Drucksache 17 / 18 263 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 17. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. März 2016) und Antwort Gentrifizierung – hier trifft sie die Kleinsten! - Weiter Verdrängung von Kitas aus der Innenstadt . Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Fälle von Kita-Schließungen oder von Schließung bedrohten Kitas aufgrund von Kündigungen deren Mietvertrags oder angekündigten Mietzinserhöhungen in den Jahren 2012-2016 sind dem Senat bekannt? Bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Kita, Bezirk, Anzahl der Plätze pro Kita. 2. In wie vielen dieser Fälle musste tatsächlich eine Schließung erfolgen? Bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Kita, Bezirk, Anzahl der Plätze pro Kita. 3. In wie vielen dieser Fälle konnte ein Umzug in neue Räume erfolgen? Bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Kita, Bezirk, Anzahl der Plätze pro Kita. 4. In wie vielen dieser Fälle konnte der Senat die Kitas unterstützen, indem er ihnen landeseigene Grundstücke zur Verfügung stellte? Wenn es solch eine Unterstützung gab, wie viele Kita-Plätze konnten so längerfristig erhalten werden? Bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Kita, Bezirk, Anzahl der Plätze pro Kita Zu 1. – 4.: Aufgrund des privatrechtlichen Charakters von Mietverträgen sind die nachgefragten Tatbestände nicht meldepflichtig. Die entsprechenden Daten werden statistisch nicht erhoben. 5. Wie lange dauert derzeit durchschnittlich das Genehmigungsverfahren für neue Räume? Welche Instanzen sind an diesem Verfahren beteiligt? Sind Prozessänderungen geplant, um die Dauer zu reduzieren? Wenn ja, welche ? Wenn nein, warum nicht? Zu 5.: Betriebserlaubnisse werden durch die Kita- Aufsicht bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft erteilt. Die Erteilung einer Betriebserlaubnis für Tageseinrichtungen für Kinder dauert mit Beginn der Erstberatung durchschnittlich 8 Monate. Dabei sind gemäß den im § 45 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) genannten Unterlagen und Nachweisen Bescheinigungen der zuständigen Fachämter, der Bauund Wohnungsaufsicht (einschließlich Brandschutz), des Gesundheitsamtes sowie der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht , vorzulegen. Die gesetzlichen Erfordernisse und Verfahren dienen der Sicherstellung und dem Schutz des Wohls der künftig zu betreuenden Kinder. Die Verkürzung der Bearbeitungsdauer kann im Rahmen der Prozessgestaltung im Wesentlichen durch bereits vorliegende Unterlagen bestehender Träger bzw. sehr engmaschigen Detailplanungen erreicht werden. In dringenden Einzelfällen unterstützt die Kita-Aufsicht bereits bestehende Träger von Kindertageseinrichtungen durch prioritäre Bearbeitung von Anträgen für neue Standorte. 6. Wie viele Neueröffnungen von Kitas konnten durch das Kita-Förderprogramm seit 2011 bis heute unterstützt werden? Bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Kita, Bezirk, Anzahl der Plätze pro Kita. Zu 6.: Mit Hilfe der Förderprogramme des Bundes und des Landes wird die Neuschaffung von Plätzen unterstützt . Die Schaffung von Plätzen erfolgt dabei im Rahmen von Neugründungen, aber auch durch Um- und Ausbauten bestehender Einrichtungen. Die Verteilung der Plätze auf die Bezirke von Berlin ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 263 2 Verteilung der seit 2012 neu geschaffenen Plätze in der Kindertagesbetreuung: 7. Wie viele der in Frage 6 aufgeschlüsselten Neueröffnungen waren wegen einer erfolgten Kündigung ihres Mietvertrags nötig geworden, und damit eigentlich nur ein Umzug? Bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Kita, Bezirk, Anzahl der Plätze pro Kita. 8. Wie hoch waren die aufgewendeten Umzugskosten für Kitas in den Jahren 2013, 2014 und 2015? Bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Kita, Bezirk, Anzahl der Plätze pro Kita, Umzugskosten. Zu 7. und 8.: In den Jahren 2013 bis 2015 wurden im Landesprogramm insgesamt 8 Einrichtungen unterstützt, die ihren Standort wechseln mussten. Von diesen 8 Einrichtungen wurden 4 Einrichtungen parallel aus dem U3- Bundesprogramm gefördert. Mit den Umzügen wurde teilweise auch eine Neuschaffung von zusätzlichen Plätzen möglich. 