Drucksache 17 / 18 257 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 17. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. März 2016) und Antwort Kriminalität gegen und von Flüchtlinge(n) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele gegenüber Flüchtlingsunterkünften und den dort wohnenden geflüchteten Menschen verübte Straftaten (bitte tabellarisch nach Delikten auflisten) aus den Jahren 2014 und 2015 - sowie gesondert seit September 2015 bis Februar 2016 - (bitte tabellarisch auflisten) sind dem Senat bekannt und in wie vielen Fällen kam es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens? Zu 1.: Grundlage für die Beantwortung der Frage 1 bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik “ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen . Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren . Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen - ggf. bis zum endgültigen Gerichtsurteil - einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Um die Fallzahlen übersichtlich und in Teilbereichen vergleichbar darzustellen, erfolgt die Unterteilung in die Deliktsarten Gewaltdelikte, Propagandadelikte und sonstige Delikte. Gewaltdelikte sind Tötungsdelikte, Körperverletzungen , Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfriedensbrüche, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung und Widerstands- sowie Sexualdelikte einschließlich der Versuche. Propagandadelikte sind Verstöße gegen den § 86 Strafgesetzbuch (StGB) (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) und gegen den § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). Die sonstigen Delikte beinhalten alle weiteren Strafrechtsnormen des Strafgesetzbuches sowie der Strafrechtsnebengesetze . Die Politisch motivierte Kriminalität wird in die drei Phänomenbereiche „Politisch motivierte Kriminalität - rechts“ (PMK - rechts), „Politisch motivierte Kriminalität - links“ (PMK - links) und „Politisch motivierte Ausländerkriminalität “ (PMAK) unterteilt. Kann eine Tat trotz Vorliegen einer politischen Motivation keinem dieser drei Phänomenbereiche eindeutig zugeordnet werden, wird sie im Phänomenbereich „Sonstige/Nicht zuzuordnen“ gezählt . In der vorliegenden Anfrage wurden die Fälle aller Phänomenbereiche betrachtet, die sich gegen Flüchtlingsunterkünfte im Sinne der Definition richteten. Um das Fallaufkommen gegen Unterkünfte für asylsuchende und geflüchtete Menschen trennscharf auswerten zu können, wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2014 das Unterthema „gegen Asylunterkünfte“ im bundesweit verbindlichen Themenfeldkatalog eingeführt. Diesem Unterthema werden Taten der PMK zugerechnet, die sich gegen jede Art der Unterkunft als direktes Angriffsziel Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 257 2 aber auch gegen Personen innerhalb der Unterkunft richten . Als Unterkunft werden u. a. bestehende, im Bau befindliche sowie geplante Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen gewertet. Der Personenkreis umfasst z. B. Asylbegehrende, Asylberechtigte und Personen mit Flüchtlingsschutz. 2014 2015 Gewaltdelikte 6 12 Brandstiftung 1 3 Körperverletzung 2 9 Landfriedensbruch 1 0 Herbeiführen Sprengstoffexplosion 2 0 Propagandadelikte 3 6 Verwenden von Kennzeichen 3 6 sonstige Delikte 30 41 Beleidigung/Üble Nachrede 2 3 Hausfriedensbruch 4 5 Nötigung/Bedrohung 1 2 öffentliche Aufforderung zu Straftaten 0 1 Sachbeschädigung 20 25 Sprengstoffgesetz 1 0 Störung des öffentlichen Friedens 0 4 Volksverhetzung 2 1 PMK gegen Asylunterkünfte gesamt 39 59 Fallaufkommen PMK - gesamt gegen Asylunterkünfte Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 257 3 Sep - Dez 2015 Jan - Feb 2016 Gewaltdelikte 8 2 Brandstiftung 1 0 Körperverletzung 7 2 Landfriedensbruch 0 0 Herbeiführen Sprengstoffexplosion 0 0 Propagandadelikte 4 1 Verwenden von Kennzeichen 4 1 sonstige Delikte 16 1 Beleidigung/Üble Nachrede 1 0 Hausfriedensbruch 2 0 Nötigung/Bedrohung 1 0 öffentliche Aufforderung zu Straftaten 1 0 Sachbeschädigung 9 1 Sprengstoffgesetz 0 0 Störung des öffentlichen Friedens 2 0 Volksverhetzung 0 0 PMK gegen Asylunterkünfte gesamt 28 4 Fallaufkommen PMK - gesamt gegen Asylunterkünfte Ermittlungsverfahren wurden zu jedem Fall eingeleitet . 