Drucksache 17 / 18 229 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Rainer-Michael Lehmann (SPD) vom 14. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. März 2016) und Antwort Projekt Heime - Konvergenzphase II -Ergebnisse der Evaluation umfassend und unverzüglich berücksichtigen - Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In welcher Form und durch welche Maßnahmen stellt der Senat sicher, dass die Konvergenzphase II auf Grundlage der Erkenntnisse des Evaluationsberichtes erfolgt, wie es der Beschluss 02/2011 der Kommission 75 vorgibt? 6. Der Beschluss 02/2011 der Kommission 75 macht hinsichtlich der Konvergenzphase II die Vorgabe, weitere trägerbezogene Konvergenzverträge für den Vereinbarungszeitraum 01.01.2014 – 31.12.2017 ausdrücklich auf der Grundlage der Erkenntnisse der stattgehabten Evaluation zu stützen. Hier liegt eine Verbindlichkeit der Evaluation der Phase I und deren Auswertung vor. Wie rechtfertigt der Senat ein Abweichen von diesem Beschluss? Aus welchen Gründen erfolgt ein Bruch eigener Vereinbarungen ? Zu 1. und 6.: Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Verwaltung sowie der Kooperation/Zusammenschluss der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Berlin (LIGA) hat sich rd. 1,5 Jahre mit den aus der Evaluation resultierenden rahmenvertraglichen Konsequenzen befasst und dabei die für die Heime zuständige Facharbeitsgruppe einbezogen. Die Landesseite hatte gegenüber den Verbänden der Leistungserbringer ihre Analysen vorgelegt und Umsetzungsvorschläge unterbreitet. Diese wurden von den Vertreterinnen und Vertretern der Leistungserbringer abgelehnt. Gleichzeitig bestanden jedoch auf LIGA-Seite untereinander abweichende Vorstellungen, so dass bis dato keine ligaseitigen Lösungsvorschläge zur Anpassung des Berliner Rahmenvertrages (BRV) unterbreitet wurden. Folglich hat die Evaluation nicht zu gemeinsamen Erkenntnissen geführt und demnach auch keine Anpassung der bestehenden Rahmenvertragsregelungen bewirkt. Das Ergebnis der Evaluation ist, dass der bestehende Rahmenvertrag nicht angepasst wurde. Somit sind der Beschluss 2/2011 und der unverändert geltende Rahmenvertrag im Wege der Konvergenz nunmehr ab 01.01.2016 umzusetzen. Die Auffassungen einzelner LIGA- Vertreterinnen und LIGA-Vertreter, erst nach Umsetzung aller im Abschlussbericht der BBI GmbH (Gesellschaft für Beratung, Bildung und Innovation) zum Projekt Heime enthaltenen Empfehlungen dürfe die Konvergenz fortgesetzt werden, war nicht Gegenstand des Beschlusses 2/2011. Eine Arbeitsplanung bezüglich diverser Fragestellungen des Berliner Versorgungssystems für Menschen mit Behinderungen wurde durch die Senatsverwaltung erstellt und mit der LIGA abgestimmt. Diese Fragestellungen werden weiterhin in unterschiedlichen Arbeitsgruppen und Formen bearbeitet und umfassen auch langjährige Vorhaben. 2. Im Rahmen des Abschlusses und der Anpassung von Verträgen anhand der Konvergenz, hat die Senatsverwaltung wann mit welchem Träger vor Vertragsschluss gesprochen? Zu 2.: Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat allen 106 Einrichtungsträgern mehrfach Gespräche angeboten, so mit Schreiben vom Juni 2015 und Oktober /November 2015 je Einrichtung. Die Umsetzung der Konvergenz gemäß Beschluss 2/2011 der Kommission 75 war immer Gegenstand der seit dem 01.05.2011 abgeschlossenen Verträge nach § 75 (3) SGB XII. Dies gilt auch für die zunächst zum 01.01.2014 vereinbarte Fortsetzung der Konvergenz in Phase II. D.h., alle Heimträger sind bereits seit Beginn der Umsetzung des Heimprojektes insbesondere über die Verträge immer über die im Beschluss 2/ 2011 geregelte Konvergenz und deren Umsetzungsstand informiert gewesen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 229 2 Das Land