2013 Standort Bezirk Geförderte Plätze Fördersumme in EURO insgesamt Kinderladen Klein und Stark des Gemeindeaufbauprojekts Kreuzberg Ost -Gapko- e.V. 10247 Berlin Eldenaer Straße 13 Friedrichshain- Kreuzberg 22 22.000 EURO Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 263 3 2014 Standort Bezirk Geförderte Plätze Fördersumme in EURO insgesamt EKT Wilde 13 e.V. 10999 Berlin Reichenberger Straße 90 Friedrichshain- Kreuzberg 18 Plätze 18.000 EURO Tarzan und Isolde e.V. 12047 Berlin Friedelstraße 28 Neukölln 19 Plätze 117.627,39 EURO Kinderladen Fidicinis, Alle Leut e.V. 10961 Berlin Solmsstraße 22 Friedrichshain- Kreuzberg 9 Plätze 31.316 EURO 2015 Standort Bezirk Geförderte Plätze Fördersumme in EURO insgesamt EKT Tausendfüßler e.V., 13347 Berlin Amsterdamer Straße 12 Mitte 18 36.943 EURO Kleine Erdenwesen e.V., 12049 Berlin Wissmannstraße 10 Neukölln 16 25.270 EURO EKT Stadtpark Steglitz e.V. 12247 Berlin Paul-Schneider-Straße 22 Steglitz-Zehlendorf 18 90.000 EURO EKT Pünktchen und Anton e.V. 14199 Berlin Cunostraße 1/2 Charlottenburg- Wilmersdorf 38 60.655 EURO 9. In der Anfrage DS 17/11925 antwortete der Senat, dass „mit den Vertragspartnern erneut Verhandlungen aufgenommen werden, um die den Kostenblättern zugrunde liegende Rahmenvereinbarung (RV Tag) aktuellen Entwicklungen anzupassen“. Ist das passiert – wenn ja, wann? Mit welcher Steigerung der Raumkostenübernahme ? Wer war an den Verhandlungen beteiligt? 10. Sind weitere Verhandlungen geplant? Wenn ja, bis wann und mit wem? 11. Wie hoch ist der Mietkostenanteil (bitte in Euro /qm angeben) im Kita-Kostenblatt? Bitte die Entwicklung dieses Anteils jeweils für die Jahre 2011-2016 einzeln aufgeschlüsselt darstellen. Zu 9. - 11.: Die Verhandlungen wurden in 2013 aufgenommen und mit der Unterzeichnung der neuen Rahmenvereinbarung am 5. März 2014 abgeschlossen. An den Verhandlungen waren die Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege (LIGA), der Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS e.V.), die Kita- Eigenbetriebe des Landes, die Senatsverwaltung für Finanzen (SenFin) und die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (SenBildJugWiss) beteiligt. Die mit der LIGA und dem DaKS geschlossene Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (RV Tag) weist in ihren Kostenblättern seit 2010 Pauschalen aus (s. § 4 RV Tag), die nach dem Alter und dem Betreuungsumfang der Kinder variieren. Die Miet- bzw. Raumkosten sind in den Sachkosten des Kita-Kostenblatts enthalten, die grundsätzlich einheitlich und pauschal berücksichtigt werden. Historisch betrachtet wurden die Sachkosten vor 2010 explizit nach verschiedenen Kostengruppen unterschieden , wobei die Kostengruppe E (Raumkosten für Miete oder Erhaltungsaufwand) 14,9% der gesamten Sachkosten ausmacht. Die Kostensatzfinanzierung erlaubt eine betriebswirtschaftliche Querfinanzierung zwischen den (impliziten) Einzelpositionen der Sachkosten sowie zwischen den Sach- und Personalkosten. Die Kostensätze werden regelmäßig fortgeschrieben. Neben den Anpassungen der Personalkosten erfolgte im Jahr 2014 eine Anpassung der Sachkosten in Höhe von 3,5 v.H. und im Jahr 2015 in Höhe von 2,5 v.H. Die aktuellen RV Tag-Kostenblätter, die alle relevanten Kostenanteile für Kindertageseinrichtungen enthalten, gelten seit dem 01.03.2016. Gemäß § 8 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 RV Tag findet seit dem Jahr 2016 eine Anpassung der Sachkosten jeweils zum 01.01. eines Jahres in Höhe des arithmetischen Mittels der dem November des Vorjahres vorangegangenen zwölf Monatswerte des Verbraucherpreisindex Berlin, veröffentlicht vom Amt für Statistik Berlin- Brandenburg, mindestens jedoch in Höhe von jährlich 1,0 v.H., statt. Über die Anpassung der Personal- und Sachkosten ab dem Jahr 2018 werden rechtzeitig im Jahr 2017 neue Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern aufgenommen . 