Drucksache 17 / 18 253 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Vogel (CDU) vom 17. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. März 2016) und Antwort „ARRIVO“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der aktuelle Stand des Projektes „ARRI- VO“? Zu 1.: Das Projekt ARRIVO, welches im Winter 2014/2015 mit den Übungswerkstätten im Handwerksbereich als Pilot gestartet ist, umfasst inzwischen weitere Branchenprojekte und Aktivitäten. Neben den Übungswerkstätten im Handwerk sind mit den Teilprojekten „ARRIVO Hospitality“ (Hotel- und Gaststättenbereich), dem „ARRIVO Ringpraktikum“ (industrielle Berufe) und ARRIVO Bauwirtschaft weitere Branchen für die Qualifizierung und Berufsvorbereitung von Geflüchteten erschlossen worden. Insgesamt können in den Teilprojekten mit den derzeitigen Ressourcen ca. 400 bis 500 Personen im Jahr 2016 qualifiziert werden. Zusätzlich wurde im Juni 2015 ein Kontaktbüro eingerichtet, welches ein Netzwerk von derzeit rund 200 Unternehmen aufgebaut hat. Diese Unternehmen bieten Geflüchteten in Zusammenarbeit mit ARRIVO Praktikums-, Qualifizierungsund Ausbildungsplätze an. Auch können Geflüchtete in feste Anstellung in diesen Unternehmen vermittelt werden . Gemeinsam mit den Kammern und Verbänden und in enger Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit werden systematische Strukturen der Zusammenarbeit etabliert, um die in den ARRIVO Teilprojekten gesammelten Erfahrungen auch an weitere Berliner Unternehmen weiter geben zu können. ARRIVO wird zu einer Dachmarke weiterentwickelt, bei der betriebliche Praxis im Vordergrund steht. 2. Wie viele geflüchtete Personen wurden bereits im Rahmen des Programms in eine Ausbildung innerhalb einer der Partnerunternehmen eingegliedert (aufgegliedert nach Unternehmen)? Zu 2.: Der Beginn einer Ausbildung ist nicht zu jedem Zeitpunkt möglich, sondern erfolgt in der Regel nur zu Beginn des Ausbildungsjahres. Dies ist in der Regel der Monat September. Nachbesetzungen sind teilweise noch bis zu Ende Januar des Folgejahres möglich. Da die Projekte „Hospitality“ und „Ringpraktikum“ erst zum 01.08.2015 bzw. 01.09.2015 begonnen wurden und die Akquise der Teilnehmenden auch erst dann erfolgen konnte, war aus diesen Programmen unter Berücksichtigung der sich an die Akquise anschließenden mehrmonatigen Qualifizierung noch keine Vermittlung in Ausbildung möglich. Das erfolgt erst zum Beginn des Ausbildungsjahres 2016. Aus dem Pilotprojekt „Übungswerkstätten“, das bereits zum 01.01.2015 begann, konnten bislang Ausbildungsverhältnisse entstehen. Bekannt sind hier bisher 33 abgeschlossene Ausbildungsverträge bei verschiedenen Unternehmen. Dies ist eine hohe Quote. Eine namentliche Auflistung der Unternehmen ist ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht möglich. 3. Wie ist die Rückmeldung aus den Partnerbetrieben? Zu 3.: Das Unternehmensnetzwerk von ARRIVO zählt bisher rund 200 Betriebe. All diese Betriebe unterstreichen mit ihrem Interesse den besonderen Wunsch, Geflüchtete schnellstmöglich in Arbeit integrieren zu wollen. Die Rückmeldung aus den Partnerbetrieben bzgl. der Kooperation als solcher ist äußerst positiv. Sowohl die hohe Motivation der Geflüchteten, als auch die gute Zusammenarbeit mit und Beratung durch das ARRIVO Kontaktbüro werden von den Unternehmen sehr geschätzt . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 253 2 4. Gibt es Unternehmen die ihre Zusammenarbeit bei dem Projekt „ARRIVO“ bereits aufgekündigt haben? Zu 4.: In einem Fall ist es zur Aufkündigung der Kooperation seitens des Betriebs gekommen. In acht Fällen haben die Verantwortlichen von ARRIVO von einer dauerhaften Kooperation mit Partnerbetrieben abgesehen. 