Drucksache 17 / 18 235 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Birk (GRÜNE) vom 15. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. März 2016) und Antwort Versinkt E-Government@school erneut im Chaos? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Warum unterliegen die Mittel für E-Government @school einer Sperre durch die Senatsverwaltung für Finanzen und welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um die Mittel freizugeben? Zu 1.: Die Haushaltsmittel aus dem Kapitel 1000 für die Neuausrichtung des Projektes eGovernment unterliegen einer Sperre, da es eines Umsetzungskonzeptes bedarf . Hierzu ist eine weitergehende Abstimmung zur Kalkulation und Wirtschaftlichkeit auch mit dem IT- Dienstleister erforderlich. Nach Abstimmung der Auswirkungen und Planungsanpassung werden die Mittel freigegeben . 2. Trifft es zu, dass der Senat die hessische Schulverwaltungssoftware „Lehrer- und Schülerdatenbank“ (LUSD) für 1,9 Mio. Euro aus Restmitteln des Haushalts 2015 gekauft hat, obwohl zum Zeitpunkt des Kaufs unklar war, wie hoch die Folgekosten für die Anpassungen dieser Software auf die Berliner Bedarfe sein würden? Zu 2.: Nein, das trifft nicht zu. Es trifft zu, dass die Schulverwaltungssoftware LUSD aus Mitteln des Haushalts 2015 gekauft wurde. Die konkreten Folgekosten für die Anpassung dieser Software auf die Berliner Bedarfe wurden auf der Grundlage einer Prozessanalyse und Hessischer Erfahrungswerte geplant. 3. Trifft es zu, dass es weiterhin unklar ist, in welchem Maße Anpassungen von LUSD notwendig sind, wer sie erheben und umsetzen soll und wie viel sie kosten werden , wenn ja, warum? Zu 3.: Nein, das trifft nicht zu. In einem abgestuften Abstimmungsprozess mit erfahrenen Praktikerinnen und Praktikern unterschiedlicher Prozessbeteiligter (Schulen, Schulaufsicht, Bezirke) wurde der Anpassungsbedarf des LUSD-Verfahrens für die Nutzung im Land Berlin im ersten Ansatz ermittelt. Hierbei wurde erkennbar, dass der funktionale Anpassungsbedarf in Bezug auf schulische Prozesse sehr gering ist. Für die Umsetzung der Anpassungen wird zeitnah ein erfahrener externer Partner unter Nutzung des Rahmenvertrages für Projektservices des ITDZ Berlin beauftragt werden . 4. Wenn Frage 3 verneint wird, welche Kosten und welcher Zeitplan sind für die Anpassung des LUSD Systems kalkuliert und welche Grundlagen für diese Kalkulation liegen vor und wer wird die Anpassungen vornehmen ? Zu 4.: Anpassungsleistungen der LUSD an Berliner Bedarfe hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft wie folgt kalkuliert: 2016 mit 480.000 €, 2017 mit 460.000 €, 2018 mit 450.000 € und 2019 mit 330.000 €. Die Kalkulation für die Anpassung dieser Software auf die Berliner Bedarfe wurde auf der Grundlage einer Prozessanalyse und Hessischer Erfahrungswerte geplant. Für die Umsetzung der Anpassungen wird in Kürze ein Wettbewerb unter den Rahmenvertragspartnern des Berliner ITDZ gestartet. 5. Trifft es zu, dass es noch keine unterzeichnete Beauftragung des IT-Dienstleistungszentrums (ITDZ) im Rahmen von E-Government@school durch das Land Berlin gibt, obwohl das ITDZ schon diesbezüglich Aufgaben erfüllt hat und damit in Vorleistung gehen musste? Falls die Beauftragung inzwischen unterzeichnet wurde, wann war das? In welcher Höhe fielen Personalstunden und Sachmittel beim ITDZ an, ohne dass dazu eine Beauftragung existierte? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 235 2 Zu 5.: Derzeit gibt es noch keine unterzeichnete Beauftragung des IT-Dienstleistungszentrums (ITDZ) Berlins . Grundlage für die Vorleistungen des ITDZ Berlin ist ein gemeinsamer Letter of Intent (LOI), damit die technischen Vorbereitungen zur Realisierung der angestrebten Lösung bereits getroffen werden können. Die abrechenbaren Vorleistungen für Personal- und Sachmittel werden üblicherweise nach der Annahme des aktuell in der Erstellung befindlichen Angebotes erstattet. 