2. Wie viele Straftaten (bitte nach Delikten auflisten), die von in Flüchtlingsunterkünften untergebrachten geflüchteten Menschen gegen unbeteiligte Personen in den Jahren 2014 und 2015 - sowie gesondert seit September 2015 bis Februar 2016 - verübt wurden, sind dem Senat bekannt und in wie vielen Fällen kam es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens? Zu 2.: Hinsichtlich der vorliegenden Fragestellung wird die Formulierung nach der Anzahl von den „in Flüchtlingsunterkünften untergebrachten geflüchteten Menschen“ begangenen Straftaten so interpretiert, dass allgemein die Gruppe derjenigen Zuwanderer gemeint ist, die in Berlin straffällig wird. Ferner wird darauf aufmerksam gemacht, dass der Verdacht des Vorliegens einer Straftat in jedem Fall die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach sich zieht. Verwiesen wird auch auf den im Internet abrufbaren PKS-Kurzbericht der Polizei Berlin, der umfassend zur Thematik „Kriminalität und Zuwanderung “ Stellung bezieht. Gemäß einer bundesweit abgestimmten Definition sind Zuwanderer Personen, die als Angehörige eines Nicht-EU-Staates einzeln oder in Gruppen in das Bundesgebiet einreisen, um sich hier vorübergehend oder dauerhaft aufzuhalten. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird bei der Erfassung von nichtdeutschen Tatverdächtigen neben der Staatsangehörigkeit auch der Aufenthaltsanlass erhoben . Für Personen, die der Gruppe der Zuwanderer im Sinne der oben genannten Definition zuzurechnen sind, kann einer der folgenden Aufenthaltsanlässe erfasst werden : Asylbewerber Kontingent-/Bürgerkriegsflüchtling Duldung Unerlaubter Aufenthalt Exakte Aussagen zur Kriminalitätsentwicklung im Zusammenhang mit der aktuellen Zuwanderung sind jedoch problematisch. Die Feststellung und damit Erfassung des jeweils zutreffenden Aufenthaltsanlasses ist ebenso mit Schwierigkeiten verbunden wie die Ermittlung der konkreten Anzahl der zugewanderten und dauerhaft in Berlin wohnenden Asylbewerber/Flüchtlinge. Nach Angaben des landesweiten Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement sind im Jahr 2015 von Berlin rund 79.000 Flüchtlinge (davon ca. 57.000 ab Anfang September ) aufgenommen worden. Mit der Eintragung eines der genannten Aufenthaltsanlässe zu einem nichtdeutschen Tatverdächtigen ist keine Aussage möglich, seit wann die jeweilige Person diesen Status hat. Es kann sich demnach sowohl um einen kürz- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 257 4 lich eingereisten Asylbewerber handeln als auch um eine Person, die sich schon mehrere Jahre im Status der „Duldung “ im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Um eine verbesserte Aussagefähigkeit zur Kriminalität im Zusammenhang mit Zuwanderung zu erreichen, werden seit dem 1. Januar 2016 in der PKS ergänzende Angaben zum Aufenthaltsanlass von Tatverdächtigen umgesetzt. Hier wurden die Auswertekriterien um den Begriff „International /national Asyl-und Schutzberechtigte“ erweitert . In die Analyse einbezogen werden so u. a. auch die Zuwanderer, deren Asylverfahren abgeschlossen sind und denen Asyl gewährt wurde. Die nachfolgend tabellarisch aufgelisteten Zahlen entstammen verlaufsstatistischen Erhebungen. D. h., weil es sich bei diese Zahlen nicht um PKS-Angaben handelt, sind diese nicht abschließend qualitätsgesichert. Erfasst sind die Straftaten, bei denen mindestens ein Tatverdächtiger mit einem der oben genannten Aufenthaltsanlässe beteiligt war. Die Anzahl der Straftaten erlaubt keinen Rückschluss auf die Anzahl der Tatverdächtigen, weil Tatverdächtige mehrere Straftaten begangen haben können . Erfasste Vorgänge mit Zuwanderern als Tatverdächtigen Delikte Fälle gesamt 2014 Fälle gesamt 2015 Fälle gesamt 09/2015 bis 02/2016 Straftaten gesamt, ohne Verstößen gg. das Ausländergesetz 8.092 13.420 8.315 Straftaten gegen das Leben 4 8 3 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 44 78 62 darunter: Vergewaltigung und sexuelle Nötigung 18 24 14 Rohheitsdelikte und Straftaten gg. die persönliche Freiheit 1.240 2.224 1.626 darunter: Raub, räub. Erpressung/räub. Angriff auf Kraftfahrer 116 207 132 darunter: Körperverletzung 898 1.631 1.249 darunter: Gefährliche und schwere Körperverletzung 310 512 354 darunter: Vorsätzliche einfache Körperverletzung 560 1.081 857 darunter: u.a. Freiheitsberaubung, Nötigung, Bedrohung 223 376 241 darunter: Nötigung 63 88 61 darunter: Bedrohung 130 256 159 Diebstahl ohne erschwerende Umstände 2.339 5.057 3.211 Diebstahl unter erschwerenden Umständen 444 720 445 darunter: Wohnungseinbruchdiebstahl 14 55 17 Diebstahl insgesamt 2.783 5.777 3.656 darunter: Ladendiebstahl insgesamt 2.032 4.381 2.756 darunter: Taschendiebstahl insgesamt 173 413 256 Vermögens- und Fälschungsdelikte 1.608 2.080 1.102 darunter: Betrug 1.037 1.243 557 darunter: Beförderungserschleichung 466 597 242 darunter: Urkundenfälschung 476 720 480 Sonstige Straftatbestände nach Strafgesetzbuch 1.007 1.379 903 Rauschgiftdelikte 1.325 1.771 904 3. Inwiefern sind – im Hinblick auf die Verteilung der Straftaten - die durch geflüchtete Menschen verübten Straftaten einer Gruppe besonders stark in Erscheinung getretener Intensivtäter zuzuordnen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 257 5 Zu 3.: In der polizeilichen Praxis werden begrifflich sogenannte Mehrfachtäter und Intensivtäter voneinander abgegrenzt. Bei den Mehrfachtätern handelt es sich um Tatverdächtige, die mehr als zehn Straftaten (zugleich aufgeklärte Fälle) begangen haben. Ein Mehrfachtäter begeht meist Straftaten, die den Eigentums- und Vermögensdelikten zuzuordnen sind. Bei Intensivtätern handelt es sich um meist jüngere Tatverdächtige (Altersschwerpunkt 14 – 24 Jahre), die für einen überproportional hohen Anteil von Straftaten verantwortlich sind und mit einem hohen Maß an krimineller Energie den Rechtsfrieden besonders störende Straftaten begehen, z. B. Raub und sonstige Rohheitsdelikte. Aufgrund des bei der Polizei Berlin bestehenden „Programmes der Täterorientierten Ermittlungen (TOE)“ werden u. a. Intensivtäter einer sogenannten Sondersachbearbeitung zugeführt. Die Definition des Intensivtäters erstreckte sich gemäß der bis Ende Februar 2016 gültigen Fassung der Intensivtäterrichtlinie auf diejenigen Tatverdächtigen, die den Rechtsfrieden besonders störende Straftaten oder innerhalb eines Jahres mindestens zehn Straftaten von einigem Gewicht verübt haben und bei denen die Gefahr einer sich verfestigenden kriminellen Karriere besteht. In der ab 1. März 2016 gültigen Intensivtäterrichtlinie wurde u. a. die Definition Intensivtäterin/Intensivtäter dergestalt verändert , dass seitens der Strafverfolgungsbehörden eine noch schnellere Reaktion bzw. Aufnahme der tatverdächtigen Person in das Programm erfolgen kann. Bei Vorliegen der geforderten Kriterien gemäß der Intensivtäterrichtlinie erfolgt die Aufnahme unabhängig von Merkmalen wie Staatsangehörigkeit, ethnischer Herkunft, Religions-, Gruppen- und Familienzugehörigkeit. Im Kontext des in Frage 1 und 2 genannten Zeitraumes wurden ab 2014 aus der Gruppe der Zuwanderer in den mit der Sondersachbearbeitung TOE betrauten Dienststellen der Polizei Berlin drei Personen als Mehrfach - bzw. Intensivtäter in das entsprechende polizeiliche Programm „Täterorientierte Ermittlungen“ aufgenommen. 4. Ist im Hinblick auf die Straftaten nach Nr. 2 eine räumliche Häufung zu verzeichnen, wenn ja, welche Gebiete sind besonders betroffen und welche Maßnahmen werden gegebenenfalls ergriffen, um die Kriminalität in diesen Bereichen einzudämmen? Zu 4.: Der nachfolgenden Tabelle können die durch Zuwanderer begangenen Straftaten im Zeitraum von September 2015 bis Februar 2016, verteilt auf die einzelnen Stadtbezirke Berlins entnommen werden. Die genannten Fallzahlen sind etwas geringer als die in der Tabelle zur Beantwortung der Frage 2 aufgeführten Zahlen, weil nicht jeder in Berlin begangenen Straftat ein eindeutig definierter Tatort zugeordnet werden kann. Hier erfolgt im Polizeilichen Informations-und Kommunikationssystem (PO- LIKS) zur Bezeichnung des Tatortes grundsätzlich die allgemeine Eingabe „Stadtgebiet“. Straftaten von Zuwanderern im Zeitraum von 09/2015 bis 02/2016 Stadtbezirke Anzahl der Fälle insgesamt Mitte 2.186 Friedrichshain-Kreuzberg 1.376 Charlottenburg-Wilmersdorf 909 Neukölln 493 Lichtenberg 486 Tempelhof-Schöneberg 478 Pankow 452 Spandau 396 Reinickendorf 325 Steglitz-Zehlendorf 304 Treptow-Köpenick 274 Gesamt 7.679 Quelle: Datawarehouse Führungsinformation vom 22.03.2016 Berlin, den 01. April 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Apr. 2016)