Drucksache 17 / 18 183 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marion Platta (LINKE) vom 08. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. März 2016) und Antwort Luftbelastung messbar, berechenbar und beprobt – Maßnahmen für Umweltweltgerechtigkeit entwickelt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Das Land Berlin erfüllt seine Verpflichtung zur Überwachung der Luftqualität gemäß der 39. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (39. BImSchV) mit einem Messnetz aus derzeit 16 stationären Containern (BLUME). Die Einhaltung von Grenz-, Richt- , Ziel- und anderen Beurteilungswerten wird ausschließlich an Hand von Messungen beurteilt, die mit den in der 39. BImSchV festgelegten Referenzverfahren bzw. zu diesen nachgewiesenermaßen gleichwertigen Verfahren an den BLUME-Messstellen ermittelt wurden. Bei dem in der Schriftlichen Anfrage mehrfach erwähnten „Ruß-und-Benzol-Immissionssammler“ (RU- BIS) handelt es sich um ein kleines Probenahmegerät, das meist an Straßenlaternen befestigt betrieben wird. Während der Probenahme wird mittels einer Pumpe Außenluft durch einen Filter gesaugt, und dabei werden die im Luftstrom enthaltenen Partikel der Fraktion PM10 abgeschieden . Bei den Stickstoffdioxid(NO2)-Passivsammlern handelt es sich um Diffusionsröhrchen, mit denen eine definierte Anreicherung der Komponente aus der Luft erfolgt. Die Probenahme mit RUBIS und NO2-Passivsammlern erfolgt integrierend über einen Zeitraum von 14 Tagen, die Proben werden anschließend im chemischen Laboratorium analysiert. Der Einführung von RUBIS und NO2-Passivsammlern erfolgte ab 1996 im Zuge der Umsetzung der 23. BImSchV (gültig von 1997 bis 2004), die der gezielten Regulierung der durch den Straßenverkehr verursachten Belastung mit Ruß, Benzol und NO2 diente. Da der Straßenverkehr eine wichtige Quelle von Schadstoffen darstellt und die zuständigen Behörden verpflichtet sind, die Angemessenheit von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität nachzuweisen, wurden die Messungen auch nach Aufhebung der 23. BImSchV weitergeführt. Diese Entscheidung hat sich für die Konzeption der Luftreinhalteplanung und insbesondere auch für den Nachweis der Wirksamkeit der Umweltzone bewährt. Frage 1: Hat sich die Prognose der Luftschadstoffbelastung für das Jahr 2015 bei Stickoxiden und Feinstaub, wie sie im Luftreinhalteplan 2011-2017 aufgestellt wurde (Angaben als Emissionen in t/a und als Jahresmittelwerte im Hauptstraßennetz), bestätigt? Wenn nein, welche Werte wurden erreicht und welche Schlüsse zieht der Senat für die Umsetzung weiterer Maßnahmen bis 2017, um den vorgesehenen Pfad bis 2020 zu erreichen? Antwort zu 1: Hinsichtlich der Entwicklung der Emissionen kann keine Aussage getroffen werden, da das Emissionskataster zuletzt 2009 erhoben wurde. Eine Aktualisierung ist derzeit in Arbeit. Hinsichtlich der Luftqualität ergibt sich folgendes: Für 2015 liegen noch keine abschließend validierten Messdaten für Stickoxide und PM10 vor. Bei Feinstaub-PM10 hat sich der prognostizierte Rückgang der Schadstoffbelastung bestätigt. Für Stickstoffdioxid konnte der prognostizierte Rückgang um 17 % auf Hauptverkehrsstraßen nur teilweise erreicht werden. Gemessen wurde im Mittel ein Rückgang von 8%. Der über alle Messstationen gemittelte NO2- Jahresmittelwert für 2009 betrug 55 µg/m³, für 2014 betrug er 52 µg/m³. Der über die gleichen Stationen gemittelte , berechnete Jahresmittelwert für 2009 betrug 45 µg/m³, der dort prognostizierte NO2-Jahresmittelwert für 2015 beträgt 37 µg/m³. Die Maßnahmen des Luftreinhalteplans 2011-2017 werden Schritt für Schritt umgesetzt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 183 2 Frage 2: Welche Bedingungen werden für die Auswahl bzw. für mögliche Veränderungen von Standorten von automatisierten Blume-Messstationen sowie Probenahmegeräten mit Ruß-, Benzol-Immissions-Sammler (RUBIS) sowie einen NO2-Passivsammler zur Einschätzung der Luftbelastung in der Stadt gestellt? Antwort zu 2: Die Kriterien zur Auswahl von Standorten für automatisch messende Lüftgütemess-stationen sind in der 39. BImschV, § 14, Anlagen 2, 3 und 5 festgelegt und liegen auch der Auswahl der BLUME- Messstellen zugrunde. Die Platzierung von BLUME- Messstellen wird möglichst selten geändert, da bereits geringfügige Ortsveränderungen den Abbruch der Messreihen verursachen und damit keine weitere Aussage zur Entwicklung der Luftbelastung an diesem Standort möglich ist. Probenahmeorte für RUBIS und NO2-Passivsammler sind insbesondere dort von Interesse, wo ein Aufstellen eines Luftgütemesscontainers nicht möglich ist oder die Wirkung von Maßnahmen beobachtet werden soll. Die Kriterien der 39. BImSchV sind hier natürlich nicht verpflichtend , werden aber soweit möglich sinngemäß angewandt . Frage 3: Wie erfolgt aus den Messungen und Abschätzungen die Berechnung der von Luftschadstoffen betroffenen Bevölkerung an den jeweiligen Standorten der Messeinrichtungen sowie an vergleichbaren Standorten? Antwort zu 3: Die Berechnung der von Luftschadstoffen betroffenen Bevölkerung erfolgt aufgrund von Schadstoffmodellrechnungen in Verbindung mit Anwohnerzahlen . Bevölkerungsdaten der Lärmkartierung werden mit modellierten Luftschadstoffkonzentrationen verschnitten. Die Luftschadstoffmessungen dienen hierbei zur Validierung der Luftschadstoffberechnungen im gesamten Berliner Stadtgebiet. Frage 4: Nach welchen Kriterien werden die Standorte der automatisierten Blume-Messstationen durch weitere Standorte mit RUBIS-Messstationen ergänzt? Welche Rolle spielen dabei Veränderungen in der Stadtstruktur (Verdichtungen bei Ansiedlungen und Verkehrsströmen)? Antwort zu 4: Die RUBIS-Messstellen ergänzen das Messnetz der automatisierten BLUME-Messstationen an Hauptverkehrsstraßen, wo das Aufstellen eines Luftgütemesscontainers wegen der Größe nicht möglich ist. Veränderungen in der Stadtstruktur werden in der Auswahl der Standorte berücksichtigt. So wurden beispielsweise ein RUBIS- und ein Passivsammelgerät 2015 von einem schwächer belasteten Straßenabschnitt in einen höher belasteten Straßenabschnitt in der Invalidenstraße umgesetzt . Frage 5: Welchen Nutzen haben die RUBIS-Messstationen für die Bewertung der zulässigen Grenzwerte (täglich, jährlich) der Luftbelastung mit Feinstaub PM10, wenn Rußpartikel „aktiv“ gesammelt werden und nur alle 14 Tage eine Probenahme erfolgt? Antwort zu 5: Zur Methodik siehe Vorbemerkung des Senats. In den RUBIS-Proben werden die Konzentrationen von elementarem und organischem Kohlenstoff (EC, OC) bestimmt. Insbesondere die EC-Analysen ermöglichen eine sehr gute Einschätzung der Belastung durch Motoremissionen aus dem Straßenverkehr. Die Daten werden vor allem in Form der Jahresmittelwerte zum Vergleich unterschiedlicher Standorte und zur Beurteilung der zeitlichen Entwicklung der Belastung herangezogen. Auf der Basis von Jahresmittelwerten der EC-Konzentrationen können darüber hinaus mit hinreichend guter Genauigkeit die Jahresmittelwerte von PM10 abgeschätzt werden und daraus wiederum die Überschreitungshäufigkeit des Grenzwertes für den Tagesmittelwert. Somit ist mittels der Analyse von RUBIS-Proben auch eine indirekte Einschätzung der PM10-Belastungssituation für hochbelastete Standorten möglich, an denen schon aus Platzgründen kein Messcontainer platziert werden könnte. Frage 6: Welchen Nutzen haben die NO2-Passivsammler für die Bewertung der zulässigen Grenzwerte der Luftbelastung zum Gesundheits- und Ökosystemschutz (stündlich, jährlich) mit Stickstoffdioxid und der Summe der Stickoxide, wenn nur alle 14 Tage eine Probenahme erfolgt? Antwort zu 6: Zur Methodik siehe Vorbemerkung des Senats. Die durch Analyse der NO2-Passivsammler ermittelten Werte werden ausschließlich in Form der Jahreswerte