Drucksache 17 / 18 230 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ellen Haußdörfer (SPD) vom 10. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. März 2016) und Antwort Kaninchen in Berlin-Mitte: Wo sind nur die Hasen hin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Bedeutung haben die, in Fahrbahn und Gehweg eingelassenen Kaninchen-Figuren, in der Chausseestraße in Berlin-Mitte? Zu 1.: Das Denkzeichen „Kaninchenfeld“ der Berliner Künstlerin Karla Sachse ging aus dem Kunstwettbewerb „Übergänge“, der die Erinnerung an die innerstädtischen Grenzübergänge der Berliner Mauer mit künstlerischen Mitteln zum Thema hatte, hervor (siehe auch Antwort zu Frage 2). Die Silhouetten lebensgroßer Kaninchen in Form von Bodenintarsien bezeichnen die Fläche des ehemaligen Grenzübergangs an der Chausseestraße im Wedding. Sie sollen an die friedlichen Bewohnerinnen und Bewohner des Todesstreifens erinnern, die den Menschen diesseits und jenseits der Mauer als „Projektionsobjekt“ dienten. „Die Arbeit entfernt sich zunächst scheinbar von der Ernsthaftigkeit der Wettbewerbsaufgabe. Der Bezug auf die Kaninchen, die kleinen Verwandten der stolzen Hasen , als friedliche und subversive Bewohner des Todesstreifen legt eine Fährte, die in der ornamentalen Behandlung des Straßenraums wieder aufgenommen wird.“ (Auszug aus dem Protokoll des Preisgerichts, September 1996) 2. Welche Konzeption hatte der Wettbewerb, den dieses Kunstprojekt gewonnen hat? Zu 2.: Aufgrund stadträumlicher Veränderungen in weiten Teilen des Mauerverlaufs drohten nach 1990 die bedeutungsvollen Orte der innerstädtischen Grenzübergänge aus der deutschen Geschichte nach 1945 zu verschwinden . Um dem Vergessen entgegenzutreten, lobte die damalige Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr jetzt Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) den Nichtoffenen Einphasigen Kunstwettbewerb „Übergänge“ aus. Inhaltliche Zielsetzung des 1996 durchgeführten Wettbewerbs war es, Konzepte zu finden, die sich mit dem Thema Übergang in seiner Vielschichtigkeit auseinandersetzen. Durch örtliche Markierungen sollte die Erinnerung an die ehemaligen innerstädtischen Grenzübergänge im Stadtbild bewahrt werden. Im Auslobungstext des Wettbewerbs wird die Aufgabenstellung wie folgt formuliert: „Die künstlerische Umsetzung der Hintergründe und Assoziationen, die mit dem gesellschaftlichen Veränderungsprozess (der Wiedervereinigung Berlins) und der geographischen Gegebenheiten verbunden ist, soll Aufmerksamkeit auf die Geschichte und Bedeutung der Standorte lenken.“ Sieben ehemalige Grenzübergänge bildeten die Standorte für die künstlerische Bearbeitung. Aus dem Wettbewerb gingen insgesamt sieben künstlerische Zeichen an ehemaligen Grenzübergängen hervor. Der Entwurf zu dem Denkzeichen „Kaninchenfeld“ von Karla Sachse ist eine der zur Ausführung empfohlenen und realisierten Arbeiten dieses Wettbewerbs. 3. Wer lobte den Wettbewerb aus und wie gestaltete sich die Finanzierung? Zu 3.: Der Kunstwettbewerb „Übergänge“ wurde 1996 durch das Land Berlin, vertreten durch die damalige Senatsverwaltung für Bauen Wohnen und Verkehr in Abstimmung mit den beteiligten Bezirksämtern als einphasiger nichtoffener Wettbewerb mit 35 eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern ausgelobt. Der Kostenrahmen für die Ausführung inklusive Künstlerhonorar und Material- und Herstellungskosten betrug pro Standort bis zu 130.000,00 DM. Die Durchführung des Wettbewerbs und die Realisierung der empfohlenen Entwürfe wurden aus dem Titel 81278 „Künstlerische Gestaltungen im Stadtraum“ finanziert . Die Realisierung erfolgte sukzessiv über einen Zeitraum von 3 Jahren. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 230 2 4. Wann wurden die ersten und wie viele Kaninchen- Figuren insgesamt realisiert? Zu 4.: Die Realisierung des Denkzeichens „Kaninchenfeld “ erfolgte im Jahr 1999. Insgesamt wurden 120 Kaninchenfiguren in unterschiedlichen Stellungen als Messingintarsien in den Fahrbahn- und Gehwegbereich der ehemaligen Grenzübergangsstelle Chausseestraße, Berlin-Mitte eingelassen. 5. Wie viele Kaninchen "verschwanden" in Folge von Bauprojekten, und wie viele konnten wieder hergestellt werden? Zu 5.: Zum Zeitpunkt der Bestandsdokumentation 2009 waren noch ca. 80 Kaninchen vorhanden. Im Jahr 2014 wurden ca. 70 und im März 2015 ca. 50 Kaninchen gezählt. Die Ursachen der Reduzierung sind die Verkehrsbelastung , der die Intarsien langfristig nicht standhalten , und die zahlreichen Großbaustellen beiderseits der Straße. Bei der letzten Baumaßnahme 2012 wurden in Abstimmung mit der Künstlerin von 13 ausgebauten Kaninchenobjekten , 9 noch intakte Kaninchenobjekte an einem neuen Standort in der Mitte der Fahrbahn bzw. auf den Gehwegen eingesetzt (siehe Anlage 1). 6. Wo befinden sich die, noch nicht wieder in das Straßenbild eingefügten Kaninchen-Skulpturen? Zu 6.: Derzeit sind ca. 6 irreparabel geschädigte Kaninchen -Intarsien bei der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) eingelagert. 7. Wann wird das Kunstprojekt wieder vollendet? Zu 7.: Eine Wiederherstellung der Arbeit im Originalzustand ist nicht mehr möglich. Die Messingintarsien im Fahrbahnbelag der Chausseestraße halten der Belastung durch den Autoverkehr nicht stand. 8. Gibt es ähnlich gelagerte Kunstprojekte in Berlin? Zu 8.: Mir sind keine ähnlich gelagerten Kunstprojekte in Berlin bekannt. 9. Gibt es eine Übersicht von Kunstprojekten (Installationen , Kunst am Bau etc.), die temporär oder dauerhaft durch Bauvorhaben (Neubau, Sanierung etc.) beschädigt bzw. unvollendet sind? Wenn ja, bitte Aufschlüsselung nach Bezirk und Projekt . Zu 9.: Eine Liste der sich im Fachvermögen des Landes Berlin befindlichen Kunst im Stadtraum wird bei der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Skzl-Kult) geführt. Für die bauliche Unterhaltung von Kunst am Bau ist die jeweilige Eigentümerin bzw. der jeweilige Eigentümer des Grundstückes zuständig, somit wird hierüber auch keine entsprechende, zusammenfassende Liste beim Land Berlin geführt. Gleiches gilt für Kunst im Stadtraum im Fachvermögen der Bezirke, hier sind die jeweiligen Bezirksämter für den baulichen Unterhalt zuständig. Berlin, den 22. März 2016 In Vertretung Tim Renner Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mrz. 2016) S17-18230 Anlage 1 zur S1718230 Lageplan Hasen