5. Welche Schritte wurden unternommen, um das Projekt seit dem Start im letzten Jahr, den stark gestiegenen Zahlen geflüchteter Personen anzupassen? 6. Wurden in diesem Zuge auch Schritte unternommen , zusätzliche Partner zu gewinnen? Zu 5. und 6.: Das Projekt ARRIVO wurde seit dem Start im Dezember 2014 kontinuierlich erweitert und den Bedarfen angepasst. So konnten die Teilnahmekapazitäten erheblich ausgebaut werden. Weitere Branchen wurden in das Projekt integriert und zudem individuelle Aktivitäten einzelner Unternehmen begleitet. Durch die mediale Berichterstattung, die Vorstellung des Projekts auf verschiedensten Veranstaltungen und die Netzwerkarbeit mit bereits bestehenden Partnern, werden täglich neue Kooperationsanfragen von Betrieben, Institutionen, Vereinen an ARRIVO Berlin gerichtet und diese sukzessive unter der Dachmarke ARRIVO zusammengefasst. 7. Wie hoch sind die aufgewendeten Mittel aus dem Haushalt für das Projekt? Zu 7.: Für das Haushaltsjahr 2016 sind im Doppelhaushalt 2016/2017 bei Kapitel 0940, Titel 68476 insgesamt 700.000 € für die Umsetzung der ARRIVO Förderprojekte etatisiert. Darüber hinaus wurden im Kapitel 29 30 weitere 350.000 € zur Umsetzung der ARRIVO Projekte zur Verfügung gestellt. 8. Wie viele begonnene Praktika und/oder Ausbildungen mussten seit dem Start des Projektes abgebrochen werden? Zu 8.: Hierzu liegen keine spezifizierten Informationen vor. 9. Wie viele geflüchtete Personen, die sich gegenwärtig in Berlin aufhalten und hier registriert sind, verfügen über eine Arbeitserlaubnis und stehen dem Arbeitsmarkt damit zur Verfügung? Zu 9.: Der Kreis von geflüchteten Personen ist für eine Datenauswertung nicht ausreichend klar definiert. Für die Antwort wurde der Kreis der Personen, die sich mit einer Aufenthaltsgestattung oder einer Duldung in Berlin aufhalten , betrachtet. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass im Rahmen einer Auswertung nicht abgrenzbar ist, ob die geduldeten Personen „geflüchtet“ sind im Sinne der Frage . Danach verfügen von den 36.214 Personen, die sich aktuell noch im Asylverfahren befinden und sich derzeit mit einer Aufenthaltsgestattung in Berlin aufhalten, 33.175 Personen über eine Arbeitserlaubnis. Abhängig davon, ob die konkret beabsichtigte Beschäftigung mit oder ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit aufgenommen werden darf, muss vor Beschäftigungsaufnahme die Erlaubnis der Ausländerbehörde eingeholt werden. Von den aktuell 7.758 Personen mit einer Duldung verfügen 4.011 Personen über eine Arbeitserlaubnis. Auch hier ist abhängig vom Einzelfall vor Beschäftigungsaufnahme die Erlaubnis der Ausländerbehörde erforderlich . Ferner wurden für die Anfrage noch die Personen betrachtet , die über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen, weil sie als Asylberechtigte oder Flüchtling anerkannt wurden bzw. ihnen ein subsidiärer Schutzstatus zuerkannt wurde oder für sie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) festgestellt wurde. Diesen insgesamt 14.230 Personen, die über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 AufenthG verfügen, ist die Erwerbstätigkeit voraussetzungslos erlaubt. 10. Wie viele geflüchtete Personen befinden sich aktuell in einer Umschulungsmaßnahme und/oder einem vorbereitendem Sprachkurs, der es ihnen ermöglicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen? Zu 10.: Da die Frage in den Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit fällt, wurde diese um Beantwortung gebeten. Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit hat die Frage wie folgt beantwortet : „Es gibt keine aktuelle statistische Erhebung wie viele geflüchtete Personen sich derzeit in einer Umschulungsmaßnahme befinden. Asylbewerber und Flüchtlinge können in den Arbeitsmarktstatistiken nicht unmittelbar ausgewertet werden. Hilfsweise kann die Arbeitsmarktstatistik zu der Personengruppe „Nichteuropäische Asylzugangsländer“ herangezogen werden. Im Monat November 2015 (Datenstand Februar 2016) weist diese Statistik für das Land Berlin bei Förderung der beruflichen Weiterbildung (inkl. Umschulungen) 285 Förderfälle und für Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (inkl. Maßnahmen mit Sprachanteile) 230 Förderfälle aus. In dieser statistischen Auswertung werden jedoch auch Ausländerinnen und Ausländer abgebildet, die bereits im Bestand der Jobcenter vor dem Flüchtlingsstrom vorhanden waren .“ Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 253 3 11. Wie lange dauert es im Durchschnitt die Erteilung einer Arbeitserlaubnis für eine geflüchtete Person durch die zuständige Verwaltungsbehörde? Zu 11.: Die Ausländerbehörde verfügt für Beschäftigungen , die ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erlaubt werden können, bereits ohne Vorlage eines konkreten Arbeitsplatzangebotes die entsprechenden positiven Nebenbestimmungen. Ist für eine Beschäftigung die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich , wird das Arbeitsplatzangebot nebst Stellenbeschreibung bei der Ausländerbehörde abgegeben. Die Ausländerbehörde leitet dann – regelmäßig innerhalb einer Woche – das Zustimmungsverfahren bei der Bundesagentur für Arbeit ein. Wird von dort eine Zustimmung erteilt, wird der Antragsteller zur Eintragung der Beschäftigungserlaubnis mit einem konkreten Termin vorgeladen. Dieses Verfahren bis zur Erteilung der Beschäftigungserlaubnis dauert durchschnittlich 4 Wochen. 12. Welche Anstrengungen wurden unternommen, um die jeweiligen Standorte der Bundesagentur für Arbeit, personell und verwaltungstechnisch auf die steigenden Zahlen von geflüchteten Personen vorzubereiten? Zu 12.: Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit hat hierzu folgende Antwort übermittelt: „Die Berliner Agenturen für Arbeit (AA) und die gemeinsamen Einrichtungen (Jobcenter) in Berlin wurden vom Träger Bundesagentur für Arbeit mit insgesamt 187 zusätzlichen Beschäftigungsmöglichkeiten (51 für die AA, 136 für die Jobcenter) ausgestattet.“ 13. Welche Anstrengungen werden aktuell durch die zuständige Senatsverwaltung unternommen um die Bundesagentur für Arbeit bei ihrer Arbeit mit geflüchteten Personen zu unterstützen? Zu 13.: Der Senat steht im engen und regelmäßigen Austausch mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern und setzt sich dabei für die Belange und Fragestellungen der Jobcenter, die sich im Kontext Asyl ergeben, in landesund bundesweiten Gremien, ein. Zudem wird das Thema als fester Tagesordnungspunkt in den Trägerversammlungen besprochen. Es wird darauf geachtet, dass die Jobcenter für den zu erwarteten Anstieg der Antragstellungen im SGB II durch Geflüchtete genügend Personal und Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und notwendige Beschlüsse zeitnah gefasst werden. 14. Waren die Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde bereits bekannt oder wurden sie erst jetzt durch die gestiegenen Zahlen erkannt? Zu 14.: Für das Projekt ARRIVO, aber auch darüber hinaus bestehen in Folge der Rechtsänderungen des Asylpaktes I Schwierigkeiten mit der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis für Geflüchtete aus sog. sicheren Herkunftsstaaten , wenn diese ihren Asylantrag bereits vor dem Stichtag 31. August 2015 gestellt haben. Berlin, den 06. April 2016 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Apr. 2016)