6. Trifft es zu, dass die bisher genutzte Schulverwaltungssoftware Magellan entgegen der Aussagen des Staatssekretärs Rackles und des Projektleiters von E- Government@school sehr wohl geeignet ist für einen webbasierten Einsatz und als solches auch erfolgreich vom ITDZ für die webbasierte Anwendung getestet wurde ? Wenn ja, welche Schlussfolgerung zieht der Senat daraus für den weiteren Einsatz von Magellan zum einen und die Notwendigkeit von LUSD zum anderen, wenn eines der gewichtigsten, aber unzutreffenden Argumente gegen Magellan damit entfallen ist? Zu 6.: Nein, das trifft nicht zu. Derzeit gibt es im Rahmen des geplanten Schuldesktop außer der zukünftig eingesetzten LUSD keine Software , die über einen web-basierten Zugriff den Schulen zur Verfügung gestellt wird. Auf der Webseite der Firma Stüber wird Magellan explizit als „Client-Server- Technologie“ ausgewiesen. Magellan ist nicht als web- Anwendung bekannt. 7. Wann wurde die seit zwei Jahren vorliegende Schnittstelle zwischen Magellan und Untis formal abgenommen ? Warum kam es hier zu Verzögerungen? Wie hat sich diese Schnittstelle bewährt? Zu 7.: Die Schnittstelle wurde im Juni 2014 nach einer intensiven Anforderungsspezifikation durch Praktikerinnen und Praktiker aus Schulen von den beteiligten Entwicklungsfirmen realisiert, durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft abgenommen und im August 2014 den Schulen zur Erprobung zur Verfügung gestellt. Die technische Realisierung der Schnittstelle zwischen den Programmen Magellan und Untis mit bidirektionaler Funktionalität erforderte einen intensiven Prozess der Anforderungsanalyse mit Abstimmungsprozess , da die unterschiedlichen Programme zwar über ein technisch definiertes Austauschformat verfügten, bei der Behandlung von Einzelprozessen (z. B. Löschen von Kursen, Austauschen von Schülerinnen und Schülern zwischen Kursen) jedoch zu wenig Informationen beim Zurückübertragen an das aufnehmende Programm gaben. 8. Ist LUSD Open Source fähig? Die Magellan- Fortentwicklung Enbrea ist Open Source; in wie weit wurde diese Tatsache beim Vergleich zwischen LUSD und Magellan berücksichtigt? Zu 8.: In der Entscheidungsfindung wurden marktreife Produkte, die in Funktion von Anwenderinnen und Anwendern akzeptiert sind und ihre Stabilität flächendeckend unter Beweis gestellt haben, bevorzugt. Bei Enbrea handelt es sich um eine Entwicklung, die derzeit als Ergänzung für das Produkt Magellan geplant ist. Als Schulverwaltungssoftware, die eine integrierte und offene Plattform abbildet, wird Enbrea als langfristige Vision beschrieben. Die LUSD ist nicht Open Source fähig. Dies wurde im Vergleich zwischen LUSD und Magellan berücksichtigt. Die derzeit möglichen Eingriffsmöglichkeiten in die Programmanpassung in Magellan durch Schulen führen zu grundsätzlich unterschiedlichen „Entwicklungssträngen“. Dadurch ergeben sich Programmunterschiede, die für den Support nicht einzuordnen sind und bei Updates zu Schwierigkeiten führen können. 9. Über wie viele Lizenzen für Magellan verfügt das Land Berlin? An wie vielen Schulen ist Magellan im Einsatz? Falls dem Senat dies nicht bekannt ist, warum verfügt er diesbezüglich über keine Übersicht? Zu 9.: Das Land Berlin hat für alle öffentlich rechtlichen Schulen eine Magellan-Lizenz erworben. Aussagen über den quantitativen Einsatz und der Intensität mit der die jeweiligen Schulen die Software nutzen, wurde im Rahmen der Projektevaluation 2013 mit einer Umfrage unter allen Berliner Schulen ermittelt. Auf die Frage „ob die Berliner Schulmanagementsoftware Magellan auf den Verwaltungscomputern installiert ist“, antworteten die Schulen wir folgt: 7% mit ja, 7% mit teilweise, 10% mit weiß ich nicht, 76% mit nein. Bei der Frage nach der Häufigkeit der Nutzung antworteten die Schulen wie folgt: 9% regelmäßig, 4% gelegentlich /selten/sehr selten, 87% gar nicht. 