Berlin hat immer wieder sowohl auf Verbandsebene als auch bei den Einrichtungen um eine einvernehmliche Lösung geworben. Im Juli 2015 erhielten alle Einrichtungsträger ein Schreiben zur aktuellen Situation . Angesichts der zwingend erforderlichen Neuabschlüsse der Leistungsvereinbarungen bestanden für die Zeit ab 01.01.2016 die Optionen, gemäß Beschluss 2/2011 neue Verträge auf der Basis eines geänderten oder des geltenden Rahmenvertrages umzusetzen. Sowohl in diesem Schreiben als auch im späteren Vertragsangebotsschreiben wurden den Trägern Gesprächsangebote unterbreitet . 3. Worin lag seinerzeit der Konflikt mit der Liga begründet ? Zu 3.: Wie bereits zu Frage 1. und 6. ausgeführt, wurde ligaseitig keine übereinstimmende Auffassung über erforderliche Rahmenvertragsanpassungen auf der Grundlage der Evaluationserkenntnisse kommuniziert. Deshalb war eine Änderung des Rahmenvertrages nicht möglich. Für Anpassungen des Rahmenvertrages gilt das Vetoprinzip , d. h. ohne Konsens ausnahmslos aller Beteiligten sind Änderungen nicht möglich. Nach Einschätzung des Landes Berlin besteht das Problem auf der Verbändeseite darin, dass mit der Konvergenz eine Umverteilung der bisher sehr ungleichen Bedarfsdeckungssituation vorgenommen wird. Bisher haben Menschen mit Behinderung, je nachdem in welcher Einrichtung sie lebten, bei gleichem Bedarf deutlich unterschiedliche Leistungen erhalten. Mit der Konvergenz wird eine Umverteilung durchgeführt, die einrichtungsunabhängig zu gleichen Leistungen bei gleichem Bedarf führt. Der personenbezogene Bedarf, nicht das Heim, bestimmt dann den Leistungsumfang. Damit einhergehend wird erreicht, dass ein identischer Leistungsumfang bei identischem Hilfebedarf – unabhängig vom Ort der Leistungserbringung - gewährleistet und finanziert wird. Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbaren Hilfebedarfen werden durch Leistungsgruppen abgebildet. Die Erkenntnisse der Evaluation bestätigen die Notwendigkeit des eingeschlagen Weges zur leistungsbezogen Angleichung der sehr unterschiedlichen Entgelte für vergleichbare Leistungserbringung und folgen der Verpflichtung zur einheitlichen Bedarfsdeckung. Es gibt also abgebende und gewinnende Einrichtungen, wodurch unterschiedliche Interessenlagen entstanden sind. Aussagen Einzelner, alle BBI-Empfehlungen müssen als Komplex gesehen und die Konvergenz kann erst nach deren gemeinsamer Umsetzung fortgesetzt werden, sind eine grundsätzliche Absage an Umsetzungsfortschritte in einem überschaubaren Zeitraum. Die Landesseite hat Umsetzungsvorschläge unterbreitet , welche jedoch von der LIGA nicht angenommen wurden. Es wurden auch keine eigenen Analysen oder Lösungsvorschläge unterbreitet, stattdessen sollte die seit 2014 ausgesetzte Konvergenz bis Ende 2016 weiterhin nicht umgesetzt werden. Da dem Land Berlin bis heute keine Verhandlungsgrundlagen seitens der LIGA für eine Rahmenvertragsanpassung vorliegen, liefe dies auf einen dauerhaften Verzicht einer Umsetzung des Rahmenvertrages und in der Folge regelhaft auf nicht rechtskonforme Vertragsabschlüsse hinaus. Dies war für das Land Berlin jedoch keine Option, da zum einen alle Leistungsvereinbarungen zwingend zum 01.01.2016 neu abzuschließen waren und zum anderen mehrere Anträge sowie Klageankündigungen von Trägern vorlagen, die nicht bereit waren, die bestehende Benachteiligung und für sie negative Abweichung vom Rahmenvertrag länger hinzunehmen. 