Drucksache 17 / 18 274 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 18. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. März 2016) und Antwort Administrativer Notstand I – Füreinander: Neue Geschäftsmodelle für Genossen dank Migration nach Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann fanden welche Beratungen und Vorgespräche statt, die zu der Entscheidung der Durchführung der Beratungsdienstleistung für das Land Berlin „Masterplan Integration und Sicherheit“ (Rote Nummer 2654) führten? Zu 1.: In den letzten Monaten des Jahres 2015 kam die Senatskanzlei zu der Erkenntnis, dass dringender Handlungsbedarf für die Integration der bleibenden Flüchtlinge besteht und zur Entscheidung, schnellstmöglich einen Masterplan Integration zu erstellen. Da es in der Verwaltung zu der Zeit nicht die benötigte Kapazität und spezielle Expertise für die komplexe Aufgabe gab, wurde die Notwendigkeit einer externen Beratung festgestellt. Nach Prüfung wurde Ende Dezember 2015 in einem Vergabevermerk das Unternehmen McKinsey ausgewählt. Anfang Januar 2016 erfolgte mündlich die Beauftragung von McKinsey. 2. Wann wurde der daraus resultierende Vertrag zur Erstellung eines „Masterplans Integration und Sicherheit“ mit der Beratungsfirma McKinsey unterzeichnet und von wem? Zu 2.: Eine mündliche Einigung über die wesentlichen Eckpunkte des Vertrags erfolgte wegen des hohen Handlungs - und Zeitdrucks bereits Anfang Januar 2016. Die Unterzeichnung des Vertrags mit diesen Eckpunkten erfolgte am 4. März 2016 durch den Chef der Senatskanzlei und den Direktor im Berliner Büro von McKinsey. 3. Welcher Leistungszeitraum wurde in diesem Vertrag festgelegt? Zu 3.: Als Leistungszeitraum wurde Anfang Januar bis Ende März 2016 festgelegt. 4. Wie erklärt sich der Senat, dass der Leistungszeitraum vor der Entscheidung im Senat zur Vergabe, der Beratung im Hauptausschuss und der Unterzeichnung des Vertrags beginnt? Welche Leistungen wurden schon vor der Vertragsunterzeichnung konkret erbracht? Zu 4.: Die Leistungen wurden nach Vergabe und mündlichem Vertragsschluss erbracht. Allerdings erfolgte die Information des Hauptausschusses aufgrund der allgemeinen Arbeitssituation um ein bis zwei Sitzungen verspätet. Der Chef der Senatskanzlei hat sich hierfür entschuldigt und zukünftig frühzeitige Information des Hauptausschusses zugesichert. 5. Wurde der genannte Vertrag von den gleichen Personen unterzeichnet, die zuvor auch den Pro-bono- Vertrag von September 2015 über die Beratungsleistung der Firma McKinsey im Bereich Registrierung und Leistungserbringung sowie dessen im Dezember 2015 erfolgte Verlängerung unterzeichnet haben? Zu 5.: Ja, da es sich um den Chef der Senatskanzlei bzw. um den Direktor im Berliner Büro von McKinsey handelte. 6. Bis wann läuft dieser im Dezember 2015 unterzeichnete zweite Pro-bono-Vertrag? Zu 6.: Der Vertrag hatte eine Laufzeit bis 22. Juni 2016, ist aber aufgrund der aktuellen Diskussion von McKinsey am 18. März 2016 vorzeitig gekündigt worden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 274 2 7. Hätte es die Möglichkeit gegeben, ein mit dem „Masterplan Integration und Sicherheit“ vergleichbares Konzept durch McKinsey im Rahmen des genannten im Dezember 2015 unterzeichneten Pro-bono-Vertrags erstellen zu lassen? Wann wurde das wie in welchem Rahmen diskutiert und wann wurde es durch welches Gremium verworfen? Zu 7.: Nein, es handelte sich um eine Leistung, die keinen Zusammenhang mit der pro-bono-Tätigkeit hatte. 8. Wurde diese Option von Vertreter*innen des Unternehmens McKinsey explizit ausgeschlossen? Wenn ja, wann? Zu 8.: Bei den Verhandlungen Anfang Januar über die Beauftragung hat das Unternehmen McKinsey seine Vorstellungen über die Notwendigkeit und Höhe eines Entgelts deutlich gemacht. 