Drucksache 17 / 18 079 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 16. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Februar 2016) und Antwort Organisierte Kriminalität in Berlin – Was können Jugend- und Familiengericht tun? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Verfahren gab es in den letzten fünf Jahren an den Jugendgerichten in Berlin? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 1.: Geschäftszahlen 2011 2012 2013 2014 2015 Amtsgericht Tiergarten Eingänge Jugendrichterinnen und Jugendrichter Jugendschöffengericht 9.744 2.364 7.067 1.896 7.511 2.102 7.978 1.834 9.407 1.985 Landgericht Berlin Eingänge Jugendkammer - I. Instanz - Große Jugendkammer - II. Instanz - Kleine Jugendkammer - II. Instanz - Große und Kleine Jugendkammer zusammen 179 242 123 365 141 193 94 287 197 214 96 310 128 191 93 284 119 153 86 239 2. Wie viele Verfahren hatten in dieser Zeit einen Bezug zur Organisierten Kriminalität? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 2.: Dem Senat ist nicht bekannt, wie viele der genannten Verfahren einen Bezug zur Organisierten Kriminalität hatten, weil dies statistisch nicht gesondert erfasst wird. 3. Wie viele Jugendliche und Heranwachsende wurden in den letzten fünf Jahren verurteilt? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 3.: Verurteilte Jugendliche Verurteilte Heranwachsende nach Jugendstrafrecht 2010 1.662 1.755 2011 1.475 1.634 2012 1.268 1.329 2013 1.108 1.239 2014 1.014 1.153 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 079 2 4. Welche Deliktsarten spielten in den letzten fünf Jahren eine relevante Rolle am Jugendgericht? (Aufstellung nach Jahren und Arten erbeten.) Zu 4.: In den Verfahren vor dem Jugendgericht kommen vor allem Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit , Diebstahl und Unterschlagung, Raub und Erpressung sowie Betrug und Untreue vor. Im Einzelnen: Nach Jugendstrafrecht Verurteilte 2010 2011 2012 2013 2014 §§ 223 bis 231 Strafgesetzbuch (StGB) Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit 836 780 731 563 489 §§ 242 bis 248 c StGB Diebstahl und Unterschlagung 872 769 738 662 629 §§ 249 bis 256 StGB Raub und Erpressung 367 378 331 365 352 §§ 263 bis 266 b StGB Betrug und Untreue 402 339 228 198 252 5. Welche Jugendstrafen wurden in den letzten fünf Jahren verhangen? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 5.: 2010 2011 2012 2013 2014 Verurteilte insgesamt (Erwachsene, Heranwachsende und Jugendliche) 44.194 45.746 35.892 38.119 41.970 nach Jugendstrafrecht davon zu Jugendstrafe ohne Bewährung Jugendstrafe mit Bewährung Zuchtmittel Erziehungsmaßregeln 3.417 252 343 2.050 772 3.109 251 296 1.865 697 2.597 252 300 1.504 541 2.347 208 269 1.392 478 2.167 215 230 1.199 523 darunter Heranwachsende nach Jugendstrafrecht davon zu Jugendstrafe ohne Bewährung Jugendstrafe mit Bewährung Zuchtmittel Erziehungsmaßregeln 1.755 172 210 1.002 371 1.634 171 173 939 351 1.329 177 173 723 256 1.239 146 170 689 234 1.153 155 136 594 268 6. Wie hoch war die Rückfallquote in den letzten fünf Jahren unter Jugendlichen? Zu 6.: Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat eine bundesweite Untersuchung zur Rückfallquote in Auftrag gegeben. Dabei wird in drei Erfassungswellen die Rückfallquote bezogen auf die Jahre 2004, 2007 und 2010 untersucht. Für den Bereich des Jugendstrafrechts lassen sich die dabei gewonnenen Erkenntnisse bezogen auf den Zeitraum 2004 bis 2010 wie folgt zusammenfassen: Rückfallraten der Bundesländer Gesamt Minimale Rückfallrate Berlin Bundesdurchschnitt Maximale Rückfallrate Sanktionsart der Bezugsent - scheidung Jugendstrafe