4. Seit März 2014 liegen die Ergebnisse des Evaluationsberichtes vor. Aus welchem Grund sind die Ergebnisse (16 an der Zahl) bisher nicht berücksichtigt worden? Zu 4.: Die 16 Handlungsempfehlungen der BBI GmbH beziehen sich nicht nur auf rahmenvertragliche Vereinbarungsgegenstände, sondern auf diverse Fragestellungen des Berliner Versorgungssystems für Menschen mit Behinderungen sowie auf strukturelle Bereiche wie z. B. das Sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis, die Fort- und Weiterbildung von Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern in Einrichtungen und dem Fallmanagement, die medizinische Versorgung. Diese Fragestellungen werden aktuell in unterschiedlichen Arbeitsgruppen und Formen bearbeitet. Eine weitere Sitzung der Arbeitsgruppe „Umsetzung Projekt Heime“, die sich mit ggf. erforderlichen Anpassungen des Rahmenvertrages befasst, befindet sich in der Terminabstimmung . Zu den einzelnen Empfehlungen von BBI: Komplex 1: Aufbau eines zentralen pädagogisch medizinischen Fachdienstes und damit verbunden Neustrukturierung der Rolle des Fallmanagement, Handlungsempfehlungen Nr. 1 und 2 Hierzu wird auf neue zwischen Senat und Bezirken vereinbarte Steuerungsmaßnahmen in der Eingliederungshilfe verwiesen. In diesem Zusammenhang werden schwerpunktmäßig auch verschiedene bislang praktizierte bzw. künftig denkbare Prozessabläufe und Organisationsmodelle der Bedarfsfeststellung in der Eingliederungshilfe analysiert und deren Nachhaltigkeit sowie fachliche Eignung geprüft. Komplex 2: Erteilung weiterer Gutachtenaufträge Handlungsempfehlung Nr. 3 und 4, Komplex 3: Reorganisation der Tagesstruktur, Handlungsempfehlung Nr. 3 und 4 mit vielen Teilaspekten, die an die Vertragspartner, nur die Träger oder nur das Land adressiert sind. Es finden derzeit Verhandlungen in zwei Arbeitsgruppen statt. Erwartete Entwicklungen des Bundesteilhabegesetzes beeinflussen mit diversen Unwägbarkeiten diesen Prozess. Dieser Komplex stellt inhaltlich und zeitlich keine Voraussetzung der Konvergenz dar. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 229 3 Komplex 4: Mitarbeiterinnen- bzw. Mitarbeiterqualifikation und Wohngruppenzusammensetzung Handlungsempfehlungen Nr. 5 und 6 an die Träger Komplex 5: Begutachtungsverfahren, Handlungsempfehlung Nr. 7, 9 und 13, Kriterien für die Bildung von Hilfebedarfsgruppen ändern, Anteil der Menschen in höheren Hilfebedarfsgruppen erhöhen, Empfehlungen zu einer neuen Begutachtungssystematik in das Verfahren zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) einbringen, keine gesonderte Berliner Lösung vorab gestalten. Referentenentwurf zum BTHG war zum 15.3.2016 angekündigt, wird täglich erwartet. Komplex 6: ärztliche Versorgung Handlungsempfehlung Nr. 8 Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz, § 119 c SGB V, besteht die Möglichkeit, Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen vergleichbar mit den sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) zu errichten. In ihrem Positionspapier entwickelte die Arbeitsgruppe (AG) MZEB Vorschläge zur Gestaltung einer inklusiven Praxis im Land Berlin, um eine wohnortnahe, barrierefreie und flächendeckende Versorgung mit Präventions-, Gesundheits -, Rehabilitations- und Pflegeangeboten zu schaffen, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Die Senatsverwaltung für Gesundheit Soziales hat sich aktiv an der Erarbeitung des Positionspapiers beteiligt und unterstützt das weitere Umsetzungsverfahren. Komplex 7: Konvergenz, Handlungsempfehlung Nr. 11, 12, beenden, Budgetneutralität aufgeben, Konvergenz für profitierende Einrichtungen fortsetzen, Leistungsumfang (bei den höheren Hilfebedarfen) erhöhen. Der Grundkonsens der LIGA-Verbände und des Landes Berlin bei der Durchführung des Projektes Heime ab dem Jahr 2007 war, dass die Berliner Versorgungssituation in der Summe der Leistungen angemessen und bedarfsdeckend ist. Damit waren die Voraussetzungen zur Budgetneutralität geschaffen. Im Ergebnis geht es um eine Umverteilung von Leistungen. Es ist weder eine Absenkung der Leistung zu Lasten