Drucksache 17 / 18 148 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 03. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. März 2016) und Antwort Jugendhilfeunterhalt: Einmal arm dran – immer arm dran? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele junge Menschen in Berlin erhalten gegenwärtig im Rahmen welcher Jugendhilfeleistungen Hilfen zum Lebensunterhalt (Jugendhilfeunterhalt)? (bitte bezirklich aufschlüsseln, nach Geschlecht getrennt ausweisen und junge Mütter gesondert auflisten) Zu 1.: In allen aufgeführten stationären Hilfen wird als Annexleistung auch der Unterhalt sichergestellt, wobei eine Differenzierung zwischen Jugendhilfeunterhalt (als Geldleistung) und Naturalunterhalt (zzgl. eines Barbetrages = Taschengeld) statistisch nicht erfasst wird. Üblicherweise wird Jugendhilfeunterhalt ab dem 15. Lebensjahr insb. bei Individualangeboten und Gruppenangeboten in einer Wohngemeinschaft und abhängig vom Entwicklungsstand des untergebrachten jungen Menschen gewährt. Darüber hinaus erfolgt keine statistische Erfassung von Leistungen für junge Mütter. Im Rahmen von Jugendhilfe sind junge Mütter im Regelfall in einer gemeinsamen Wohnform für Mütter/Väter und Kindern untergebracht (vgl. § 19 SGB VIII). Nachfolgend sind die gewünschten Angaben aus der Hilfeplanstatistik der Berliner Jugendämter zum Stichtag 31.12.2015 aufgeführt, soweit sie statistisch erfasst werden . Hilfeart Mitte Friedrichshain- Kreuzberg Pankow Charlottenburg- Wilmersdorf m w m w m w m w § 13 Abs. 3 Sozialpädagogisch begleitete Wohnformen 0 0 3 0 1 1 0 0 § 19 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder 4 49 13 35 2 49 2 23 § 27 stationäre Hilfe zur Erziehung 3 2 0 0 3 3 14 10 § 34 stationäre HzE 344 288 179 140 328 241 157 132 § 35 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung - stationär 3 6 1 1 3 2 1 0 § 35a stationäre Eingliederungshilfe 51 26 26 20 71 40 13 8 Hilfeart Spandau Steglitz- Zehlendorf Tempelhof- Schöneberg Neukölln m w m w m w m w § 13 Abs. 3 Sozialpädagogisch begleitete Wohnformen 1 0 0 0 0 0 2 1 § 19 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder 1 40 1 32 0 41 1 37 § 27 stationäre Hilfe zur Erziehung 0 0 2 1 2 1 2 4 § 34 stationäre HzE 336 271 177 127 190 144 228 224 § 35 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung - stationär 0 0 3 0 2 1 5 3 § 35a stationäre Eingliederungshilfe 11 9 13 11 88 62 111 63 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 148 2 Hilfeart Treptow- Köpenick Marzahn- Hellersdorf Lichtenberg Reinickendorf m w m w m w m w § 13 Abs. 3 Sozialpädagogisch begleitete Wohnformen 0 0 0 1 0 0 0 2 § 19 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder 0 33 0 57 2 30 6 47 § 27 stationäre Hilfe zur Erziehung 0 0 0 1 5 8 0 1 § 34 stationäre HzE 181 165 511 411 337 294 311 260 § 35 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung - stationär 0 1 1 0 4 4 2 1 § 35a stationäre Eingliederungshilfe 51 20 58 38 49 27 15 18 Hilfeart Summe Summe Gesamtsumme m w m+w § 13 Abs. 3 Sozialpädagogisch begleitete Wohnformen 7 5 12 § 19 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder 32 473 505 § 27 stationäre Hilfe zur Erziehung 31 31 62 § 34 stationäre HzE 3279 2697 5976 § 35 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung - stationär 25 19 44 § 35a stationäre Eingliederungshilfe 557 342 899 2. Nach welchen Kriterien bemisst sich die Höhe des Jugendhilfeunterhalts und wie hoch ist er konkret? Zu 2.: Die Ausführungsvorschriften über