ohne Bewährung 5.689 71 % 80 % 80 % 92 % Jugendstrafe mit Bewährung 14.671 68 % 76 % 75 % 84 % Jugendarrest 17.025 72 % 77 % 75 % 83 % Sonstige Sanktionen nach Jugendgerichtsgesetz (JGG) 67.912 59 % 70 % 63 % 76 % Einstellung nach §§ 45, 47 JGG 262.803 43 % 50 % 46 % 59 % Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 079 3 Die Rückfallquoten weisen im Übrigen erhebliche Unterschiede je nach Deliktsarten, Alter und Geschlecht der Täterinnen und Täter auf. Die zitierte Studie ist im Internet auf der Seite des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz allgemein zugänglich: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Le galbewaehrung _strafrechtliche_Sanktionen_Kurzbroschuere.pdf?__ blob=publicationFile&v=7 Eine Untersuchung zur Rückfallquote bei Jugendlichen für die Jahre 2011 bis 2016 gibt es für Berlin nicht. 7. Kommt dem Jugendgericht auch eine präventive Rolle zu und wie kann diese aussehen? Zu 7.: Die Aufgabe und Rolle des Jugendgerichts gerade in präventiver Weise folgt aus der Zielsetzung des § 2 Abs. 1 JGG: „Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um diese Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.“ 8. Welche Aufgabe hat das Familiengericht in Berlin? Zu 8.: Die Abteilungen für Familiensachen der Amtsgerichte (Familiengerichte) sind gemäß § 23 b Abs. 1, § 23 a Abs. 1 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Verbindung mit § 111 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zuständig für alle dort aufgeführten Angelegenheiten, d.h. für Ehesachen, Kindschaftssachen , Abstammungssachen, Adoptionssachen, Ehewohnungs- und Haushaltssachen, Gewaltschutzsachen , Versorgungsausgleichssachen, Unterhaltssachen, Güterrechtssachen, sonstige Familiensachen, Lebenspartnerschaftssachen . Auf informeller Ebene bestehen interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitskreise, um eine zuverlässige Vernetzung der am familiengerichtlichen Verfahren Beteiligten zu erreichen. Diese sind mit Umsetzungsfragen, Klärung der jeweiligen Arbeitsmöglichkeiten und konzeptionellen Überlegungen befasst. 9. Wie viele Verfahren gab es in den letzten fünf Jahren am Familiengericht in Berlin? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 9.: Verfahrenseingänge in Familiensachen 2011 2012 2013 2014 2015 Familiengerichte insgesamt 35.314 35.000 35.223 30.127 28.838 10. Wie viele Verfahren hatten in dieser Zeit einen Bezug zur Organisierten Kriminalität? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) 11. Welche Deliktsarten spielten in den letzten fünf Jahren eine relevante Rolle am Familiengericht? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) 12. Welche Strafen wurden in den letzten fünf Jahren gegen Erziehungsberechtigte verhängt? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 10. bis 12.: Da von der Verweisungsmöglichkeit des § 53 JGG praktisch kein Gebrauch gemacht wird, werden vor den Familiengerichten keine Strafsachen verhandelt und keine Strafen verhängt. Relevante Verfahrensgegenstände bei den Familiengerichten der letzten Jahre waren vor allem Scheidungen, Versorgungsausgleich , elterliche Sorge und Umgangsrecht. Ein unmittelbarer Bezug von familiengerichtlichen Verfahren zu Fällen Organisierter Kriminalität besteht daher nicht. 13. Wurden in dieser Zeit Familienrichterinnen oder - richter direkt oder indirekt bedroht? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 13.: Dem Senat sind aus den letzten Jahren keine Fälle bekannt, in denen Familienrichterinnen und Familienrichter bedroht worden wären. Berlin, den 14. März 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Mrz. 2016)