Drucksache 17 / 18 203 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 03. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. März 2016) und Antwort Linksextremismus in Berlin – Übergriffe auf Einsatzkräfte Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Gewaltdelikte gab es in den letzten fünf Jahren in der Rigaer- und Liebigstraße? (Aufstellung nach Deliktsarten und Jahren erbeten.) Zu 1.: Grundlage für die Beantwortung der Anfrage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. In den letzten fünf Jahren wurden insgesamt 493 Fälle der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) - links im Bereich Rigaer Straße in Berlin registriert. Diese verteilen sich auf die einzelnen Jahre und Deliktsarten wie folgt: Fallaufkommen PMK - links Bereich Rigaer Straße der letzten fünf Jahre Deliktsart 2011 2012 2013 2014 2015 Gewaltdelikte 60 18 12 31 69 sonstige Delikte 89 42 54 41 77 PMK - links 149 60 66 72 146 Gewaltdelikte sind Tötungsdelikte, Körperverletzungen , Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfriedensbrüche, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung und Widerstands- sowie Sexualdelikte einschließlich der Versuche. Unter die sonstigen Delikte fallen hier unter anderem Diebstahlsdelikte sowie Beleidigungen und Straftaten nach dem Versammlungsgesetz. 2. Wie viele Einsatzstunden leistete die Berliner Polizei in den letzten fünf Jahren in der Rigaer- und Liebigstraße ? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 2.: Die Polizei Berlin erfasst die von ihr geleisteten Einsatzkräftestunden in diesem Fall erst seit Beginn ihrer im Herbst 2015 im Friedrichshainer Nordkiez deutlich verstärkten Präsenz und dies auch nur für das besagte Gebiet in seiner Gesamtheit und nicht explizit für jede einzelne der in der Fragestellung genannten Straßen. Vor diesem Hintergrund wurden im Friedrichshainer Nordkiez im Zeitraum vom 23. Oktober 2015 bis zum 31. Dezember 2015 insgesamt 11.996 und vom 1. Januar 2016 bis zum 29. Februar 2016 weitere 40.966 Einsatzkräftestunden geleistet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 203 2 3. Wurden aufgrund der Polizeieinsätze in den letzten fünf Jahren in der Rigaer- und Liebigstraße Haftbefehle vollzogen? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) 4. Wie viele Anklagen und Verurteilungen gab es aufgrund der Polizeieinsätze in diesem Bereich in den letzten fünf Jahren? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 3. und 4.: Gesonderte Statistiken zu vollzogenen Haftbefehlen in der Rigaer- und Liebigstraße oder zu Anklagen und Verurteilungen, die im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen im genannten Bereich stehen beziehungsweise standen, werden weder bei der Polizei Berlin noch bei der Staatsanwaltschaft (StA) Berlin geführt. 5. Welche Reaktionen gab es seitens der linksautonomen Szene während und nach den Polizeieinsätzen in der Rigaer- und Liebigstraße in dieser Zeit? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 5.: Zu Reaktionen seitens der linksautonomen Szene während und nach Polizeieinsätzen führt die Polizei Berlin keine gesonderte Statistik. In der Vergangenheit kam es nach Polizeieinsätzen im Bereich der Rigaer Straße zu Straftaten, die einen räumlichen sowie zeitlichen Zusammenhang zu polizeilichen Maßnahmen aufzeigten und bei denen eine politische Motivation angenommen wurde. In einigen Fällen erfolgten zu besonderen Straftaten Selbstbezichtigungen auf einschlägigen Internetseiten. 6. Wie oft wurden Einsatzkräfte in den letzten fünf Jahren durch Mitglieder der linksautonomen Szene angegriffen oder verletzt? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 6.: Eine gesonderte Statistik zu „Übergriffen auf Einsatzkräfte beziehungsweise verletzte Einsatzkräfte“ wird bei der Polizei Berlin nicht geführt. Die Berliner Feuerwehr verfügt über eine Statistik zum Thema „Gewalt/Übergriffe gegen Einsatzkräfte“ seit 2012. Eine Unterteilung der Übergriffe - beispielsweise durch Mitglieder der linksautonomen Szene - kann nur erfolgen, wenn die jeweilige Einsatzkraft dies explizit - gegebenenfalls auch durch eine Dienstunfallanzeige - meldet. Die Auswertung der Statistik seit 2012 ergab keine entsprechenden Angaben. 