Drucksache 17 / 18 081 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 16. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Februar 2016) und Antwort Organisierte Kriminalität in Berlin – Dolmetscherinnen und Dolmetscher für das Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind derzeit für das Land Berlin aktiv? (Aufstellung nach Ressorts erbeten.) Zu 1.: Im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz werden grundsätzlich die für die Berliner Gerichte und Notare allgemein beeidigten Dolmetscherinnen und Dolmetscher bzw. ermächtigten Übersetzerinnen und Übersetzer eingesetzt, die in einem vom Präsidenten des Landgerichts Berlin geführten Verzeichnis erfasst sind. Zum Stichtag 6. März 2016 waren insgesamt 1330 Personen als Dolmetscherinnen und Dolmetscher allgemein beeidigt und 1706 Personen als Übersetzerinnen und Übersetzer ermächtigt. Im Ressort der Senatsverwaltung für Finanzen sind im Jahr 2016 bislang durch zwei Finanzämter die Leistungen von zwei Dolmetscherinnen bzw. Dolmetschern in Anspruch genommen worden. Im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Inneres und Sport wird beim Landeskriminalamt (LKA) Berlin das „Verzeichnis der zuverlässigkeitsüberprüften und beeidigten Dolmetscherinnen und Dolmetscher“ geführt. Es enthält 563 Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die für einen ständigen Einsatz zur Verfügung stehen. Aus dieser Liste sind in der Regel Dolmetscherinnen und Dolmetscher für einen Einsatz bei der Polizei Berlin zu beauftragen. Darüber hinaus existieren derzeit, Stand 3. März 2016, im Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) schriftliche Vereinbarungen mit 24 Personen, Dolmetscherinnen und Dolmetschern, die sprachmittelnd ausschließlich für die Ausländerbehörde (Abt. IV des LABO) im Rahmen von Honorarverträgen tätig werden. Am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LA- GeSo) werden derzeit ca. 350 Sprachmittlerinnen und Sprachmittler eingesetzt. Die Sprachmittlerinnen und Sprachmittler sind keine ausgebildeten, zertifizierten oder beeidigten Dolmetscherinnen und Dolmetscher. 2. In welchen Situationen sind Dolmetscherinnen und Dolmetscher tätig? Zu 2.: Nach § 185 Absatz 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) ist ein Dolmetscher in Gerichtsverfahren zuzuziehen, wenn unter Beteiligung von Personen verhandelt wird, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Dolmetscherinnen und Dolmetscher werden in mündlichen Verhandlungen aller Gerichtszweige eingesetzt . Besonders häufig sind Dolmetscherinnen und Dolmetscher in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten notwendig. Bei den Berliner Staatsanwaltschaften werden Dolmetscherinnen und Dolmetscher über die in §§ 185 bis 187 GVG geregelten Fälle hinaus auch für die Übersetzung von Beweismitteln (Schriftstücke, Telekommunikationsüberwachung ), bei Rechtshilfeersuchen und der Postkontrolle von ausländischen Untersuchungshäftlingen eingesetzt. Im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Finanzen waren die unter Frage 1. erwähnten Inanspruchnahmen in Steuerverfahren erforderlich, um in anderen Sprachen verfasste Schreiben in die deutsche Sprache zu übersetzen . Bei der Polizei Berlin werden Dolmetscherinnen und Dolmetscher vornehmlich bei Vernehmungen und Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen (TKÜ) eingesetzt . Die Leistungen der Dolmetscherinnen und Dolmetscher im LABO erfolgen im Rahmen von Kundenvorsprachen . Im LAGeSo werden die Sprachmittlerinnen und Sprachmittler eingesetzt, um eine Verständigung der Asylbegehrenden mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu ermöglichen. Zudem unterstützen sie Antragstellerinnen und Antragsteller beim Ausfüllen von Formularen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 081 2 3. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, um Dolmetscherin oder Dolmetscher zu werden? Zu 3.: Für die Berliner Gerichte sowie Notarinnen und Notare wird nach § 19 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes (AGGVG Bln) als Dolmetscherin oder Dolmetscher im Sinne der §§ 185 und 186 GVG auf Antrag allgemein beeidigt, wer a) im Inland eine Prüfung als Dolmetscherin oder Dolmetscher eines staatlichen Prüfungsamts oder einer Hochschule oder b) im Ausland eine von einer deutschen staatlichen Stelle als gleichwertig anerkannte Dolmetscherprüfung bestanden hat. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller eine praktische Tätigkeit als Dolmetscherin oder Dolmetscher nachweist und die erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit besitzt. Für eine Aufnahme in das „Verzeichnis der zuverlässigkeitsüberprüften und beeidigten Dolmetscherinnen und Dolmetscher“ bei dem LKA müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: - Nachweis der gerichtlichen Allgemeinbeeidigung für die jeweilige Sprache als Dolmetscherin bzw. Dolmetscher; - örtliche Nähe zu Berlin für schnelle Erreichbarkeit und kurzen Anfahrtsweg (Kostenersparnis); - erfolgreiche Zuverlässigkeitsüberprüfung mit Zustimmung der Dolmetscherin/ des Dolmetschers. Vor Abschluss eines Honorarvertrages im LABO müssen Qualifikationsnachweise und ein Führungszeugnis erbracht werden. Sprachmittlerinnen und Sprachmittler am LAGeSo müssen die deutsche Sprache und eine weitere Sprache mindestens mündlich beherrschen. 4. Warum ist eine Vereidigung für Dolmetscherinnen und Dolmetscher wichtig? Zu 4.: Die Beeidigung der Dolmetscherinnen und Dolmetscher ist in § 189 Absatz 1 GVG für den Einsatz in Gerichtsverfahren vorgeschrieben. Ausnahmen gelten nach § 189 Absatz 3 GVG für Verhandlungen in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit . Die Eidesleistung unterstreicht die Bedeutung des Dolmetschens für die korrekte und wahrheitsgemäße Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten vor Gericht. 5. Wie viele nicht verteidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher werden derzeit in Berlin eingesetzt? Zu 5.: In Gerichtsverfahren werden, mit den unter 4. genannten Einschränkungen, beeidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher eingesetzt. Wenn eine geladene Dolmetscherin oder ein geladener Dolmetscher nicht allgemein vereidigt ist, hat eine Vereidigung grundsätzlich vor dem Einsatz in der Verhandlung zu erfolgen. Eine statistische Erhebung zum Einsatz von nicht vereidigten Dolmetscherinnen und Dolmetschern bei der Polizei erfolgt nicht. Die im LABO eingesetzten Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie die Sprachmittlerinnen und Sprachmittler im LAGeSo sind nicht vereidigt. 6. Geben die nicht vereidigten Dolmetscherinnen und Dolmetscher ihre Informationen an Behörden und Betreiber von Flüchtlingsunterkünften weiter? Zu 6.: Die Betreffenden würden gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen verletzen, wenn sie Informationen über den Inhalt der Gespräche weitergeben würden. Solche Pflichtverletzungen sind dem Senat aktuell nicht bekannt. 7. Wie werden Dolmetscherinnen und Dolmetscher sicherheitsüberprüft ? Zu 7.: Eine Sicherheitsüberprüfung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern für Gerichtsverfahren ist gesetzlich nicht vorgesehen. Weder das AGGVG Berlin, das GVG noch das Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (BSÜG) enthalten eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung . Vor der Allgemeinbeeidigung als Dolmetscherin oder Dolmetscher für die Berliner Gerichte sowie Notarinnen und Notare wird aber nach § 19 Absatz 10 AGGVG in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Nr. 4 der Verordnung zur Regelung der Allgemeinbeeidigung von Dolmetschern und Ermächtigung von Übersetzern vom 27.01.2010 (GVBl. 2010, 31) ein Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde nach § 30 Absatz 5 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) eingeholt. In einem konkreten Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren können Staatsanwaltschaft , Polizei und Gericht hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit von Dolmetscherinnen und Dolmetschern bei gegebenem Anlass die gleichen Überprüfungen wie bei Zeuginnen und Zeugen sowie Sachverständigen vornehmen. Vor dem Einsatz für die Polizei Berlin werden Dolmetscherinnen und Dolmetscher zuverlässigkeitsüberprüft . Die Prüfung hierzu wird nur nach einer Einwilligungserklärung durchgeführt. Sie beinhaltet die Feststellung , ob und ggf. welche strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Dolmetscherinnen und Dolmetscher geführt werden oder wurden, verbunden mit der Prüfung, inwieweit dies Relevanz bei der künftigen Hinzuziehung durch die Polizei Berlin haben kann. Weiterhin wird geprüft , ob sonstige Erkenntnisse in polizeilichen personenbezogenen Datensammlungen vorliegen, die einer Hinzuziehung für Tätigkeiten bei der Polizei Berlin, gleich welcher Art, entgegenstehen, weil sich durch sie Zuverlässigkeitsbedenken ergeben. Vor Abschluss eines Honorarvertrages im LABO müssen Qualifikationsnachweise und ein Führungszeugnis eingereicht werden. Sprachmittlerinnen und Sprachmittler, die am LA- GeSo tätig sind, müssen ein Führungszeugnis vorlegen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 081 3 8. Wird in Fällen, in denen Dolmetscherinnen und Dolmetscher nachweislich falsche Angaben gemacht haben, Hinweisen nachgegangen? Wenn ja, durch wen? Zu 8.: Wenn bekannt wird, dass eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher nachweislich falsche Übertragungen für die Berliner Gerichte, Notarinnen und Notare vorgenommen hat, bestehen erhebliche Bedenken hinsichtlich seiner Sachkunde. Sodann erfolgt die Prüfung, ob das Recht, sich auf die allgemeine Beeidigung zu berufen , vom Präsidenten des Landgerichts Berlin nach § 19 Absatz 7 Nr. 1 AGGVG widerrufen werden muss. Im Ressort der Senatsverwaltung für Inneres und Sport erfolgt bei Kenntnis eines derartigen Sachverhalts eine anlassbezogene Prüfung der Zuverlässigkeit durch die das polizeiinterne Verzeichnis führende Dienststelle des Landeskriminalamts (LKA). Im LABO würde solchen Hinweisen durch die Leitungsebene bzw. den Antikorruptionsbeauftragten nachgegangen werden. Das LAGeSo würde bei einem Verdacht auf strafbare Handlungen die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft informieren . 9. Kann ausgeschlossen werden, dass Personen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität direkt oder indirekt Kontakte zu Dolmetscherinnen oder Dolmetschern pflegen? Zu 9.: Es liegen dem Senat keine Hinweise auf solche Kontakte vor. 10. Kann ausgeschlossen werden, dass Dolmetscherinnen und Dolmetscher eingesetzt werden, welche aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität polizeilich bekannt sind? Zu 10.: Es liegen dem Senat hierauf keine entsprechenden Erkenntnisse vor. 11. Unterscheiden sich vereidigte und nicht vereidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher hinsichtlich ihrer Kosten? Zu 11.: Bei ihrer Entschädigung nach dem Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen , Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen , ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (JVEG) wird nicht zwischen vereidigten und nicht vereidigten Dolmetscherinnen und Dolmetschern unterschieden . Auch bei der Polizei, dem LABO und dem LAGeSo bestehen keine Unterschiede hinsichtlich der Kosten für vereidigte und nicht vereidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher. 12. Wie viele Dolmetscherinnen und Dolmetscher, welche in den letzten fünf Jahren für das Land Berlin tätig waren, wurden angeklagt und verurteilt? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 12.: Es ist dem Senat im Jahr 2015 ein Fall einer Anklage gegen eine Sprachmittlerin oder einen Sprachmittler bekannt geworden, der oder die am LAGeSo tätig war. Ansonsten gilt: Die Berufe von Beschuldigten bzw. Verurteilten werden grundsätzlich nicht erfasst. Berlin, den 11. März 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Mrz. 2016)