die Höhe der Barleistungen für Unterhalt bzw. Taschengeld im Rahmen der Jugendhilfe (AV-Jugendhilfeunterhalt) verweist bzgl. der Höhe des Jugendhilfeunterhalts als Geldleistung auf die von der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung mit Rundschreiben veröffentlichten Regelsätze nach § 28 ff SGB XII. Der untergebrachte junge Mensch wird bei der Gewährung des Jugendhilfeunterhalts als Barleistung grundsätzlich als Haushaltsvorstand angesehen. Der Regelbedarf für einen Haushaltsvorstand beträgt seit dem 01.01.2016 404 Euro. Die Höhe des ergänzend gewährten Taschengeldes richtet sich nach der jeweiligen Altersstufe des jungen Menschen. 3. Welche Ausgaben müssen von jungen Menschen vom Jugendhilfeunterhalt bestritten werden, welche nicht? 4. Wie hoch sind die bei der Bemessung des Jugendhilfeunterhalts zugrunde gelegten Annahmen für Ausgaben wie z.B. für Ernährung, Beförderung, Bildung und Taschengeld? Wie schlüsselt sich der Jugendhilfeunterhalt im Einzelnen auf? 5. Wie bewertet der Senat die Auskömmlichkeit der gewährten Unterhaltsleistung angesichts der Erwartung, alle die in der AV-Jugendhilfeunterhalt beschriebenen Zweckbestimmungen auch tatsächlich finanzieren zu können? Zu 3., 4., und 5.: Gem. Nr. 3 (4) der AV Jugendhilfeunterhalt haben die jungen Menschen alle regelhaften Kosten des laufenden Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (insbesondere die Kosten für Ernährung, Körperpflege, Fahrgeld, Hausreinigungsmittel, Hauswirtschaftsartikel, private Telefongespräche, Freizeitaktivitäten, Energiekosten für Beleuchtung und Kochen, Waschmittel, Bekleidung , kleinere Reparaturen, Wäsche- und Schuhpflege) zu bestreiten, also alle Kosten (ohne Miete sowie Heizkosten ) der allgemeinen Lebensführung. Für die Bemessung des Jugendhilfeunterhalts werden keine eigenen Annahmen oder Erhebungen bzw. Statistiken genutzt, vielmehr wird der Regelbedarf gem. § 28 SGB XII als aktuell rechtlich anerkannte auskömmliche Lebensunterhaltsleistung betrachtet. Insofern scheidet auch eine differenzierte Betrachtung der im Regelbedarf enthaltenen pauschalen Annahmen aus, da gerade die eigenverantwortliche Kontrolle – im Rahmen der Jugendhilfe natürlich mit Unterstützung der Fachkräfte - die Möglichkeit gibt, nach eigenen Bedürfnissen und Notwendigkeiten Ausgaben zu steuern. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 148 3 6. Wann sind die Jugendhilfe-Unterhaltsleistungen zuletzt den realen Lebenshaltungskosten angepasst worden ? Zu 6.: Die Regelsätze werden jährlich angepasst, zuletzt zum 01.01.2016. 7. Wie erklärt der Senat, dass junge Menschen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe leben und Hilfen zum Lebensunterhalt beziehen, von Leistungen ausgenommen sind, die für Leistungsbezieher*innen nach SGB II selbstverständlich gewährt werden? 10. Warum sind junge Menschen, die nach SGB VIII untergebracht sind und Jugendhilfeunterhalt beziehen, von der Nutzung des berlinpasses ausgeschlossen? 11. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit auch junge Menschen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht sind und Jugendhilfeunterhalt beziehen, den berlinpass nutzen können? 12. Was spricht bundes- bzw. landesrechtlich dagegen, den Kreis der berlinpass-Berechtigten auf junge Menschen auszuweiten, die in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht sind und Jugendhilfeunterhalt beziehen? 