10. Falls Magellan abgelöst werden soll, welchen Ersatz wird es für den Einsatz von Magellan in Schulbibliotheken geben? Zu 10.: Das Schulbibliotheksprogramm von Magellan wurde bisher nicht durch das Land Berlin als Lizenz erworben . Die LUSD verfügt über Schnittstellen zu Bibliothekssoftware , so dass auch das Modul von Magellan weiterhin mit entsprechenden Daten über die Schnittstelle bedient werden kann. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 235 3 11. Wie gedenkt der Senat damit umzugehen, dass der Supportvertrag für Magellan zum Juli dieses Jahres ausläuft ? Ist eine Verlängerung geplant? Wenn nein, warum nicht, angesichts der Tatsache, dass die Lizenzen ja auf diese Weise nutzlos würden und bis zum Sommer auch keine angepasste Ersatzlösung durch LUSD in Aussicht steht? Zu 11.: Der Supportvertrag ist grundsätzlich unabhängig von der Nutzung der Magellan-Lizenzen durch die Schulen. Jährlich wird geprüft, ob und in welchem Umfang die Verlängerung des Supportvertrages erforderlich ist. 12. Trifft es zu, dass Schulen, die bereits webbasiert über das ITDZ ihre Schulsoftware nutzen, auch andere Schulverwaltungssoftwareprogramme nutzen können und dürfen als Untis, Magellan oder LUSD? Wie ist das vereinbar mit dem Ziel des Senats, alle Schulen auf LUSD in Verbindung mit Untis umzustellen? Lässt sich daraus schlussfolgern, dass auch nach der Kompletteinführung von LUSD mit den notwendigen Anpassungen andere Schulverwaltungssoftwareprogramme webbasiert genutzt werden könnten? Wenn ja, warum, und ist das in der Wirtschaftlichkeitsberechnung erfasst? Wenn nein, wie will der Senat dies verhindern? Zu 12.: Außer der LUSD ist derzeit keine Schulsoftware geplant, auf die die Schulen webbasiert über den Schuldesktop zugreifen können. In Prüfung ist, ob die Schulen bis zur Einführung der an Berliner Bedarfe angepasste LUSD in einem Client-Server-Betrieb im Schuldesktop die bisher genutzten Programme weiter nutzen können. 13. Trifft es zu, dass der Projektleiter von E- Government@school am 30.9.2016 in den Ruhestand gehen wird? Wie wird angesichts der langen Stellenbesetzungszeiten in Berlin rechtzeitig Vorsorge getragen für die Nachfolge? Wie wird sichergestellt, dass es durch diesen Personalwechsel zu keinen weiteren Verzögerungen in dem nun seit einem Jahrzehnt geplanten Projekt kommen wird? Zu 13.: Nein, das trifft nicht zu. Es trifft zu, dass der Projektleiter von e-Government @School im Sommer in den Ruhestand gehen wird. Es ist beabsichtigt, dass der derzeitige Projektleiter über diesen Zeitpunkt hinaus das Projekt leiten wird. 14. Wie viele Schulen haben das Angebot wahrgenommen , eine der mit der webbasierten zentralen Lösung überflüssig gewordenen aber schon bezahlten rd. 670 Data-Center-Boxen für andere Zwecke zu nutzen? Zu 14.: Insgesamt sind nach aktuellem Stand 362 Server zur eigenen Nutzung angefragt. Davon sind bereits 228 Server den Schulen zur eigenverantwortlichen Nutzung übergeben worden. 15. Warum stammt der Auftritt zu E-Government @school auf berlin.de noch aus der letzten Legislaturperiode mit der Kontaktangabe eines schon seit drei Jahren ausgeschiedenen Projektleiters? Zu 15.: Der Auftritt von e-Government@School auf berlin.de befindet sich derzeit in einer technischen und fachlichen Neuausrichtung. In diesem Zusammenhang wird auch diese Kontaktangabe berichtigt. 16. Warum wird auf der extra für die Schulen bereit gestellten Website „egovschool-berlin.de“ unter „BSM bestellen“ mit einem veralteten Text weiterhin für die Bestellung von Magellan und Untis geworben als die zukünftig einheitliche Berliner Schulmanagement Software (BSM)? Warum stammt der letzte Newsletter auf dieser Website, durch welchen erstmals die Abkehr von dieser Strategie verkündet wurde, vom 22.9.2015, und warum lässt man die Schulen seither ohne gebündelte neue Infos darüber, wie es weitergehen soll, im Ungewissen ? Zu 16.: Der Auftritt von egovschool-berlin.de befindet sich derzeit ebenfalls in einer technischen und fachlichen Neuausrichtung. Mit dem Newsletter vom 22.09.2015 wurden die Schulen von der Abkehr der ursprünglichen Strategie informiert. Zwischenzeitlich werden die Schulleitungen in Dienstbesprechungen, Einladungen zu Softwarepräsentationen und in direkten Kontakten über das weitere Vorgehen informiert. 