der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner noch eine Leistungserhöhungen im System zu Lasten des Landeshaushaltes, was mit dem Begriff „Budgetneutralität“ zusammengefasst wurde, vorgesehen. Komplex 8: Weiterentwicklung der Dokumentationsund Berichtswesens Die Verhandlungen zu diesem Komplex in einer speziellen Unterarbeitsgruppe zur AG BRV machen gute Fortschritte. Komplex 9: Rechtsfragen Handlungsempfehlung Nr. 15, Adressat Bundesgesetzgeber, auf Landesebene sind die rechtlichen Klärungen zum Projekt Heime durch die Gerichte abgeschlossen Komplex 10: nutzerfreundliche Webseite , Handlungsempfehlung Nr. 16, Das Land Berlin hat einen sehr umfangreichen, transparenten Internetauftritt im Sozialbereich. Dieser Komplex , in dem Entwicklungspotential besteht, wird aktuell wegen vorrangiger sozialpolitischer Schwerpunkte nicht bedient. 5. Die Senatsverwaltung schuf Fakten zur Durchführung und zum zügigen Abschluss der Konvergenz. Dabei gestaltete sich die Sachlage so, dass zum 31.12.2015 die Leistungs- und Prüfvereinbarung ausläuft und mithin den Trägern ihre Grundlage zur Abrechnung von Leistungen entfiele, sofern sie nicht zur Neuunterzeichnung bereit sind. Wie soll, vor dem Hintergrund dieses einseitigen Vorgehens, aus Sicht des Senates eine zukünftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Trägerlandschaft aussehen ? Zu 5.: Als grundlegende Voraussetzung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit hält sich das Land Berlin an die geschlossenen Verträge. Eine weitere Verzögerung der Konvergenz, deren Abschluss für das Jahr 2017 vereinbart war und nunmehr im Jahr 2020 abgeschlossen sein wird, ist nicht zu begründen. Die Mehrzahl der Einrichtungen (70 von 106 Einrichtungen ) profitiert von der im Rahmen der Konvergenz erfolgten Anpassung an die rahmenvertraglichen Personalzeiten und hat darauf vertraut, dass die Anhebung im Rahmen des im Beschluss 2/2011 der Kommission 75 genannten Zeitrahmens bis Ende 2017 vollständig umgesetzt wird. Nach dem Abschluss der ersten Konvergenzphase bis 31.12.2013 hatten immerhin noch 44 Einrichtungen einen Anspruch auf Leistungsverbesserungen, dessen Umsetzung bereits zwei Jahre im Verzug war. Ja, die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat auf den rechtzeitigen Abschluss neuer Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen gedrängt. Nicht-Handeln hätte einen vertragslosen Zustand nach sich gezogen, eine derart schlechte Option wurde tatsächlich nicht in Erwägung gezogen. 7. Die Evaluation ergab, dass noch bestehende Unterschiede in der Verteilung der Leistung trägerbezogen gerechtfertigt sein kann. Von 3 Trägern ist bekannt, dass diese die Verträge nicht unterzeichneten (Spastikerhilfe, Lebenshilfewege und Neukirchener Erziehungsverein). Der Beschluss 02/2011 3.f) regelt hierzu „mit Einrichtungen mit einrichtungsindividuellen Überschreitungen der Soll-Zeiten von über 26,5 % werden individuelle Verhandlungen über angemessene und realisierbare Anpassungsmaßnahmen geführt und einvernehmliche Vereinbarungen getroffen. Wie sah hier das Hinwirken auf Einvernehmen mit den genannten 3 Trägern konkret aus? Wel- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 229 4 che Lösungsvorschläge wurden den betroffenen Trägern gemacht? Wie stellt sich der Senat perspektivisch den Umgang mit diesen 3 Trägern vor? Zu 7.: Von den drei in Rede stehenden Trägern hat nur das Wohnheim des Neukirchener Erziehungsvereins (10 Plätze) mit 46 % eine Abweichung von mehr als 26,5% zu den rahmenvertraglichen Personalzeiten. Bei diesem Träger hat die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in die Umsetzung der Konvergenz einbezogen, dass der Träger ein weiteres Wohnheim plant und den Leistungsvertrag entsprechend angeboten. Auf das damit verbundene Gesprächsangebot hat der Träger nicht reagiert . Wie bereits ausgeführt, wurden allen Trägern Gesprächsangebote unterbreitet. Mit den anderen beiden genannten Trägern steht die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales entsprechend in Verhandlungen. Alle drei namentlich genannten Träger haben Klagen bei Gericht auf den Abschluss von Leistungsvereinbarungen nach ihren jeweiligen Vorstellungen eingereicht. Das Land Berlin zahlt bis zur gerichtlichen Klärung nach § 41 SGB I Vorschüsse im unstrittigen Leistungsumfang. 