9. An welche Subunternehmen bzw. freiberuflichen Mitarbeiter*innen/Berater*innen hat das Beratungsunternehmen McKinsey im Rahmen der Durchführung der Beratungsdienstleistung für das Land Berlin zum „Masterplan Integration und Sicherheit“ Verträge vergeben und warum? (Bitte die Namen der Subunternehmen bzw. freiberuflichen Mitarbeiter*innen/Berater*innen sowie das jeweilige Volumen des vergebenen Vertrags nennen.) Zu 9.: McKinsey hat Herrn Diwell im Rahmen der Beratung zum Masterplan Integration unterbeauftragt. Die Senatskanzlei hat keine weiteren Kenntnisse über Vereinbarungen von McKinsey mit Dritten. 10. Hat das Beratungsunternehmen McKinsey im Rahmen der Durchführung der Beratungsdienstleistung für das Land Berlin zum „Masterplan Integration und Sicherheit" Herrn Lutz Diwell als Berater, Subunternehmer oder Beauftragten beschäftigt und vertraglich gebunden ? Wenn ja, mit welchem Volumen und warum? Zu 10.: Vgl. Antwort 9. Weitere Details sind der Senatskanzlei nicht bekannt. 11. Satz I der Ausführungsvorschrift Nr. 7.4 zu § 55 der Landeshaushaltsordnung (I.HO) lautet: „Auch bei freihändiger Vergabe sind im Allgemeinen mindestens drei Angebote einzuholen, es sei denn, dass nur ein Bieter in Betracht kommt.“ Warum wurde diese Vorschrift bei der Vergabe der Beratungsdienstleistung an McKinsey (Rote Nummer 2654) nicht eingehalten und die Beratungsdienstleistung ohne Einholung von mindestens drei Angeboten an McKinsey vergeben? Warum wurde davon ausgegangen, dass McKinsey der einzige in Betracht kommende Bieter sei, obwohl es viele andere Beratungsunternehmen, Stiftungen oder wissenschaftliche Institute gibt, die vergleichbare Kompetenzen und Erfahrungen besitzen (z. B. Kienbaum, Roland -Berger-Stiftung sowie unterschiedliche Forschungsinstitute an den deutschen Universitäten, die sich mit Migration und Integration beschäftigen, z. B. das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Humboldt-Universität zu Berlin)? Zu 11.: Die zitierte Vorschrift wurde beachtet. Für die Beratung bei Erstellung des Masterplans Integration war wesentlich, dass ein Unternehmen sofort mit der Arbeit beginnen kann und sehr nachhaltige und tiefgreifende Erfahrungen zur Entwicklung der Flüchtlingsthematik hat. Daher mussten folgenden Kriterien kumulativ erfüllt sein: - Erfahrung in der strategischen Beratung mit breitem Themenspektrum, - vorhandene Erfahrungen und aktuelles Wissen, die eine Analyse der europa- und bundesweiten Entwicklung der Flüchtlingskrise ermöglichen, - Erfahrung auf Bundesebene zum Thema Flüchtlingsmanagement , um eine Kompatibilität der Maßnahmen zu ermöglichen. McKinsey hat sowohl die schwedische Regierung als auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Sachen Flüchtlingsmanagement beraten. Zum damaligen Zeitpunkt gab es in Deutschland kein Beratungsunternehmen , das über eine ähnlich fundierte Expertise zu allen drei genannten Kriterien verfügte wie McKinsey. 12. Welche anderen Beratungsunternehmen wurden im Vorfeld der Vergabe der Beratungsdienstleistung zum „Masterplan Integration und Sicherheit" analysiert, bevor man zu dem Ergebnis gekommen ist. dass es kein anderes Unternehmen außer McKinsey gebe, das die Kriterien auf S. 3 der Roten Nummer 2654 A erfülle? Zu 12.: Es wurde eine Übersicht zu den elf größten auf dem deutschen Markt vertretenen Beratungsunternehmen erstellt. 13. Im Bericht des Regierenden Bürgermeisters (Rote Nummer 2654 A, S. 3) heißt es, dass kein anderes Unternehmen über derartige in der aktuellen Praxis erworbene Erfahrungen verfüge wie McKinsey. Bei anderen Unternehmen wären lediglich vereinzelt humanitäre Projekte oder Studien zu einzelnen Flüchtlingsthemen durchgeführt worden (Rote Nummer 2654 A, S. 3). Welches sind die Projekte und Studien mit Bezug zur Flüchtlingsproblematik in Deutschland, die von McKinsey durchgeführt wurden, insbesondere solche, die umfassende Integrationskonzepte darstellen? Zu 13.: McKinsey hat durch die Beratung der in Deutschland zentral für Flüchtlingsverfahren zuständige Behörde und durch zuvor geleistete vergleichbare Beratungstätigkeit in anderen europäischen Ländern Erfahrungen und Kenntnisse erlangt, die es in der Lage versetzen, die komplexen Fragen der Entwicklung der europäischen Flüchtlingssituation und ihre Auswirkung auf Deutschland mit einer besondere Expertise zu analysieren. