Drucksache 17 / 18 189 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 08. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. März 2016) und Antwort Übergriffe auf christliche Flüchtlinge Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Angriffe auf christliche Flüchtlinge und zum Christentum konvertierte Flüchtlinge in bzw. im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften im Land Berlin seit Beginn des Jahres 2015 sind dem Senat bekannt? 2. Welche polizeilichen Maßnahmen wurden im Zusammenhang dieser Übergriffe durchgeführt? 3. In Bezug auf welche Vorschriften des Strafgesetzbuches wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet? 4. In wie vielen Fällen kam es zu einer Verurteilung der Täter? 5. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über religiöse Motive der Täter vor? 6. Welchem Herkunftsland bzw. welcher Religionsgemeinschaft sind die Täter zahlenmäßig zuzuordnen? Zu 1. bis 6.: Die Religionszugehörigkeit wird weder für Beschuldigte noch für Geschädigte statistisch erfasst. Kommt es zu Auseinandersetzungen, wird in der Statistik die Straftat erfasst, nicht jedoch die Motivation. Da sich dieses Thema auch in anderen Bereichen stellt, befasst sich derzeit eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Vorsitz Berlins mit der Frage, wie sich Hasskriminalität jeglicher Provenienz in justiziellen Statistiken bundesweit einheitlich erfassen lässt. Bezogen auf die Frage heißt das, dass es derzeit keine statistischen Erhebungen zu diesem Problemfeld gibt. Es sind jedoch aus der Verwaltungspraxis des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) Fälle bekannt, in denen durch Betreiberinnen und Betreiber über Spannungen zwischen konfessionell unterschiedlich gebundenen Flüchtlingen berichtet wird. So ist dem Landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement (LKF) eine Begebenheit in der Notunterkunft im ehemaligen Flughafen Tempelhof bekannt, wo ein Flüchtling zwei andere Flüchtlinge in gemeinsam benutzten Sanitärräumen belauschte und dabei Äußerungen über angedachte Angriffe auf christliche Flüchtlinge vernahm. In diesem Zusammenhang wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. 7. Welche Maßnahmen werden in Flüchtlingsunterkünften zum Schutz christlicher Flüchtlinge getroffen? Zu 7.: Für die Unterbringung von Flüchtlingen ist das LAGeSo zuständig. Die Sicherheit in Flüchtlingsunterkünften obliegt den Betreiberinnen und Betreibern. Notwendige strafprozessuale Maßnahmen oder die Abwehr von Gefahren durch die Polizei Berlin bleiben hiervon unberührt. Die Berliner Sicherheitsbehörden ergreifen zur Steigerung des Sicherheitsgefühls sowohl mit Einsatzeinheiten der Landeseinsatzreserve als auch mit Kräften des Zentralen Objektschutzes und Mitarbeitenden der örtlich zuständigen Polizeidienststellen lageangepasste Maßnahmen an und im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften. Die Zentralstelle für Prävention beim Landeskriminalamt der Polizei Berlin bietet zudem eine kriminalpräventive Beratung an. Dieses Angebot ist insbesondere an Großunterkünfte im Land Berlin herangetragen worden und umfasst u. a. Aspekte der Städtebaulichen Kriminalprävention und der technischen sowie verhaltensorientierten Prävention. Für eine sicherheitspolizeiliche Beratung stehen die örtlich zuständigen Polizeidienststellen und das Landeskriminalamt zur Verfügung. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 189 2 Der Schutz aller Bewohnerinnen und Bewohner von Flüchtlingsunterkünften vor Übergriffen sowie die Gewährleistung eines konfliktfreien Zusammenlebens gehört - ungeachtet des religiösen Bekenntnisses oder der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft - im Übrigen auch zu den vorrangigen Pflichten der Betreiberinnen und Betreiber derartiger Einrichtungen. Im Rahmen ihrer Verantwortung für einen ordnungsgemäßen Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften bemühen sich die Heimleitungen sowie die mit der Sozialarbeit und -betreuung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter , die Eskalation von Konfliktsituationen durch geeignete Mechanismen zu vermeiden und aufgetretene Spannungen unter Einbeziehung aller Beteiligten aufzulösen. Zudem soll durch konfliktpräventive Regelungen, etwa im Rahmen der Organisation und Koordination des Heimbetrieb erreicht werden, dass mögliche Konfliktsituationen von vornherein vermieden werden. Sollten ungeachtet dieser Vorkehrungen und Maßnahmen gleichwohl Gefährdungslagen für Flüchtlinge einer bestimmten Konfession eintreten, ist die Verlegung in eine andere Einrichtung möglich. Diese Option darf aber nicht dazu führen, dass durch konfessionell anders orientierte Bewohnerinnen und Bewohner ein „Vertreibungsdruck “ auf religiöse Minderheiten ausgeübt wird, um durch gezielte Anfeindungen deren Ausquartierung zu erzwingen. Es ist vielmehr Aufgabe der Heimleitung, jede Form der religiöse Bevorzugung oder Benachteiligung von Bewohnerinnen und Bewohnern zu vermeiden. Es handelt sich vorstehend um eine exemplarische und zusammengefasste Darstellung der entsprechenden Maßnahmen und Vorkehrungen. Art und Umfang dieser Maßnahmen werden maßgeblich vom Engagement der jeweiligen Heimleitungen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort bestimmt, so dass individuelle Abweichungen zwischen einzelnen Einrichtungen möglich sind. Dies gilt vor allem für Notunterkünfte und Großquartiere, die vorrangig der Vermeidung von Obdachlosigkeit dienen und für einen vorübergehenden Aufenthalt vorgesehen sind. Gleichwohl bemühen sich auch in diesen Einrichtungen die vor Ort Verantwortlichen um einen konfliktfreien, auf sozialen Ausgleich unterschiedlicher Bedürfnisse und Interessen innerhalb der Bewohnerschaft ausgerichteten Heimbetrieb. Über die bereits derzeit praktizierten gewaltpräventiven Maßnahmen in den Flüchtlingsunterkünften hinaus hat der Senat im Masterplan Integration und Sicherheit festgelegt, dass die Ansätze der Demokratiebildung mit dem Ziel der Vermittlung von Werten, Normen und Prinzipien der bundesdeutschen Gesellschaftsordnung an die aufgenommenen Flüchtlinge weiterentwickelt und angepasst werden. Dies wird mit spezifischen Informationsmaterialien , mit Qualifikationsangeboten für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und Helferinnen und Helfer sowie mit modellhaften Kursangeboten für geflüchtete Menschen umgesetzt. 8. Gibt es Hinweise darauf, dass Übergriffe auf Christen systematisch oder geplant erfolgen und wenn ja, welche Gruppierungen stehen dahinter? Zu 8.: Es gibt derzeit keine Hinweise, dass es systematische oder geplante Übergriffe auf Christen gibt. An dieser Stelle ist noch hinzuzufügen, dass die ermittelnden Behörden darauf angewiesen sind, dass Opfer von Straftaten oder Zeuginnen und Zeugen mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten oder sich zumindest der Heimleitung anvertrauen. Berlin, den 30. März 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Apr. 2016)