Drucksache 17 / 18 134 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Fabio Reinhardt und Susanne Graf (PIRATEN) vom 01. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. März 2016) und Antwort Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Berlin (VIII) – Voraussetzungen für eine kontinuierliche Jugendhilfe schaffen – Umzüge vermeiden Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie und wo ist die Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) innerhalb Berlins geregelt? a) Welche Verfahren finden Anwendung? 2. Um eine kontinuierliche und stabile Beziehungsarbeit in der Jugendhilfe mit UMF im Bezirk zu ermöglichen , bedarf es des Willens des Bezirks und des Senats, die UMF, die im Bezirk leben auch im Bezirk zu behalten . Was kann aus der Sicht des Senats unternommen werden, um bezirksübergreifende Umzüge von einer Erstaufnahmestelle in eine Clearingstelle und anschließend in eine stationäre Unterkunft zu reduzieren? Zu 1. und 2.: Die Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge innerhalb Berlins erfolgt gemäß den Ausführungsvorschriften über die Gewährung von Jugendhilfe für alleinstehende minderjährige Ausländer (AV-JAMA). Die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit eines Jugendamtes durch die für Jugend zuständige Senatsverwaltung, d.h. die Grundlage für die bezirkliche Zuweisung, erfolgt nach Nummer 3 Absatz 4 des aus der Anlage 2 der AV-JAMA ersichtlichen Quotenschlüssels. Bezirksübergreifende Umzüge von der Erstaufnahmeund den Clearingstellen sind nicht zu vermeiden, da sowohl die Standorte für die temporären Unterbringungseinrichtungen als auch die Plätze für Anschlusshilfen in Einrichtungen der Jugendhilfe berlinweit verteilt sind. Die Zuständigkeit eines Berliner Jugendamtes bedeutet nicht automatisch, dass die weitere Unterbringung in diesem Bezirk erfolgt. Diese richtet sich vielmehr nach dem individuellen Hilfebedarf des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings und der Maßgabe entsprechender Platzkapazitäten in den dafür geeigneten Einrichtungen der Jugendhilfe . Im Rahmen der konkreten Fallübergabe an das bezirkliche Jugendamt, wird - soweit dies möglich ist - auch der Aspekt einer in der Zwischenzeit gewachsenen sozialräumlichen Anbindung mit berücksichtigt. 3. Welche Rechte haben UMF bezüglich des Standorts ihrer Unterbringung? a) Wie können sich UMF derzeit gegen ungewollte Umzüge wehren? b) Haben UMF die Möglichkeit, eine gemeinsame Unterbringung mit Geschwistern und Freunden anzumelden? Wenn ja, wo ist dies geregelt? Wenn nein, warum nicht? Zu 3.: Im Rahmen der Erstaufnahme und Versorgung gibt es keine freie Platzwahl. Maßgeblich hierbei sind zur Vermeidung von Obdachlosigkeit die Platzkapazitäten und der individuelle Hilfebedarf z.B. wegen einer Schwangerschaft oder des besonderen Schutzbedarfes für Kinder. Geschwister oder Verwandte werden gemeinsam untergebracht. Gleiches gilt – nach Maßgabe ausreichend freier Plätze – für die gemeinsame Unterbringung mit Freunden oder im Fluchtverbund, soweit dies dem Kindeswohl entspricht. Da die Verträge für einige Standorte für temporäre Unterbringungseinrichtungen auslaufen, finden derzeit Umzüge an neue Standorte statt bzw. sind in Vorbereitung . Die Betreuten an diesen Standorten werden rechtzeitig informiert und entsprechend vorbereitet. Die Betreuung an den neuen Standorten erfolgt in der Regel durch die bisherigen Träger, so dass eine Beziehungskontinuität gewahrt bleiben kann. 4. