bereich polizeilicher Zuständigkeit . Wie unter 4. dargelegt, hat die Polizei Berlin eine Trennung der Fangruppen für erforderlich gehalten. Eine deeskalierende Präsenz allein wird in solchen Fällen dem gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr nicht gerecht. 6. Warum wurde auf dem Vereinsgelände eine Polizeikette gebildet? Zu 6.: Der Fanmarsch erreichte gegen 16 Uhr mit mehreren hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Stadion. Die Einsatzkräfte der Polizei Berlin gingen nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass die Anhängerinnen und Anhänger der Heimmannschaft über den Eingang am Waldweg ins Stadion gelangen würden und wurden von dem Einbiegen des Fanbusses und der Personengruppe in die Einfahrt zum Very Important Person (VIP) -Parkplatz überrascht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 077 2 In der für die Einsatzkräfte unerwartet veränderten Lage gingen diese davon aus, ein unberechtigtes Eindringen verhindern zu müssen. 7. War der Einsatzleitung bekannt, dass sich die "Bullen "-Schmähgesänge gegen den Sponsor von RB Leipzig und RB Salzburg („Red Bull“) gerichtet haben sollen bzw. wie wurden diese an diesem Tag durch die Polizei interpretiert? Zu 7.: Der Polizei Berlin ist die mögliche Interpretation der Schmähgesänge bekannt gewesen. Dies ist auch Gegenstand der derzeitigen kriminalpolizeilichen Ermittlungen . 8. Wie bewertet die Einsatzleitung den durchgeführten Polizeieinsatz beim Freundschaftsspiel des 1.FC Union Berlin gegen Austria Salzburg am 30.01.2016? Zu 8.: Die hohe Anzahl an Verletzten sowohl bei den Einsatzkräften der Polizei Berlin als auch den Fußballfans vor dem Spiel ist bedauerlich. Während und nach dem Spiel kam es nicht zu Zwischenfällen, sodass dieser Zeitraum als positiv bewertet wird. Die interne Nachbereitung durch die Polizei Berlin ist noch nicht abgeschlossen, daher sind weitere Aussagen hierzu derzeit nicht möglich. 9. Wie viele Personen wurden an diesem Tag festgenommen ? Und von wie vielen wurden die Personalien festgestellt? Zu 9.: Im Rahmen des Einsatzes wurden 17 Freiheitsbeschränkungen und eine Freiheitsentziehung durchgeführt . Personalien wurden bei allen 18 Personen festgestellt . 10. Ist bekannt, ob bei den Festnahmeversuchen Personen , auch unbeteiligte, verletzt wurden und wenn ja, wie viele? Zu 10.: Es wurden Personen im Rahmen von Festnahmen und Widerstandshandlungen verletzt. Insgesamt wurden 90 verletzte Personen, darunter 23 Dienstkräfte der Polizei Berlin, ein Ordner und 66 Stadionbesucherinnen beziehungsweise Stadionbesucher erfasst. Inwieweit sich Unbeteiligte darunter befanden, wird derzeit im Rahmen von Strafermittlungsverfahren geklärt. 11. Aus welchen Gründen kam es dazu, dass Menschen der Zugang zum Parkplatz (Haupteingang) verwehrt wurde, obwohl dieser den Zugang zum Heimbereich (Sektoren 1 und 2) darstellt? Zu 11.: Das übliche Zugangsverfahren für Zuschauer ergibt sich aus der Stadionordnung in Zusammenhang mit der Darstellung der Übersicht der Zugänge des 1. FC Union Berlin. Demnach ist der Zugang über den betreffenden Parkplatz nur für Zuschauerinnen und Zuschauer mit Eintrittskarte für die Haupttribüne, Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer sowie Kraftfahrzeuge mit Berechtigung vorgesehen. Dieses Verfahren wurde nach polizeilichem Kenntnisstand bisher auch so angewandt. Die vom Fanmarsch gewählte Strecke über den Parkplatz war von den Dienstkräften nicht vorherzusehen. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 12. Warum verwehrten Polizeibeamte am Eingang zum Parkplatz den Fans des 1. FC Union Berlin durch den Einsatz von Pfefferspray den Zugang zu auf dem Boden liegenden Personen? 