8. Wie und auf welcher Grundlage erfolgt die genaue Berechnung der Minutenwerte durch Hammerschick und welche Bemessungsgrundlage gibt es für die Festlegung des Befragungszeitraumes der Bewohnerinnen und Bewohner von lediglich 1 Woche? Wie und durch welche konkreten Maßnahmen wurde der Senat der Maßgabe gerecht, die Zeitsystematik nach Hammerschick, aufgrund der mangelnden Dokumentation, anhand einer statistischen Ist-Analyse noch einmal zu prüfen und ggf. zu korrigieren, wie das bspw. die BBI vorgelegt hat? Zu 8.: Im sog. Hammerschickprojekt wurden im Jahr 2007 für 1007 Heimbewohner eine ganze Woche lang (d. h. alle Wochentage und ein Wochenende) die Leistungen nach den H.M.B.W. (Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung – Wohnen) Lebensbereichen erfasst. Dies waren rd. 31 % aller Heimbewohnerinnen bzw. Heimbewohner und ist bis heute die bundesweit größte empirische Datenerfassung über die tatsächliche Leistungserbringung im Verhältnis zu den nach dem H.M.B.W. Verfahren festgestellten Hilfebedarfen. Dass der BBI und auch dem Land Berlin nicht alle Bewohnerdaten im Detail vorliegen, sieht das Land Berlin nicht als Dokumentationsmangel an, sondern als Ausfluss von Datenschutzregelungen über die Zusammenführung umfangreicher personenbezogener Daten. Die Vertragspartner haben sich im Projekt Heime mit einer Vielzahl von Experten auf beiden Seiten mit aggregierten Daten und deren Richtigkeit befasst. BBI hat eine Stichprobe von 76 Leistungsberechtigten erhoben, das sind weniger als 3 % der derzeitigen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner und dies in der Regel für 3 Tage (in zwei Gruppen waren es 7 Tage). Der Hammerschickstudie lag demnach gegenüber der BBI- Studie das 30fache Datenvolumen über die tatsächliche Leistungserbringung zugrunde. Ungeachtet der statistischen Relevanz kleiner Stichproben, stellt die BBI Studie auf S. 28 Ergebnis 1. dennoch fest, dass ihre Stichprobe grundsätzlich die Ergebnisse der Zeitaufschriebe 2007 bestätigt. D. h., bezüglich der tatsächlichen Leistungserbringung gelangt sie zu annähernd den gleichen Ergebnissen wie die Hammerschickstudie. Das bedeutet: an den von Herrn Hammerschick festgestellten tatsächlichen Leistungszeiten je Lebensbereich und Ausprägung des Hilfebedarfes in den Kategorien A, B, C und D hat sich auch 2013 nichts geändert. Der Rahmenvertrag hat diese berlinweite Trägerrealität in die Zeitwerte für die Hilfebedarfsfeststellung weitestgehend übernommen. Die Übereinstimmungen von Zeitwerten bei mehreren Items für die Ausprägung C und D ist keine Setzung des Rahmenvertrages, sondern Berliner Trägerrealität , der der Rahmenvertrag gefolgt ist. Kern der Hammerschickerhebung war die Erkenntnis, dass zu einem Punkt im H.M.B.W. Verfahren sehr unterschiedliche Zeitwerte gehören, je nachdem in welchem Item und welcher Ausprägung des H.M.B.W. Verfahrens er angesiedelt ist. Der Evaluation der BBI liegen fast ausschließlich Befragungen der Heime und der Angehörigen der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner zugrunde. Dabei sind durchgängig alle Heimträger und Angehörigen der Auffassung , dass die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner zu niedrig eingestuft