Drucksache 17 / 18 205 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 03. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. März 2016) und Antwort Ausländerfeindlichkeit und offene Haftbefehle gegen rechte Straftäter – Zahlen, Daten, Fakten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Als Datenbasis für die Beantwortung der Fragen 2, 3, 4, 6, 7 und 8 dient eine ab dem Jahr 2014 vom Polizeilichen Staatsschutz der Polizei Berlin geführte statistische Erfassung offener und vollstreckter Haftbefehle der Berliner Justiz von Straftäterinnen und Straftätern der politisch motivierten Kriminalität – rechts (PMKrechts ). Für die Jahre 2011, 2012 und 2013 liegen keine validen Daten vor. Grundlage für die Beantwortung der Fragen 1, 9 und 10 bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik “ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen . Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren . Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen – gegebenenfalls bis zum endgültigen Gerichtsurteil – einer Bewertung gemäß der angenommenen Tatmotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen . Um die Fallzahlen übersichtlich und in Teilbereichen vergleichbar darzustellen, erfolgt die Unterteilung in die Deliktsarten Terrorismus, Gewaltdelikte, Propagandadelikte und sonstige Delikte. Terrorismus ist über die Strafbarkeit der Bildung einer terroristischen Vereinigung (§§ 129a, 129b Strafgesetzbuch (StGB) gesetzlich bestimmt. Als Terrorismus werden darüber hinaus schwerwiegende politisch motivierte Gewaltdelikte (Katalogtaten des § 129a StGB) sowie Verstöße gegen die §§ 89a, 89b, 89c und 91 StGB erfasst. Gewaltdelikte sind Tötungsdelikte, Körperverletzungen , Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfriedensbrüche, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung und Widerstands- sowie Sexualdelikte einschließlich der Versuche. Propagandadelikte sind Verstöße gegen den § 86 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) und gegen den § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ). Die sonstigen Delikte beinhalten alle weiteren Strafrechtsnormen des StGB sowie der Strafrechtsnebengesetze . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 205 2 1. Welche Straftaten aus dem Phänomenbereich PMK-rechts wurden in Berlin in den letzten fünf Jahren bis heute registriert. (Aufstellung nach Jahren und allen Deliktsarten erbeten.) Zu 1.: In den letzten fünf Jahren wurden insgesamt 7161 Fälle der PMK - rechts in Berlin registriert. Diese verteilen sich auf die einzelnen Jahre und Deliktsarten wie folgt: Fallaufkommen PMK - rechts der letzten fünf Jahre Deliktsart 2011 2012 2013 2014 2015 Gewaltdelikte 74 60 88 108 143 Propaganda-delikte 717 831 822 802 774 sonstige Delikte 406 471 477 650 738 PMK – rechts gesamt 1197 1362 1387 1560 1655 2. Wie viele Tatverdächtige, welche dem Phänomenbereich PMK-rechts zugeschrieben werden, wurden in den letzten fünf Jahren in Berlin festgenommen. (Aufstellung nach Jahren und allen Deliktsarten erbeten.) Zu 2.: Eine generelle Festnahmestatistik wird bei der Polizei Berlin nicht geführt. 3. Wie viele Haftbefehle gab es in den letzten fünf Jahren gegen rechte Straftäter (im Sinne der PMK-rechts) im Land Berlin? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 3.: In den Jahren 2014 und 2015 wurden insgesamt 244 Haftbefehle der Berliner Justiz zu Personen, bei denen Anhaltspunkte auf eine Zugehörigkeit zur „rechten Szene“ festgestellt werden konnten, dem Landeskriminalamt (LKA) als neue Haftbefehle bekannt. Im Jahr 2014 handelte es sich um 126 und im Jahr 2015 um 118 Haftbefehle . 4. Wie viele dieser Haftbefehle wurden in den letzten Jahren vollstreckt? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 4.: In den Jahren 2014 und 2015 wurden insgesamt 238 Haftbefehle der Berliner Justiz, gegen Personen, bei denen Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit zur „rechten Szene“ festgestellt wurden, vollstreckt beziehungsweise in anderer Art und Weise erledigt. Im Jahr 2014 handelte es sich um 100 und im Jahr 2015 um 138 Haftbefehle. 