13. Wurden in diesem Zusammenhang Polizeibeamte mit Flaschen und anderen Gegenständen beworfen? Zu 12. und 13.: Am Eingang zum Parkplatz des Vereinsgeländes kam es zu einer Konfrontation zwischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Fanmarsches und Einsatzkräften der Polizei Berlin. Die detaillierte Klärung des Sachverhalts und der Tatbeiträge von anwesenden Personen sind Bestandteil von aktuellen strafprozessualen Ermittlungen. 14. Für wie erfolgsversprechend schätzte die Einsatzleitung an diesem Tag eine Ansage an die Besucher via Lautsprecher oder Megafonanlage ein bzw. welche Gründe lagen dafür vor, dass diese Optionen nicht genutzt wurden? Zu 14.: Auf Grund der spontanen Entwicklung der Einsatzlage war der Einsatz von Handlautsprechern nicht möglich. 15. Wie viele der eingesetzten Beamten wurden an diesem Tag verletzt und mit welcher Schwere? Zu 15.: Es wurden 23 Dienstkräfte der Polizei Berlin verletzt. Neben Schmerzen im Bereich des Rumpfes und der Extremitäten kam es zu einem abgebrochenen Zahn, mehreren Blutergüssen sowie einer im Krankenhaus zu behandelnden Knieverletzung. 16. Wie schätzt die Berliner Polizei die Kommunikation mit dem 1. FC Union vor und nach dem besagten Spiel ein? Zu 16.: Die Polizei Berlin hat, gemeinsam mit dem 1. FC Union Berlin, die in der Presse thematisierten Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Fußballspiel vom 30. Januar 2016 im Stadion „An der Alten Försterei“ geklärt. Hierzu fand am 3. Februar 2016 ein Auswertungsgespräch mit der Vereinsleitung des 1. FC Union Berlin, den Beteiligten der Polizei und dem für Inneres zuständigen Staatssekretär statt. Als Ergebnis haben der 1. FC Union Berlin Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 077 3 und die Polizei Berlin am 5. Februar 2016 eine gemeinsame Presseerklärung veröffentlicht. Anhand der Auswertungen und der Gespräche mit den Vertretern des Vereins wurde festgestellt, dass die Kommunikation im Vorfeld kommender Spiele verbessert werden wird. Der Polizei Berlin ist daran gelegen, die bisherige, gute Kooperation mit dem 1. FC Union Berlin zu intensivieren , um zukünftig Missverständnisse bereits im Vorfeld kommunikativ und miteinander zu lösen. 17. Wie kommt der Unterschied zwischen dem ersten Polizeibericht und der gemeinsam mit dem Verein veröffentlichten Erklärung zustande? Zu 17.: Die ursprüngliche Darstellung der Polizei Berlin erfolgte auf Grund der zu der Zeit aktuellen Lageeinschätzung , zu der nicht alle Informationen verfügbar waren. Im Nachhinein – vor allem im Zusammenwirken mit den Verantwortlichen des 1. FC Union Berlin – sind dann die Gesamtumstände bekannt geworden sind, die zur veränderten Bewertung führten. Umgehend nach Vorliegen der bekannten, umfassenden Informationen wurde die gemeinsame Presseerklärung veröffentlicht. 18. Wie schätzt die Berliner Polizei das Eskalationspotenzial aufgrund einer hohen bzw. erhöhten Zahl von Einsatzkräften bei Fußballspielen ein? Zu 18.: Die Zahl der Einsatzkräfte wird von der Polizei Berlin als nicht erfolgskritisch gesehen. Ein professionelles und somit auch deeskalierendes Verhalten der Dienstkräfte resultiert vielmehr aus der Art des Auftretens und der Kommunikationsbereitschaft. Diese zu stärken, ist ständige Bemühung von Aus- und Fortbildung der Dienstkräfte der Polizei Berlin. 19. Was plant die Polizei in Zukunft anders anzugehen im Bezug zu vergleichbaren Spielen? Zu 19.: Die strukturierte Einsatznachbereitung dauert derzeit noch an, daher können abschließende Ergebnisse noch nicht benannt werden. Jedoch kann bereits festgehalten werden, dass die Polizei Berlin bei vergleichbaren Fußballspielen einen noch umfassenderen Informationsaustausch mit dem Veranstalter als bisher anstrebt. Berlin, den 9. März 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Mrz. 2016)