13. Hat es das Land Berlin selbst in der Hand, den Kreis der Berechtigten des berlinpasses festzulegen und wenn ja, warum tut es das dann nicht und berechtigt junge Menschen, die Jugendhilfeunterhalt beziehen, den berlinpass und die damit verbundenen Vergünstigungen zu nutzen? Zu 7., 10. - 13.: Grundlage für den berlinpass ist der Leistungsbezug nach dem SGB II, SGB XII oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei all den genannten Rechtsgrundlagen handelt es sich um Vorschriften, die ausschließlich der Unterhaltssicherung dienen. Die Aufgaben der Hilfe zur Erziehung, der gemeinsamen Wohnformen für Mütter/Väter und Kindern sowie der Jugendberufshilfe haben dagegen grundsätzlich zuerst einen erzieherisch-pädagogischen und / oder therapeutischen Ansatz. Nur bei stationären Hilfen wird als Annexleistung auch der Unterhalt sichergestellt. Zu den Aufgaben nach dem SGB VIII gehört auch, die jungen Menschen zum Schulbesuch anzuhalten und nachfolgend in den weiteren Berufsweg zu begleiten (Ausbildung, Studium), solange die Hilfe andauert. Im Rahmen des Schulbesuchs bzw. bei einer Ausbildung erhalten die jungen Menschen einen Schülerausweis, der weitestgehend vergleichbare Vergünstigungen wie der berlinpass ermöglicht (Museum, Schwimmbad, BVG, Zoo, Tierpark, Eisbahn etc.). Aus diesem Grund sieht der Senat aktuell keinen Grund, den Kreis der Berechtigten für den berlinpass zu erweitern. 8. Warum müssen junge Menschen in Einrichtungen der Jugendhilfe von ihrem Unterhalt ein BVG-Ticket zum vollen Preis kaufen, wenn Bezieher*innen von ALG II den berlinpass nutzen und ein Monatsticket viel günstiger kaufen können? Zu 8.: Ein BVG-Ticket zum vollen Preis ist nur dann notwendig, wenn der untergebrachte junge Mensch nicht zur Schule geht bzw. keine Ausbildung macht, anderenfalls wäre der Erwerb einer vergünstigten Fahrkarte (Schüler- bzw. Ausbildungsticket) möglich. Um die Belastung für diesen Teilaspekt zu mindern, erhält der betreuende Träger im Rahmen des Entgelts einen täglichen Zuschuss von 0,72 € pro Tag, so dass er aus der Summe dieses Entgeltbestandteils aus allen Entgelten zusammen den Zuschuss zum Erwerb der notwendigen BVG-Karte steuern kann. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Träger, die nur bzw. überwiegend junge Menschen betreuen, die weder die Schule besuchen noch einer Ausbildung nachgehen durchaus die Möglichkeit haben, in diesen besonderen Einzelfällen einen erhöhten Zuschuss für Fahrgeld zu erhalten. Für den Personenkreis der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in temporären Unterbringungseinrichtungen wurde mit der BVG die Ausstellung von Welcome to Berlin-Tickets vereinbart. Diese Tickets gelten im Tarifbereich AB (Berliner Stadtgebiet) und werden zum Preis von monatlich 13,00 € auf Bestellung durch den betreuenden Träger zur Verfügung gestellt und haben eine Gültigkeit von mind. einem Monat bis zu (im Regelfall) maximal vier Monaten. Die Kosten werden vom zuständigen Träger aus dem zur Verfügung gestellten Entgelt direkt mit der BVG abgerechnet. 9. Wie erklärt der Senat, dass junge Menschen, die Jugendhilfeunterhalt beziehen, von diesem auch Bildungsangebote bezahlen müssen wie z.B. kostenpflichtige Sprachkurse? Zu 9.: Dieser Sachverhalt ist dem Senat nicht bekannt. Wenn im Rahmen der Hilfeplanung festgestellt wird, dass der Besuch eines kostenpflichtigen Sprachkurses notwendig ist, sind auch die Kosten seitens des örtlich zuständigen und beteiligten Jugendamtes zu übernehmen. Berlin, den 22. März 2016 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mrz. 2016)