Drucksache 17 / 18 211 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Philipp Magalski (PIRATEN) vom 10. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. März 2016) und Antwort Kahlschlag statt Naturschutz am Schöneberger Ufer in Mitte - Warum missachtet der Senat die geltenden Vereinbarungen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage zukommen zu lassen und hat das Bezirksamt (BA) Mitte um Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Dies betrifft insbesondere die Fragen 1, 3 und 4. Sie wird nachfolgend wiedergegeben: Frage 1: a) Wer bzw. welche Behörden sind für die umfangreichen Baumfällungen Anfang Februar 2016 am Schöneberger Ufer am Landwehrkanal in Berlin-Mitte verantwortlich? b) Wie lautet die fachliche Begründung für diesen Kahlschlag auf einem ca. 70 Meter langem Uferstreifen? c) Wie ist diese brachiale Zerstörung der Ufervegetation und ökologisch hochwertigen öffentlichen Eigentums vor dem Hintergrund eines jahrelangen Diskussionsprozesses fachlich zu rechtfertigen, gerade auch im Hinblick auf den U-Plan Landwehrkanal von 2001, der - wie dem Bezirksamt Mitte wohlbekannt - gerade fortgeschrieben und aktualisiert wird? Antwort zu 1: a) Das BA Mitte von Berlin vertreten durch das zuständige Fachamt (Straßen- und Grünflächenamt, Straßenund Grünflächenamt Mitte [SGA]) hat die Arbeiten beauftragt . b) und c) Aus der Stellungnahme des BA Mitte ergibt sich folgender Sachverhalt: Im Bereich des Schöneberger Ufers fanden über einen längeren Zeitraum keine regelmäßigen Pflegearbeiten statt. Wurzelschösslinge, Sämlinge und Wildwuchs haben sich ausgebreitet und erreichten einen erheblichen Umfang und eine beachtliche Größe. Dieser Zustand ist dem Stellenabbau und dem Rückgang der Unterhaltungsmittel geschuldet. Der seitliche Aufwuchs der Sämlinge aus Götterbaum (Ailanthus) und Robinia (Scheinakazie) ragte deutlich in den Gehweg und zum Teil bis in die Fahrbahn. Die Seitenstreifen verengen sich in diesem Abschnitt, so dass im Falle eines Baumumsturzes der Sicherheitsabstand (zweifache Baumlänge ) nicht gegeben ist. Durch die dornigen Ruten der Akazie konnte der Fußweg nicht mehr genutzt werden. Die Fußgänger wichen auf die Fahrbahn in den Fließverkehr aus oder wechselten die Straßenseite! Während der laufenden Arbeiten hat die beauftragte Firma angezeigt, dass, durch den Sämlingsaufwuchs verdeckt , erhebliche Schäden an drei Bäumen festgestellt wurden. Das Pflegerevier hat nach Begutachtung der Bäume entschieden, dass drei Bäume die laut Flächenkataster dem Bestand des SGA zuzuordnen sind, unverzüglich im Sinne der akuten Gefahrenabwehr beseitigt werden müssen . Alle drei Bäume zeigten ein erhebliches Schadbild und wiesen gravierende Mängel auf. Es handelte sich in allen Fällen um Wildwuchs. Aufgrund ihrer Größe und des erkennbaren Gefahrenpotential wurden sie in den Vorjahren im Baumkataster erfasst. Gefällt wurden: 3 Ailanthus aufgrund wiederholter Astausbrüche 18 Pappeln aufgrund ausbruchgefährdeter Druckzwiesel, Rindeninfektionen der Zweige und dadurch erhöhter Astbruchgefahr. Frage 2: Wie bewertet der Senat die nach sechseinhalbjähriger Mediation und einem weiteren Jahr akribischer Ausarbeitung im Dezember 2013 von 25 Interessengruppen (Bürgerinitiativen, Berliner Wasserbetriebe, fünf Bezirksämter, Umwelt- u. Naturschutzverbände, WSA, IHK, Reederei-/Schifffahrts-Vertreter, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt u. a.) unterzeichnete Mediationsvereinbarung "Zukunft Landwehrkanal "? Welchen Stellenwert räumt der Senat dieser Vereinbarung ein? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 211 2 Antwort zu 2: Der Senat bewertet die Mediationsvereinbarung im Ergebnis grundsätzlich positiv. Mit der Vereinbarung wurden Eckpunkte der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren am Landwehrkanal für den Zeitraum der Planung und Ausführung der Instandsetzung des Landwehrkanals durch das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin festgelegt. Dies schließt auch sinnvolle Regelungen zur gegenseitigen Information und zum Dialog zu aktuellen Maßnahmen ein, so insbesondere zum Umgang mit Bäumen am Landwehrkanal und im Umfeld im Rahmen von laufenden Pflege- und Verkehrssicherungsmaßnahmen . Die festgelegten Grundsätze bilden die Basis für einen vertrauensvollen Umgang zwischen Behörden und Bürger und Bürgerinnen in diesem Stadtraum. Frage 3: a) Warum gab es - abweichend von den Bestimmungen in der Mediationsvereinbarung "Zukunft Landwehrkanal " (insb. Kap. 4.2.1, S. 22) - im besagten Fall (siehe Frage 1) weder eine Vorabinformation, sei es gegenüber der Öffentlichkeit, des sog. Expertenkreises als Beteiligungsgremium noch des WSA und seiner Zentralen Anlaufstelle Öffentlichkeitsbeteiligung (ZÖB) und auch keine Pressemitteilung des Bezirksamts Mitte bzw. des Senats? b) Warum sind die Bestimmungen der Mediationsvereinbarung "Zukunft Landwehrkanal" nicht beachtet und eingehalten worden? Frage 5: Wie kann und soll unter diesen Umständen eine vertrauensvolle Kooperation mit der Stadtgesellschaft funktionieren und fortgesetzt werden, zumal es sich nach 2009 schon um den zweiten Fall unangekündigter, erheblicher und fachlich fragwürdiger "Baumarbeiten" am zum Bezirk Mitte gehörigen Landwehrkanalufer handelt (siehe https://baumschutz.wordpress.com/2009/07/09/pappelver krueppelungen/ )? Antwort zu 3.a), b) und 5: Baumfällungen aus Gründen der Verkehrssicherheit müssen dann erfolgen, wenn zwingende Gebote der Gefahrenabwehr es erfordern und andere Maßnahmen nicht ausreichen. Sie werden nicht langfristig geplant, sondern vor dem Grundsatz des Erhalts des Straßenbaumbestandes unter allen verantwortbaren Kriterien auf den spät möglichsten Zeitpunkt festgelegt . Die erheblichen Schäden an den drei betroffenen Bäumen wurden erst während der laufenden Arbeiten festgestellt. Die durchführende Firma wurde im Zuge der Arbeiten für diese zur akuten Gefahrenabwehr notwendige Maßnahme beauftragt. Dass dabei versäumt wurde, explizit auf die Regelungen der Mediationsvereinbarung (hier 4.2.1) hinzuweisen, ist dem hohen Zeit- und Handlungsdruck geschuldet. Das Bezirksamt bedauert dies nach eigenen Angaben sehr und ist bemüht, die erforderlichen Pflegearbeiteten zu verstetigen, um in Zukunft kurzfristig und sachgerecht solchen Situationen gerecht zu werden. Frage 4: Warum gab es auch auf Nachfrage von Bürger *innen beim Grünflächenamt Mitte, beim WSA und beim ZÖB keinerlei Auskünfte über die Gründe der Baumfällungen, die Zuständigkeiten etc.? Antwort zu 4: Dazu teilt das BA Mitte mit: Entsprechende Anfragen aus der Bezirksverordnetenversammlung wurden unverzüglich beantwortet. Anfragen von Bürgern und Bürgerinnen liegen erst seit kurzem beim Grünflächenamt Mitte vor und werden unverzüglich beantwortet . Berlin, den 23. März 2016 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mrz. 2016)