Drucksache 17 / 18 086 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling und Benedikt Lux (GRÜNE) vom 24. Februar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Februar 2016) und Antwort Berlin gegen Tierquälerei – Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach dem Tierschutzgesetz II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Verstöße gegen das Tierschutzgesetz wurden seit dem Jahr 2012 in den zuständigen Umweltämtern , bzw. bei der Polizei angezeigt? Bitte nach Jahren getrennt aufschlüsseln. 3. Wie hoch sind jeweils die Aufklärungsquote, die Einstellungsquote und die Verurteilungsquote für diese Straftaten? Zu 1. und 3.: Verstöße gegen das Tierschutzgesetz gemäß Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) Berlin (Schlüssel 743020) Jahr erfasste Fälle Aufklärungsquote 2012 329 59,3% 2013 338 51,8% 2014 309 56,0% 2015 321 48,6% Die in der Tabelle ausgewiesene Anzahl der erfassten Fälle ist jeweils höher als die Summe der auf den Polizeiabschnitten und im Landeskriminalamt (LKA) 336 (bzw. vor Organisationsveränderung bei LKA 231) bearbeiteten Fälle (Fragen 2 a) und 2 b)), weil in Ausnahmefällen auch andere Polizeidienststellen Straftaten gegen das Tierschutzgesetz bearbeiten. 2. Wie viele Vergehen entsprachen a) nicht gewerblichen Straftaten, die von den Polizeiabschnitten bearbeitet wurden, b) gewerblichen Straftaten vom LKA (hier 231) und mit welchem personellen Ansatz wurden diese bearbeitet (Bitte nach Ortsteilen/Bezirken, hilfsweise Direktionen, auflisten)? c) Ordnungswidrigkeiten, die von den Bezirken bearbeitet wurden und welcher personelle Ansatz stand hier zur Verfügung (Bitte nach Bezirken auflisten)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 086 2 Zu 2.: a) Erfasste Fälle "Tierschutzgesetz" (Schlüssel 743020) nach Bearbeitungsabschnitt gemäß PKS Berlin 2012 2013 2014 2015 A 11 6 10 21 16 A 12 23 26 23 22 A 13 16 14 7 12 A 14 5 17 16 22 A 15 1 3 2 3 A 16 6 4 2 6 A 21 14 10 16 17 A 22 3 5 8 10 A 23 7 17 11 10 A 24 10 11 9 10 A 25 2 6 6 4 A 26 1 4 2 4 A 27 5 - - - A 31 2 3 2 1 A 32 3 5 1 3 A 33 6 8 1 4 A 34 2 1 2 5 A 35 8 9 5 5 A 36 16 6 3 10 A 41 0 4 0 2 A 42 5 4 2 3 A 43 6 13 5 9 A 44 6 5 7 5 A 45 11 4 1 6 A 46 7 7 7 4 A 47 6 10 5 4 A 51 7 6 6 8 A 52 3 6 3 3 A 53 8 1 5 2 A 54 9 12 6 6 A 55 8 4 6 10 A 56 9 6 16 10 A 61 6 7 6 8 A 62 10 8 3 12 A 63 14 16 17 10 A 64 17 11 20 13 A 65 20 14 10 15 A 66 10 10 12 5 Abschnitte insgesamt 298 307 274 299 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 086 3 b) Bei LKA 336 (bzw. vor Organisationsveränderung bei LKA 231) bearbeitete Fälle „Tierschutzgesetz“ (Schlüssel 743020) nach Tatort-Direktion gemäß PKS Berlin 2012 2013 2014 2015 Direktion 1 0 1 5 2 Direktion 2 6 2 3 0 Direktion 3 2 2 4 4 Direktion 4 2 0 0 2 Direktion 5 2 4 5 1 Direktion 6 1 6 4 0 nicht zuzuordnen 2 1 6 2 Insgesamt 15 16 27 11 Die Bearbeitung dieser Vorgänge erfolgt durch bis zu zwei Bedienstete, zu deren Aufgabenbereich jedoch auch Delikte der schweren Umwelt-, der Nuklear- und der Artenschutzkriminalität gehören. c) Ordnungswidrigkeiten wegen des Verstoßes gegen tierschutzrechtliche Vorschriften 2012 Bezirke Anzahl eingeleiteter Bußgeldverfahren Anzahl der Bußgeldbescheide Anzahl der Verwarnungen mit/ohne Verwarnungsgeld GESAMT Mitte 14 4 7 25 Friedrichshain-Kreuzberg 59 2 8 69 Pankow 13 5 1 19 Charlottenburg-Wilmersdorf 1 0 0 1 Spandau 25 22 3 50 Steglitz-Zehlendorf 4 2 2 8 Tempelhof-Schöneberg 0 0 0 0 Neukölln 9 6 65 80 Treptow-Köpenick 37 15 81 133 Marzahn-Hellersdorf 8 3 4 15 Lichtenberg 22 2 28 52 Reinickendorf 5 9 0 14 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 086 4 2013 Bezirke Anzahl eingeleiteter Bußgeldverfahren Anzahl der Bußgeldbescheide Anzahl der Verwarnungen mit/ohne Verwarnungsgeld GESAMT Mitte 17 15 6 38 Friedrichshain-Kreuzberg 35 0 0 35 Pankow 22 13 0 35 Charlottenburg-Wilmersdorf 3 2 0 5 Spandau 27 24 0 51 Steglitz-Zehlendorf 3 3 0 6 Tempelhof-Schöneberg 0 0 3 3 Neukölln 7 4 63 74 Treptow-Köpenick 27 23 0 50 Marzahn-Hellersdorf 9 6 2 17 Lichtenberg 44 8 7 59 Reinickendorf 5 5 0 10 2014 Bezirke Anzahl eingeleiteter Bußgeldverfahren Anzahl der Bußgeldbescheide Anzahl der Verwarnungen mit/ohne Verwarnungsgeld GESAMT Mitte 23 19 0 42 Friedrichshain-Kreuzberg 39 4 12 55 Pankow 7 7 0 14 Charlottenburg-Wilmersdorf 2 0 0 2 Spandau 29 22 0 51 Steglitz-Zehlendorf 3 2 0 5 Tempelhof-Schöneberg 0 0 0 0 Neukölln 5 3 39 47 Treptow-Köpenick 5 4 0 9 Marzahn-Hellersdorf 8 8 14 30 Lichtenberg 8 7 0 15 Reinickendorf 2 3 0 5 Die Benennung der genauen Anzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die bei den Bezirken für die Bearbeitung der Ordnungswidrigkeitenverfahren zuständig sind, ist nicht möglich, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeweils nicht ausschließlich für die Bearbeitung dieser Verfahren zuständig sind, sondern Mischdezernate bearbeiten. 