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, um den Ausbau der Kapazitäten in der stationären Jugendhilfe voranzutreiben? Zu 4.: Der Senat unterstützt Bezirke und Träger beim Aufbau und bei der Bereitstellung ausreichender Platzkapazitäten sowohl in Bezug auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge während der Inobhutnahme und in Anschlussmaßnahmen an das Clearingverfahren, als auch aufgrund des Mehrbedarfes durch die wachsende Stadt. In der vom Senat initiierten Maßnahme zum Platzausbau in allen Angebotsformen im Rahmen der stationären Hilfen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 134 2 zur Erziehung und der Inobhutnahme nach § 27 ff, 33, 34, 35a, 42 SGB VIII geht es in enger Abstimmung mit der Liga der freien Wohlfahrtspflege zum einen um die Bereitstellung von ausreichenden Platzkapazitäten und zum anderen um die bedarfsangemessene Angebotsentwicklung . Der Platzausbau entwickelt sich kontinuierlich, die Träger der freien Jugendhilfe sind intensiv bemüht, auf den gestiegenen Bedarf zu reagieren, ihre Platzkapazitäten zu erweitern bzw. neue Angebote zu entwickeln. 5. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, um die Suche nach Pflegefamilien im Bezirk zu verstärken? Zu 5.: Der Senat misst der Suche nach geeigneten Pflegefamilien in bezirklicher und gesamtstädtischer Verantwortung große Bedeutung bei. Auf Grundlage des § 29 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) fördert die für Jugend zuständige Senatsverwaltung den Träger der freien Jugendhilfe „Familien für Kinder gGmbH“ für die gesamtstädtische Öffentlichkeitsarbeit (Werbung) zur Gewinnung von Pflegefamilien und für eine berlinweite Anlaufund Beratungsstelle für Menschen, die Interesse haben, ein Pflegekind in ihrer Familie aufzunehmen. Die gesamtstädtische Werbung unterstützt somit unmittelbar den Vermittlungsauftrag der bezirklichen Pflegekinderdienste. Bezirkliche Werbung, die sozialräumlich und kiezorientiert durchgeführt wird, liegt in der Verantwortung der Bezirksjugendämter. In den vergangenen Jahren wurden und werden dazu zahlreiche Werbemaßnahmen und Veranstaltungen sowohl auf bezirklicher Ebene, als auch auf gesamtstädtischer Ebene durchgeführt (vgl. Drs. 17/10280 und 17/11557 und 17/10280). Um den Kreis potentieller Pflegeeltern zu erweitern startete Senatorin Sandra Scheeres am 14. März 2016 eine berlinweite mehrsprachige Plakatkampagne mit dem Thema „Pflegefamilien mit Migrationshintergrund gesucht “. Der Träger Familien für Kinder gGmbH führt die Plakatkampagne mit mehr als 100 Großflächenplakaten, die in der ganzen Stadt platziert werden, durch. Die Kampagne wendet sich mit zwei Motiven u.a. an die vier in Berlin lebenden größten Migrantengruppen. „Pflegekinder bringen Lebendigkeit in die Familie“ lautet das Motto, das in den Sprachen Deutsch, Türkisch, Russisch, Polnisch und Englisch auf den Plakatwänden steht. Auf der Webseite des Trägers (www.pflegekinder-berlin.de) stehen für Familien mit Migrationshintergrund auch Informationsseiten in Türkisch, Polnisch, Russisch und Englisch zur Verfügung. Neben einem allgemeinen Informationsabend und weiteren Angeboten auch für Pflegeeltern, die ein Flüchtlingskind aufgenommen haben, bietet der Träger einen speziellen Informationsabend für Interessierte mit Einwanderungsgeschichte an. 6. Wie kann eine Umverteilung nach dem EASY Schlüssel für gerade 18 Jahre alt gewordene unbegleitete Flüchtlinge vermieden werden, um ein Ankommen in Berlin sicherzustellen? Zu 6.: Die Verteilung Volljähriger richtet sich nach den rechtlich einschlägigen Vorschriften des Ausländerund Asylverfahrensrecht. Danach ist eine regelhafte Verteilung gemäß dem Wunsch der Asylbewerberin/des Asylbewerbers nicht möglich. Soweit ein Härtefall vorliegt , kann der Betreffende einen Antrag gemäß den einschlägigen Vorgaben stellen. Soweit es sich um junge Volljährige handelt, die aus der Inobhutnahme entlassen werden, besteht eine Verfahrensabsprache mit der ausländerrechtlichen Behörde in Härtefällen auf Wunsch des Betroffenen eine Verteilung nach Berlin zu ermöglichen. Berlin, den 22. März 2016 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mrz. 2016)