Drucksache 17 / 18 258 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marion Platta (LINKE) vom 17. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. März 2016) und Antwort Lebensqualität und Gesundheit in der verdichteten Stadt unter den Vorzeichen des Klimawandels schon hinreichend berücksichtigt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Was haben die Ergebnisse des im letzten Jahr abgeschlossenen EFRE-Projektes (Projektnummer: 027EFREGDI) innerhalb des Senates insbesondere in den Verantwortungsbereichen Gesundheit und Stadtentwicklung ausgelöst? Antwort zu 1: Mit dem Abschluss des Vorhabens „GIS-gestützte Modellierung von stadtklimatisch relevanten Kenngrößen auf der Basis hochaufgelöster Gebäudeund Vegetationsdaten“ konnten im Umweltatlas für den Bereich Stadtklima umfangreiche und detaillierte Planungsgrundlagen für die räumliche Planung zur Verfügung gestellt werden (Umweltatlas-Karte 04.11). Die Ergebnisse sind nicht als eigene Fachplanung anzusehen, sondern liefern bezüglich des (Stadt-) Klimas Grundlagen und Planungshinweise für die räumlichen Planungen nach dem Baugesetzbuch (BauGB) § 1 und dem Berliner Naturschutzgesetz (NatSchGBln) und sind als Material für die planerische Abwägung zu verstehen. Gegenüber den Planungshinweiskarten aus dem Jahre 2005 wurden Analyse und Bewertung räumlich verfeinert, sodass nun auch Hinweise für die Planungsebene der Bebauungsplanung abgeleitet werden können. Die Karten wurden Ende 2015 veröffentlicht. Frage 2: Mit welcher Intention wurden diese Ergebnisse mit den Verantwortlichen in den Bezirksverwaltungen diskutiert? Antwort zu 2: Methode, Verfahren und Ergebnisse des Projektes wurden sowohl mit Vertreterinnen und Vertretern der bezirklichen Umwelt- und Naturschutzämter sowie der Stadtplanungsämter als auch der planenden Bereiche der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in mehreren Veranstaltungen intensiv diskutiert. Weiterhin fand eine Vorstellung der Ergebnisse gegenüber den fachlich verantwortlichen Leiterinnen und Leitern der bezirklichen Ämter für Umwelt und Naturschutz sowie Straßen und Grünflächen statt. Ein weiterer vertiefender Workshop ist für dieses Jahr geplant. Durch die frühzeitige Einbindung sollte erreicht werden, dass die Anforderungen aus der Planungspraxis möglichst praxisnah und anwendungsorientiert in die Planungshinweise einbezogen werden. Gleichzeitig sollte das Instrumentarium rechtzeitig einer breiten Anwendergruppe bekannt gemacht werden, um die Akzeptanz zu erhöhen . Frage 3: Welche Veränderungen gibt es zwischen den Planungshinweisen 2005 zu 2015? Antwort zu 3: Die Planungshinweise 2015 beruhen auf wesentlich differenzierteren Datengrundlagen als dies für die Version 2005 möglich war. So konnte z.B. zusätzlich der öffentliche und private Vegetationsbestand einbezogen werden. Dementsprechend sind auch die räumliche Auflösung der Klimamodellierung und die daraus abgeleiteten Planungshinweise deutlich kleinteiliger. Gegenüber der Version 2005 konnte der Umfang der aus stadtklimatischer Sicht vorgeschlagenen Maßnahmen als Teil des planerischen Abwägungsmaterials erweitert und individueller auf die jeweiligen Flächen bezogen werden. Frage 5: Sind aus Sicht des Senates für die Umsetzung der Planungshinweise 2015 Veränderungen an gesetzlichen Grundlagen und Verwaltungsvorschriften in Berlin oder auf Bundesebene erforderlich? Wenn ja, welche? Antwort zu 5: Die Planungshinweise 2015 stellen Abwägungsmaterial für die räumliche Planung zur Verfügung (vgl. Antwort zu Frage 1). Die Erarbeitung der Karte und der Planungshinweise erfolgte mit dem Ziel, aufbauend auf den vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten im konkreten Planungsfall die stadtklimatische Situation zu bewerten und die stadtklimatischen Folgen von Planungsmaßnahmen einschätzen zu können. Die Umsetzung Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 258 2 erfolgt im Rahmen des Abwägungsprozesses bei der städtebaulichen Planung im Zusammenhang mit den vielfältigen anderen Ansprüchen. Insofern sind dem Senat keine Erfordernisse bzgl. der Änderung von Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften in diesem Zusammenhang bekannt geworden. Frage 6: Welche Relevanz hat die Planungshinweiskarte 2015 bei der Erstellung von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen und der Genehmigung und Umsetzung von Bauvorhaben nach §34 BauGB privater Bauherren? Antwort zu 6: Die Planungshinweiskarte 2015 enthält eine flächendeckende Bewertung der stadtklimatischen Belastungssituationen und Entlastungsfunktionen. Im Rahmen der