sind und somit zu wenig Leistungen erhalten, obwohl der vom Land Berlin vereinbarte Leistungsumfang sich gegenüber der Zeit vor der Umstellung auf Leistungsstufen nicht verringert, sondern durch Höherstufungen bis zum Jahr 2014 sogar um 6 Mio. € erhöht hat. 9. Wie lautete genau der Auftrag seitens des Landes an die BBI und in welcher Höhe entstanden dem Land Kosten für die Beauftragung? Zu 9.: Die Evaluation des Umstellungsprozesses der Hilfebedarfsgruppensystematik in vollstationären Eirichtungen für erwachsene Menschen mit geistiger und / oder Mehrfachbehinderung (Projekt Heime) wurde im Rahmen eines offenen, nationalen Vergabeverfahrens ausgeschrieben . Die Ausschreibungsunterlagen zu Teilnahmevoraussetzung , Auftragsinhalten und Anforderungen wurden auf der Berliner Vergabeplattform veröffentlicht. Der potentielle Auftragnehmer sollte die durchgeführte Umstellungsbegutachtung sowie die budgetneutrale Umstrukturierung der Vergütungssystematik zum Zeitpunkt der Umsetzung evaluieren. Ferner wurden auch Einschätzungen zur potentiellen Weiterentwicklung des Berliner Versorgungssystems (z. B. Bewertung alternativer Bedarfsfeststellungsverfahren , Bedarfe besonderer Personengruppen , Einführung eines pädagogischenmedizinischen Fachdienstes) beauftragt. Von den eingereichten Angeboten erhielt die BBI GmbH den Zuschlag. Das Auftragsvolumen betrug 135.978,92 €. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 229 5 10. Weshalb geht die Senatsverwaltung auf Hinweise, Vorschläge und Konzepte zur Überarbeitung des Schmitt- Schäfers-Leitfaden nicht ein? Welche Gründe gibt es, dass die Senatsverwaltung sämtlichen Argumenten von Eltern – und Angehörigen-Vertretungen sowie anderer Fachexpertise und der Wissenschaft nicht folgen kann, obwohl hier ein Ergebnis der Evaluation die Überarbeitung des Schmitt-Schäfer-Leitfadens empfiehlt? Zu 10.: Im Jahr 2011 betrug der Anteil der höchsten H.M.B.W. Stufe 5 rd. 30 % aller Heimbewohnerinnen und Heimbewohner, lag weit über dem im Bundesgebiet üblichen Anteil von rd. 3-5 % und wurde von Fachleuten – einschließlich Frau Prof. Metzler als Autorin des H.M.B.W. Verfahrens - als nicht angemessen bewertet. Das H.M.B.W.-Verfahren als Instrument der Ermittlung des individuellen Hilfebedarfes wird seit der Jahrtausendwende in Berlin in der örtlichen Zuständigkeit der 12 Berliner Bezirke angewendet. Im Rahmen des Projektes Heime wurde die unterschiedliche Anwendung dieses Erhebungsinstrumentes sehr deutlich und die Forderung nach einheitlichen Anwendungskriterien erhoben. Die Entwicklung eines Leitfadens zur Anwendung des H.M.B.W.-Verfahrens war daher ein Bestandteil des europaweiten durchgeführten Vergabeverfahrens zur Umstellungsbegutachtung. Die Auftragnehmer, ISG - Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, transfer-Unternehmen für soziale Innovation und die Universität Koblenz-Landau, erarbeiteten in einem strukturierten Verfahren den Leitfaden. Im Vorfeld der Umstellungsbegutachtung wurden an der Verwaltungsakademie und in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in diversen Veranstaltungen - mit mehr als 600 Teilnehmern – (Beschäftigte aus Einrichtungen und Bezirken , Vertreter der LIGA und der bezirklichen Behindertenvertretungen ) Kriterien und Anwendungsbeispiele zur Feststellung des individuellen Hilfebedarfes zusammengetragen und in eine erste Version des Leitfadens überführt. Erfahrungen aus der Durchführung der Umstellungsbegutachtung wurden ebenso wie die Erkenntnisse aus dem wissenschaftlichen Dialog mit Frau Dr. Metzler, Frau Prof. Seifert u. a. in die derzeit vorliegende Fassung des Leitfadens eingearbeitet. Dieser Leitfaden, erarbeitet von Wissenschaftlern und Praktikern, eröffnet nun erstmals seit Anwendung des H.M.B.W.