zum Vergleich mit den auf das Kalenderjahr bezogenen Grenzwerten zum Schutz der menschlichen Gesundheit herangezogen. Sie geben, genau wie die Daten der RU- BIS-Proben, wertvolle Zusatzinformationen für stark befahrene Straßen, an denen kein Messcontainer betrieben werden kann. Frage 7: Warum wurde wann die Probenahme an den RUBIS-Messstationen von der wöchentlichen auf eine 14- tägige Taktung verändert? Wie lassen sich Aussagen zur zulässigen Anzahl der Überschreitungen von Immissionsgrenzwerten bei dieser Verfahrensweise dennoch treffen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 183 3 Antwort zu 7: Die Änderung erfolgte zum Jahreswechsel 2004/ 2005 infolge des Außerkrafttretens der 23. BImschV. In Hinblick auf den Gesundheitsschutz insbesondere an stark verkehrsbelasteten Standorten wurden die Messungen ab dem 01.01.2005 in wirtschaftlich wie fachlich vertretbarem Umfang weitergeführt. Aussagen zu Überschreitungen von Immissionsgrenzwerten werden nur auf Basis des Einsatzes von Referenz- bzw. Äquivalenzverfahren an Stationen des automatischen Messnetzes (BLUME) getroffen, wie dies die 39. BImschV vorschreibt. Frage 8: Warum werden die Ergebnisse der Probenahmegeäte mit Ruß-, Benzol-Immissions-Sammler (RUBIS) sowie einen NO2-Passivsammler nicht in die regelmäßigen Veröffentlichungen einschließlich in die Monatsberichte aufgenommen? Antwort zu 8: Die Analyse der mit diesen Verfahren erhaltenen 14-Tages Proben wird im Labor vorgenommen . Nach Ende eines Kalenderjahres werden aus den Messergebnissen die Jahresmittelwerte berechnet. Die Messergebnisse bzw. daraus abgeschätzte PM10- Werte werden dementsprechend regelmäßig in Jahresberichten veröffentlicht. Frage 9: Wie haben sich die Werte zur Ermittlung der Luftschadstoffe an der Messstation 514 seit ihrer Einrichtung entwickelt und welche Schlüsse lassen sich daraus für diesen Standort und vergleichbare Standorte ableiten? Antwort zu 9: Die NO2-Jahresmittelwerte der Passivsammler -Messungen an der Messstelle 514 lagen seit Beginn der Messungen in jedem Jahr zwischen 50 und 60 µg/m³ und zeigten keinen zeitlichen Trend. Dieser Befund entspricht qualitativ und quantitativ dem mittleren Befund aller Rubis-Sammler. Aussagen für PM10 können für die Messstelle 514 nur aus den EC-Messungen in RUBIS-Proben abgeleitet werden (vgl. Antwort zu Frage 5). Hierfür ergibt sich die Abschätzung, dass die PM10-Jahresmittelwerte vom Jahr 2006 zum Jahr 2007 deutlich abnahmen, danach aber keinen eindeutigen Trend mehr zeigten. Der qualitative Verlauf war dabei vergleichbar mit dem mittleren Verlauf aller Rubis-Sammler. Frage 10: Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in der Straße Alt-Friedrichs-felde sind bisher durchgeführt bzw. werden für die nächsten 5 Jahre geplant ? Antwort zu 10: Eine Einzelmaßnahme zur Verbesserung der Luftqualität in der Straße Alt-Friedrichsfelde ist nicht vorgesehen. Auch für diesen Straßenabschnitt greifen die im Luftreinhalteplan 2011-2017 beschriebenen und derzeit in der Umsetzung befindenden Maßnahmen, vor allem im Bereich „Fahrzeugtechnik“ (Luftreinhalteplan 2011-2017, Absatz 9.2.1) und „Verkehrslenkung“ (Abs. 9.2.2) Frage 11: Welche Auswirkungen hätte eine Begrünung des Mittelstreifens mit und ohne Bäume ab der Lichtenberger Brücke bis zum Eingang der Straßenuntertunnelung Rhinstraße/Am Tierpark auf die Luftqualität? Antwort zu 11:Eine Begrünung des Mittelstreifens zwischen Lichtenberger Brücke bis zum Eingang der Straßenuntertunnelung Rhinstraße/Am Tierpark mit Bäumen hätte laut Modellrechnungen eine negative Auswirkung auf die Luftqualität, da Bäume effektiv das verfügbare Austauschvolumen für Luftschadstoffe reduzieren. Eine Begrünung ohne Bäume des Mittelstreifens hätte laut Modellrechnungen eine neutrale Auswirkung auf die Luftqualität. Berlin, den 22. März 2016 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mrz. 2016)