verbindlichen Bauleitplanung und damit auch bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen sind diese Inhalte in die Abwägung einzustellen. Bei Vorliegen der bundesrechtlich geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung nach § 34 BauGB. Die Inhalte der Planungshinweiskarte haben daher insoweit keine Relevanz für die Genehmigungsfähigkeit oder die Umsetzung privater Bauvorhaben. Frage 7: Die Klimastation Alexanderplatz repräsentiert als einzige die innerstädtische Situation mit dichter Bebauung und hohem Versiegelungsgrad: Welche Schlüsse zieht der Senat aus diesen vorhandenen Daten für die Schaffung und Erhaltung klimatisch günstiger Bereiche im Stadtgebiet für die Entlastung empfindlicher Personengruppen bzw. Nutzungen z. B. bei Hitzestress? Antwort zu 7: Sowohl die Daten der Klimastation Alexanderplatz als auch weiterer Standorte unterschiedlicher stadtklimatischer Ausprägung wurden für die Klimamodellierung des Projektes ausgewertet, als eigenständiges Thema im Umweltatlas veröffentlicht (Umweltatlas-Karte 04.13) und als Referenzstandorte für unterschiedliche Umgebungsstrukturen genutzt. Erst durch diese Verbindung modellierter und gemessener Werte lässt sich eine flächendeckende Bewertung der stadtklimatischen Situation und daraus abgeleiteter Planungshinweise durchführen. Im Ergebnis liegt die Station Alexanderplatz in einem Bereich mit überwiegend ungünstigen stadtklimatischen Bedingungen, in dem bei städtebaulichen Planungen sensibel mit den stadtklimatischen Aspekten umgegangen werden sollte. Frage 8: Existiert eine Übersicht über „Hitzestuben“ in Berlin? Wenn ja, wird diese öffentlich gemacht? Antwort zu 8: Dem Senat ist keine Übersicht bekannt. Frage 4: Was konnte aus den Planungshinweisen 2005 umgesetzt werden? (Bitte mindestens 5 Maßnahmen an konkreten Beispielen aufführen) Frage 9: Wie bewertet der Senat die 22 Maßnahmen für den Siedlungsraum aus dem Begleitdokument zur Planungshinweiskarte 2015 hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit und Wirkung bis 2020 in den Gebieten mit dichter Bebauung und hohem Versiegelungsgrad sowie mit hoher Bevölkerungszahl? Antwort zu 4 und 9: Die Planungshinweiskarte ist kein eigenständiger Fachplan, sondern stellt Hinweise und Maßnahmenvorschläge bereit, um die Belange des Umweltmediums Stadtklima in die Abwägung mit anderen Anforderungen in konkreten Planungsvorhaben einbeziehen zu können. Inwieweit dabei einzelne oder eine Kombination von Maßnahmenvorschlägen berücksichtigt werden, ist Teil der planerischen Abwägung und daher auf den Einzelfall bezogen. Dem Senat liegen keine Erkenntnisse über konkrete Beispiele vor. Frage 10: Mit welchem Ausmaß der zukünftigen humanbiometeorologischen Belastungssituation, höchsten nächtlichen Temperaturen an Sommertagen und Anzahl der Tropennächte (Tmin >= 20 °C) rechnet der Senat in den nächsten 10 und 20 Jahren in den bewohnten Block(teil)flächen der Wohn- und Mischgebiete mit einer derzeit „weniger günstig“ oder „ungünstig“ bewerteten thermischen Gesamtsituation, wenn es nicht gelingt, die vorgeschlagenen Maßnahmen (ohne M 21) aus dem Begleitdokument zur Planungshinweiskarte 2015 umzusetzen ? Antwort zu 10: Der umfangreiche Analyseteil zur Klimamodellierung 2015 umfasst auch Karten zur Verteilung der sogenannten klimatischen „Kenntage“ (Tropennächte , Sommer- und Hitzetage). Ihre Veröffentlichung im Umweltatlas Berlin ist in Vorbereitung (Umweltatlas- Karte 04.10). Im Rahmen einer ergänzenden Arbeit wurden für diese Kenntage Szenarios für zukünftige Zeiträume (2011-2040, 2041-2070, 2071-2100) berechnet. Die notwendigen Grundlagendaten zur Berücksichtigung der zu erwartenden Änderungen infolge des globalen Klimawandels wurden den Ergebnissen regionaler Klimaprojektionen entnommen. Die Berechnungen gehen von einer unveränderten Verteilung und Ausprägung der Nutzungen in der Stadt aus. Tabelle 1 stellt die berechneten klimawandelbedingten Veränderungen als Spannbreiten im 30- jährigen Mittel 1981-2010 bzw. 2041-2070 auf Flächen der Bewertungsstufen „ungünstig“ bzw. „weniger günstig “ dar. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 258 3 Flächen mit stadtklimatischer Bewertung der Stufe Durchschnittliche Anzahl an Sommertagen1)/Jahr 1981-2010 2041-2070 Tropennächten2)/Jahr 1981-2010 2041-2070 „ungünstig“ 42 - 48 46 - 53 8 - 12 14 - 20 „weniger günstig“ 39 - 42 42 - 46 6 - 8 11 - 14 1) : Sommertage = Temperaturmaximum ≥ 25°C, 2) : Tropennächte = Temperaturminimum ≥ 20°C Berlin, den 31. März 2016 In Vertretung Prof. Dr.- Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Apr. 2016)