7. Gab es in den letzten fünf Jahren Übergriffe auf Rettungskräfte in der Rigaer- und Liebigstraße? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 7.: Eine gesonderte Statistik zu „Übergriffen auf Rettungskräfte“ wird bei der Polizei Berlin nicht geführt. Die Berliner Feuerwehr ist im Einzelnen auf die Meldung der jeweiligen Einsatzkraft (Dienstunfallanzeige) angewiesen. Anhand der Statistik liegen keine entsprechenden Anzeigen beziehungsweise Meldungen vor. Gleichwohl ist im Allgemeinen durch die Feuerwachen in diesem Einsatzbereich bekannt, dass Einsatzkräfte in Einzelfällen beleidigt, bespuckt oder mit Steinen beworfen worden sind. 8. Wie bewertet die Berliner Polizei die Situation für die Anwohnerschaft in der Rigaer- und Liebigstraße? Zu 8.: Polizeiliche Maßnahmen zur Steigerung des Sicherheitsgefühls werden durch die Anwohner wohlwollend aufgenommen. Ein signifikantes Beschwerdeaufkommen im Bereich der Rigaer- und Liebigstraße liegt bei der Polizei Berlin oder dem Senat nicht vor. 9. Sind die Szeneobjekte Tat. bzw. Rückzugsorte nach Straftaten? Zu 9.: In der Rigaer Straße und Umgebung befinden sich neben dem Hausprojekt „Rigaer 94“ mit der Szenekneipe „Kadterschmiede“ auch die Hausprojekte „Liebig 34“ und „Rigaer 78“ mit den Szenelokalen „XB- Liebig“ beziehungsweise dem „Abstand“. Hierbei handelt es sich um überwiegend von subkulturellem Milieu geprägte Projekte, in denen neben politisch links orientierten Personen auch Linksextremistinnen und Linksextremisten verkehren. Der Bereich Rigaer Straße und nähere Umgebung hat sich als Brennpunkt unter anderem von gewalttätigen Aktionen der linksextremistischen Szene herauskristallisiert . In den letzten Jahren kam es in diesem Bereich immer wieder zu Sachbeschädigungen mit erheblichen Vermögensschäden durch Farbbeutel- und Steinwürfe sowie Brandstiftungen. Angriffsziele waren hierbei insbesondere Wohnungsbeziehungsweise Geschäftsneubauten, luxussanierte Gebäude , hochwertige Privat- oder Firmenfahrzeuge, Polizeifahrzeuge und zum Teil auch Einsatzkräfte der Polizei, welche mehrfach von den Dächern der Rigaer Straße insbesondere mit Kleinpflastersteinen und Gehwegplatten beworfen wurden. Der konkrete Nachweis einer Tatbeteiligung von Bewohnern dieser Hausprojekte konnte bisher nur in Ausnahmefällen erbracht werden. 10. Wann in den letzten fünf Jahren begleitete die Staatsanwaltschaft oder die Richterschaft Polizeieinsätze im Postleitzahlengebiet 10247 und mit welchem Ergebnis bzw. welchen Erkenntnissen? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 10.: Von den Dezernentinnen und Dezernenten der Spezialabteilung 231 der StA Berlin sind drei Polizeieinsätze im angefragten Zeitraum in dem Postleitzahlengebiet 10247 Berlin unmittelbar begleitet worden. Dies diente in erster Linie der Beratung der Einsatzkräfte vor Ort, der gegebenenfalls notwendigen Beantragung von Gerichtsbeschlüssen und der Gewinnung eines persönlichen Eindruckes von den örtlichen Gegebenheiten . Es handelte sich zum einen um die Begleitung des Polizeieinsatzes zur Räumung der Liebigstraße 14 im Februar 2011. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 203 3 Zum anderen wurde im Frühjahr 2014 die Durchsuchung eines Cafés in der Mainzer Straße begleitet, welches sich in einem durch ein Wohnprojekt bewirtschafteten Haus befand. Die Durchsuchung diente der Sicherung von Beweismitteln in einem Verfahren wegen Raubes. Schließlich wurde im Dezember 2015 eine Sonderstreifenfahrt im Zusammenhang mit vermehrten Brandstiftungen an Mülltonnen begleitet. Berlin, den 21. März 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mrz. 2016)