4. Wie haben sich die Zahlen der mit der Bearbeitung dieser Straftaten befassten MitarbeiterInnen, die Verwaltungs - und Vollzugspraxis und die Rechtsprechung seit der Einführung des Tierschutzes ins Grundgesetz verändert ? Zu 4.: Die Aufnahme des Tierschutzes in Artikel 20a Grundgesetz (GG) war für die Strafverfolgung wegen des in Artikel 103 Abs. 2 GG verankerten Bestimmtheitsgebotes von geringerer Bedeutung, da Grundlage einer strafrechtlichen Verfolgung nur der Wortlaut bestehender Strafgesetze ist. Die Einführung von Artikel 20a GG hatte daher keine Auswirkung auf die Anzahl der mit der Verfolgung strafbarer Verstöße gegen das Tierschutzgesetz befassten Dezernentinnen und Dezernenten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 086 5 5. Wie bewertet der Senat, dass nach Angaben des Johann Heinrich von Thünen-Instituts als Ursachen für sich lange hinziehende Verfahren, für die Einstellung von Verfahren und für die geringen Strafmaße, die geringen Fachkenntnisse der beteiligten Staatsanwälte sowie geringes Engagement und Interesse am Tierschutz und deren schlechte personelle Ausstattung genannt werden? Zu 5.: Die vom Johann Heinrich von Thünen-Institut befragten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gaben als Gründe für eine Einstellung an erster Stelle Mängel in den Unterlagen der Veterinärämter und juristische Gründe (vor allem: kein hinreichender Tatverdacht, Vorsatz nicht beweisbar) an. Soweit daneben allgemein darauf verwiesen wird, dass die Qualität der Bearbeitung von Fällen auch im Zusammenhang mit der persönlichen Arbeitsbelastung und dem Interesse für den Gegenstand der Arbeit steht, hat der Senat keine Anhaltspunkte, die darauf hindeuten , dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz von den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in Berlin auf Grund von Arbeitsüberlastung oder fehlendem Interesse nicht ordnungsgemäß bearbeitet würden. Im Jahr 2013 wurden am Amtsgericht Tiergarten aufgrund einer Eingabe des Landesamtes für Gesundheit und Soziales die dort verhandelten Verfahren in Bußgeldsachen wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz analysiert. Die Behauptung, solche Verfahren würden vor dem Amtsgericht Tiergarten nicht angemessen gewürdigt oder regelmäßig eingestellt, konnte dabei nicht bestätigt werden. Vielmehr ergab die Analyse, dass die Einstellungsquote deutlich niedriger ist als im Durchschnitt. Im Übrigen wurden die Verfahren durch eine Verurteilung der Betroffenen oder einer durch das Gericht initiierten Rücknahme des Einspruchs beendet. Zu Fragen des Tierschutzrechts hat im Jahr 2015 außerdem eine Fortbildungsveranstaltung an der Deutschen Richterakademie stattgefunden. 6. Wie bewertet der Senat die Schlussfolgerung des Johann Heinrich von Thünen-Instituts, dass der Informationsaustausch zwischen Veterinärämtern und Justiz verstärkt werden sollte und eine Konzentration der Tierschutzstraffälle auf einzelne Staatsanwaltschaften und Richter stattfinden sollte, damit dort Kompetenzen über die Bedürfnisse und das Schmerzempfinden von Tieren und anderes fachspezifisches Wissen aufgebaut werden kann? Zu 6.: Der Senat begrüßt einen Informationsaustausch zwischen den Veterinärämtern und der Justiz. Der Informationsaustausch wird praktisch dadurch realisiert, dass in den Verfahren vor den Strafgerichten regelmäßig Vertreterinnen und Vertreter der Behörden geladen werden, die den Sachverhalt angezeigt haben. Der Senat hält eine Konzentration der Verfahren auf Grund von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz bei der Staatsanwaltschaft Berlin derzeit nicht für geboten. Denn dem Senat sind keine besonderen Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der genannten Verfahren durch die Strafverfolgungsbehörden bekannt. Zudem handelt es sich um vergleichsweise geringe Fallzahlen. Eine Konzentration von Verfahren wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz bei bestimmten Richterinnen und Richtern obliegt nicht dem Senat. Vielmehr treffen die Präsidien der Gerichte die Entscheidung über die Verteilung der Geschäfte nach § 21e Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in richterlicher Unabhängigkeit. Berlin, den 11. März 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Mrz. 2016)