-Verfahrens in Berlin die Grundlage für eine möglichst einheitliche Praxis bei der Bedarfsermittlung. Die von BBI, LIGA-Verbänden und Angehörigenvertretungen vorgetragenen Vorschläge und Hinweise wurden durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales mit Experten erörtert und bewertet. Darin eingeschlossen war die Analyse der praktischen Anwendung dieses Leitfadens und der seit dem Jahr 2011 eingetretenen Entwicklung der Leistungsstufen im Land Berlin. Betrug der Anteil der Leistungsstufen 5 und 6 im Umstellungsjahr 2011 noch 17 % ist er im Jahr 2014 bereits auf 22 % angestiegen. Der Senat vertritt die Auffassung, dass erneute Veränderungen an der Hilfebedarfsgruppensystematik und dem Bedarfsfeststellungsverfahren nicht vor der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) erfolgen können. Jegliche Veränderung im Bedarfsfeststellungsverfahren bedingt enorme zeitliche und finanzielle Ressourcen, um Anwendungskompetenz, Akzeptanz und Umsetzungsbereitschaft bei allen Verfahrensbeteiligten zu bewirken. 11. Im Juni 2011 haben Senat und Eltern- bzw. Interessenvereine eine gemeinsame Erklärung zur künftigen Zusammenarbeit geschlossen. In welcher Form hat die darin vereinbarte Beteiligung der Elternvereine stattgefunden ? Wie stellt sich der Senat das konkrete zukünftige /weitere Verfahren unter systematischer Einbeziehung der Eltern- und Angehörigenvertretungen sowie anderer Fachexpertisen vor? Zu 11.: Das Rechtsverhältnis im Vertragsrecht nach § 75 Abs. 3 Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) besteht zwischen dem Land Berlin und den jeweiligen Einrichtungsträgern bzw. den Verbänden. Angehörigen- und Interessensvertretungen sind nicht Vertragspartner. Der Senat – vertreten durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales – hat mit der gemeinsamen Erklärung den Raum zur Einbindung der Angehörigen- und Interessenvertretungen geschaffen. Er informiert die Vertretungen regelmäßig zum Verfahrensstand des Projektes. Dieser begonnene Prozess wird auch zukünftig fortgesetzt. Seit 2011 standen die jeweiligen Staatssekretäre und Senatoren den Vertreterinnen und Vertretern der Angehörigen- und Interessensvereinen zu diversen Gesprächsrunden zur Verfügung. Im Vorfeld des Vergabeverfahrens zur Evaluation des Projektes Heime wurden die Vertretungen proaktiv an der Erarbeitung der inhaltlichen Fragestellungen zum Evaluationsauftrag sowie bei der Datenerhebung im Rahmen der Durchführung beteiligt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 229 6 12. Wie beurteilt der Senat die Sicht, dass hier ein Aufgabenbereich der Verwaltung durch das Landesparlament geklärt wird? Welchen eigenen zukünftigen Lösungsweg hat die Senatsverwaltung hier entwickelt? Zu 12.: Der Senat ist der Auffassung, dass die Berliner Verwaltung, hier die für Soziales zuständige Senatsverwaltung , ihren verfassungsmäßigen Auftrag gem. Art. 66 ff Verfassung von Berlin erfüllt. Die Vielfalt der Aufgabenstellungen und Themenbereiche im sozialen Berlin wird verantwortlich und kompetent wahrgenommen und umgesetzt. Dazu gehören gem. Art. 67 Abs. 1 Nr. 3 auch Aufgabenbereiche, die wegen ihrer Eigenart zwingend einer Durchführung in unmittelbarer Regierungsverantwortung bedürfen. Insbesondere Angelegenheiten gesamtstädtischer Bedeutung oder steuerungsrelevante Fragen gehören dazu. Das Projekt Heime als kleiner Ausschnitt aus den sozialen Themenfeldern ist ein lebendiges Beispiel gelebter gemeinsamer Verantwortungswahrnehmung von Verwaltung , LIGA, Trägern, Wissenschaft und Betroffenen und mündet in gemeinsamen Kommissionsbeschlüssen der vom Bundesgesetzgeber vorgesehenen Vertragspartner zum Berliner Rahmenvertrag Soziales. Berlin, den 1. April 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Apr. 2016)