5. Welche Gründe haben meistens die Vollstreckung der Haftbefehle verhindert? Zu 5.: Haftbefehle konnten teilweise nicht oder nicht zeitnah vollstreckt werden, weil der tatsächliche Aufenthaltsort der betroffenen Personen nicht oder nicht zeitnah ermittelt werden konnte. 6. In wie vielen Fällen im genannten Zeitraum bestehen Hinweise darauf, dass gesuchte Personen untergetaucht sind um im rechtsextremistischen Untergrund zu agieren? Zu 6.: Dazu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. 7. In wie vielen Fällen wurde Untersuchungshaft angeordnet ? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 7.: Dazu liegen dem Senat keine statistischen Daten vor, weil das Merkmal „PMK-rechts“ im staatsanwaltschaftlichen Aktenverwaltungssystem „Mehrländer- Staatsanwalts-Automation“ (MESTA) nicht erfasst wird. 8. In wie vielen Fällen kam es zu Verurteilungen? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 8.: Die meisten Haftbefehle, die zur Fahndung ausgeschrieben werden, haben eine Verurteilung zur Grundlage. Statistische Auswertungen im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei Berlin oder der Staatsanwaltschaft (StA) Berlin nicht geführt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 205 3 9. Wie viele Menschen wurden durch Straftaten aus dem Phänomenbereich PMK-rechts in den letzten fünf Jahren in Berlin verletzt oder getötet? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 9.: In den letzten fünf Jahren wurden 483 Personen Opfer einer Tat der PMK - rechts. Opfer sind gemäß bundeseinheitlicher Definition natürliche Personen, die durch eine strafbare Handlung körperlich geschädigt wurden oder geschädigt werden sollten. Diese verteilen sich auf die einzelnen Verletzungsarten wie folgt: Opfer der PMK - rechts mit Verletzungsgrad der letzten fünf Jahre Verletzungsgrad 2011 2012 2013 2014 2015 leicht verletzt 40 34 38 41 81 ohne 17 15 50 18 42 schwer verletzt 2 5 2 3 3 unbekannt 8 13 17 24 30 Opfer PMK - rechts gesamt 67 67 107 86 156 Getötete Personen wurden durch den KPMD-PMK im Phänomenbereich PMK - rechts derzeit nicht verzeichnet. Zudem fanden im Berichtszeitraum versuchte oder vollendete Tötungsdelikte statt, die bisher ungeklärt sind, bei denen aber eine rechte Tatmotivation für möglich gehalten wird. 10. Wie viele Übergriffe und Anschläge gab es zwischen 2014 bis heute auf Flüchtlingsunterkünfte in Berlin ? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 10.: Um das Fallaufkommen gegen Unterkünfte für asylsuchende und geflüchtete Menschen trennscharf auswerten zu können, wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2014 das Unterthema „gegen Asylunterkünfte“ im bundesweit verbindlichen Themenfeldkatalog eingeführt. Diesem Unterthema werden Taten der PMK zugerechnet , die sich gegen jede Art der Unterkunft als direktes Angriffsziel aber auch gegen Personen innerhalb der Unterkunft richten. Als Unterkunft werden unter anderem bestehende, im Bau befindliche sowie geplante Aufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen gewertet. Der Personenkreis umfasst zum Beispiel Asylbegehrende, Asylberechtigte und Personen mit Flüchtlingsschutz. Seit 2014 wurden insgesamt 103 politisch motivierte Fälle phänomenbereichsübergreifend registriert, die sich gegen im Bau befindliche oder bereits in Betrieb genommene Flüchtlingsunterkünfte richteten. Diese verteilen sich auf die einzelnen Jahre und Deliktsarten wie folgt: Fallaufkommen PMK gegen Flüchtlingsunterkünfte seit 2014 Deliktsart 2014 2015 2016 Gewaltdelikte 6 12 2 Propagandadelikte 3 6 1 sonstige Delikte 30 40 3 gesamt 39 58 6 11. Wie viele Festnahmen und Verurteilungen gab es zu unter 10. beschriebenen Taten? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 11.: Dazu liegen dem Senat keine validen Erkenntnisse vor. Berlin, den 22. März 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mrz. 2016)