12. Wann erfährt der Senat von der drohenden Schließung einer Kita aufgrund der Kündigung ihres Mietverhältnisses ? Zu 12.: Die Träger von Kindertageseinrichtungen sind gemäß § 47 SGB VIII verpflichtet, eine drohende bzw. bevorstehende Schließung einer Einrichtung der aufsichtsführenden Stelle anzuzeigen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass eine anderweitige Unterbringung der betreuten Kinder rechtzeitig veranlasst werden kann. Schließungsgründe müssen nicht mitgeteilt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 263 4 13. Welche Maßnahmen unternimmt der Senat derzeit, um eine Schließung von Kitas aufgrund für diese nicht erschwinglicher Mietkosten zu verhindern? Zu 13.: Wie mit der Mitteilung zur Kenntnisnahme über das Berliner Landesprogramm zum Kindertagesstättenausbau (Drucksache Nr. 17/2241 vom 21.04.2015) berichtet, wurden bereits in den Vorjahren im besonderen Einzelfall von der Schließung bedrohte Einrichtungen zur Schaffung von Plätzen am anderen Ort gefördert. Mit der Förderrichtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für Maßnahmen zum bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung in Berlin (Förderrichtlinie - Kitaausbauprogramm ) in der Fassung vom 14.12.2015 fördert das Land Berlin seit 2016 nunmehr auch explizit im Einzelfall Erhaltungsmaßnahmen, wenn ohne diese die vorhandenen Plätze nachweislich wegfallen würden. 14. Wie argumentiert der Senat den Zusammenhang und das gleichzeitige Dilemma einer angestrebten Kostenfreiheit der Kitas bei gleichzeitig zunehmender Schließung von vor allem kleinen Kita-Läden im Innenstadtbereich , da sie trotz einer Landesförderung die Mietkosten nicht mehr tragen können? Zu 14.: Die Kostenbeitragsfreiheit für Eltern steht in keinem Sachzusammenhang zur Finanzierungssystematik der Kindertageseinrichtungen. Die Summe der den Trägern zur Verfügung stehenden Mittel ergibt sich aus der Anzahl und dem Umfang der Kita-Gutscheine, unabhängig vom Kostenbeitrag der Eltern. 15. Wie sichert der Senat die Forderung nach einer weiter zunehmenden Qualität in den Kitas bei gleichzeitig vorhandener Unsicherheit für Erzieher_innen, Kinder und Eltern, die aufgrund von Umzug ihrer Kita oder dem zuvor notwendigen Bezug eines Ausweichquartiers entsteht ? Zu 15.: Mit Stand 07.03.2016 gab es in Berlin 2.436 Kindertageseinrichtungen. Dabei ist es unvermeidlich, dass Einrichtungen manchmal auch Ausweichquartiere beziehen müssen, bspw. in Phasen von Umbau- oder Ausbaumaßnahmen oder geplanten Umzügen. Es obliegt den Trägern der Kindertageseinrichtungen, Eltern und Kinder hierauf adäquat vorzubereiten. Auch temporäre Ausweichquartiere müssen die Standards erfüllen, die Voraussetzung für eine Betriebserlaubnis gemäß § 45 SGB VIII sind. 16. Wie will der Senat langfristig die wohnortnahe Versorgung mit Kitaplätzen insbesondere in den Innenstadtbezirken ermöglichen, wenn es den kleinen Kitas und Kinderläden nicht mehr möglich ist, wohnortnahe Räume anzumieten? Zu 16.: Die wohnortnahe Versorgung mit sozialer Infrastruktur , nicht nur in innerstädtischen Lagen, ist für den Senat auch langfristig von besonderer Bedeutung. Auch in verdichteten Innenstadtbereichen gelingt es derzeit in ausreichendem Maße geeignete Räume anzumieten, neue Kindertageseinrichtungen zu gründen oder den Standort zu wechseln. Mit dem Modell zur kooperativen Baulandentwicklung hat der Senat eine einheitliche Basis für den Abschluss städtebaulicher Verträge zwischen den Bezirken von Berlin und den Investoren größerer Wohnungsbauvorhaben hergestellt. Im Rahmen dieser Verträge werden Vereinbarungen zur Beteiligung der Investoren an den Kosten der Errichtung der sozialen Infrastruktur, hier insbesondere der Kosten für die Errichtung von Kita- und Grundschulplätzen, geschlossen. Berlin, den 07. April 2016 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Apr. 2016)