17. Ist dem Senat bewusst, dass viele Schulen angesichts veralteter eigener Hardware vor Entscheidungen stehen, ob sie neue Hardware, insbesondere Server, selbst beschaffen müssen, oder angesichts eines bevorstehenden Anschlusses an die webbasierte Lösung auf solche Anschaffungen verzichten können, und welche Schlussfolgerungen zieht der Senat daraus für seine Informationspolitik ? Zu 17.: Bis auf eine geringe Anzahl von Schulen sind alle öffentlichen Berliner Schulen mit Hardware aus dem Projekt eGovernment@School ausgestattet. Bei Ausfall der Hardware erfolgt eine Ersatzbeschaffung durch das Projekt. Insbesondere bei Serverbeschaffung greifen die Schulen auf die Server der Data-Center-Box zurück. Im Zuge der Vorbereitung auf die zentrale Anbindung finden derzeit Begehungen der Schulen statt, in denen darüber hinaus Informationen zu Hardwareaustausch an die Schulen gegeben werden und eine Inventur der „tatsächlich “ vorhandenen Hardware für die Schulverwaltung erfolgt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 235 4 18. Trifft es zu, dass wegen der seit vielen Jahren verzögerten Umsetzung von E-Government@school Datensätze zwischen Schulen und Verwaltung noch immer auf Stick oder Diskette oder vornehmlich auf Papier mit dem Auto transportiert werden und sich SchuldirektorInnen und VerwaltungsmitarbeiterInnen gegenseitig Excelltabellen am Telefon vorlesen müssen (Zitat eines Schuldirektors bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus), weil es keinen anderen IT-sicheren Weg des Datenabgleichs gibt? Zu 18.: Durch die Ausgabe und Installation von personenbezogenen Zertifikaten besteht ein technischer Weg, auf dem die Schulleitungen auch personenbezogene Daten per Mail sicher an Schulen oder die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft übermitteln können. Weiterhin ist es in einigen Bereichen erforderlich, Daten auf Papier zu übermitteln. 19. Wie bewertet der Senat, dass bezüglich Schulmanagement und eEducation längst (Berliner) Angebote auf dem Markt und in anderen Bundesländern auch schon in der Anwendung sind, die beide Komponenten datenschutzsicher und webbasiert verbinden, und hält es der Senat für möglich, in diesem Stadion der Neuausrichtung von E-Government@school auf eine solche Lösung umzuschwenken ? Zu 19.: Die Verbindung von Daten für den Unterrichtsbereich und der Schulverwaltungssoftware in einem gemeinsamen Netz ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erlaubt. Eine Verbindung ist nur über Schnittstellen möglich. Die LUSD verfügt über derartige Schnittstellen , die in Hessen von unterschiedlichen eEducation- Produkten genutzt werden. 20. Wie bewertet der Senat angesichts der vorgenannten und keineswegs vollständigen Auflistung von Problemstellungen die Situation des Projektes E-Government @school, das sich nunmehr im zehnten Jahr seit der Projektierung in 2007 befindet, und wie will er bis Ende der Legislaturperiode zu einem Planungs- und Umsetzungsstand gelangen, der verhindert, dass das Projekt E- Government@school zu einem zweiten „BER“ mutiert? Zu 20.: Die Konzeptionen und die Planungen für die Realisierung der angestrebten IT-Infrastruktur und die Schulmanagementsoftware sind in einem Meilensteinplan vorbereitet und mit dem ITDZ abgesprochen. Mit der Besetzung der Stelle für Qualitätssicherung und eines etablierten vorausschauenden Projekt-Risikomanagements wird die Planungssicherheit weiter erhöht. Berlin, den 01. April 2016 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Apr. 2016)