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 274 3 14. Im Bericht des Regierenden Bürgermeisters (Rote Nummer 2654 A, S. 3) heißt es, dass McKinsey als einziges Unternehmen noch vor der in Deutschland akut werdenden Flüchtlingskrise Regierungsorganisationen in Dänemark und Schweden bei der Organisation des Verfahrens zur Anerkennung von Flüchtlingen beraten habe und diese Tatsache ein wesentliches Kriterium für die Vergabe der Beratungsdienstleistung zum „Masterplan Integration und Sicherheit“ an McKinsey gewesen sei. Inwiefern sind die Erfahrungen bei der Organisation des Verfahrens der Anerkennung von Flüchtlingen in Dänemark und Schweden für die Integration der Flüchtlinge in Berlin relevant? Inwiefern ist diese Begründung für die ausschreibungsfreie Vergabe noch gültig, wenn ein Großteil der begleitenden Arbeit von Lutz Diwell vollbracht wurde, der weder über die oben genannten Erfahrungen noch sonstige relevante internationale Erfahrungen verfügt ? Zu 14.: Vgl. die Ausführungen zu 13. Die Unterbeauftragung von Lutz Diwell schmälert diese Kompetenz nicht, da sie zusätzlich zu den, und nicht statt der mit McKinsey vereinbarten Leistungen zur Verfügung gestellt wurde. 15. Wessen Idee oder Vorschlag war die Beschäftigung oder Beauftragung von Herrn Lutz Diwell über die Firma McKinsey? Zu 15.: Herr Diwell hat einen Unterauftrag von McKinsey erhalten. Weitere Details sind der Senatskanzlei nicht bekannt. 16. Wann haben der Regierende Bürgermeister Michael Müller, der Chef der Senatskanzlei Björn Böhning und der Flüchtlingsstaatssekretär Dieter Glietsch von einer möglichen Beschäftigung oder Beauftragung von Herrn Lutz Diwell über die Firma McKinsey erfahren? Zu 16.: Der Chef der Senatskanzlei und Staatssekretär Glietsch haben am Rande des Auftaktworkshops am 08.01.2016 von einer möglichen Zusammenarbeit von McKinsey mit Herrn Diwell erfahren. Der Regierende Bürgermeister ist nicht mit Details der Durchführung des Auftrags zum Masterplan befasst worden. 17. Wann war Herr Lutz Diwell bei der Zusammenarbeit mit McKinsey im Rahmen der Erstellung des „Masterplans Integration und Sicherheit“ wo aktiv? Ist es zutreffend , dass er bereits vor der Unterzeichnung des Vertrags und vor seiner offiziellen Beauftragung bei diversen Stellen, zum Beispiel Berliner Bezirken aktiv war? Wenn ja, bei welchen? Zu 17.: Nach Kenntnis der Senatskanzlei hat Herr Diwell an mehreren Workshops der Senatsverwaltungen und an einigen Gesprächen mit den Bezirken teilgenommen. Diese Aktivitäten fanden nach Beauftragung von McKinsey durch die Senatskanzlei statt. 18. Welche Leistungen und Projekte hat Herr Lutz Diwell für Behörden des Landes Berlin in den letzten 12 Monaten erbracht bzw. durchgeführt? Welche Aufgaben hat er dabei übernommen? Zu 18.: Herr Diwell hat ein Gutachten für die Senatskanzlei zu „Fragen der verfahrensmäßigen und sonstigen rechtlichen Beschleunigungsmöglichkeiten im Flüchtlingsmanagement im Land Berlin“ erstellt. 19. Welche sonstigen Leistungen, Aufträge oder Beauftragungen sind dem Senat bekannt, die Herr Lutz Diwell für die Firma McKinsey erbracht bzw. ausgeführt oder erhalten hat? Zu 19.: Die Senatskanzlei hat keine Kenntnis über Aufträge des Unternehmens McKinsey an Dritte. Berlin, den 07. April 2016 Der Regierende Bürgermeister In Vertretung Hella Dunger-Löper Staatssekretärin für den Chef der Senatskanzlei (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Apr. 2016)