Drucksache 17 / 18 290 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 29. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. März 2016) und Antwort »Nett sind sie alle« (IV): Schritte zur Korruptionsvorbeugung im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Bis wann wird das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) die Festlegung klarer Prozessschritte für die Auftragserteilung an Dritte definieren und umsetzen und wie werden diese Schritte aussehen? 2. Durch wen und auf welcher Grundlage soll die Einhaltung der unter 1. erfragten Verfahren bei der Auftragserteilung an Dritte im LAGeSo überwacht werden? 3. Welche Mittel stehen der in 2. benannten Kontrollinstanz zur Verfügung, um im Falle der Nichteinhaltung des definierten Ablaufs des Vergabeverfahrens an Dritte, sanktionierend tätig zu werden? 4. Auf welcher Grundlage wählt wer innerhalb des LAGeSo private oder öffentliche Betreiber*innen für Unterkünfte für Geflüchtete aus? Zu 1. bis 4.: Für die Beauftragung von Leistungen geben das Wettbewerbs-, Vergabe- und Haushaltsrecht der Verwaltung den einzuhaltenden Rahmen vor. Im Rahmen der Objektakquisition wird der Immobilienmarkt mit einem eigens eingerichteten Immobilienportal unter www.berlin.de abgefragt. Der Betrieb einer Flüchtlingsunterkunft durch eine Betreiberin oder einen Betreiber ist ein Öffentlicher Auftrag (§ 99 Abs. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB). Öffentliche Aufträge über Dienstleistungen sind nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) in der Regel im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren auszuschreiben. Eine freihändige Vergabe ist im Einzelfall zulässig, wenn die Leistung aufgrund von Umständen , die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte, besonders dringlich sind und die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sind (§ 3 Abs. 5 g VOL/A). Die Annahme einer besonderen Dringlichkeit ist vorliegend bei dem Betrieb von Flüchtlingsunterkünften gerechtfertigt, weil bedeutende Rechtsgüter (Gesundheit und Leben der Flüchtlinge) unmittelbar gefährdet sind. Der Senat hat mit Senatsbeschluss Nr. S-531/2015 vom 08.09.2015 aufgrund der aktuellen Situation bei der Aufnahme von Flüchtlingen eine besondere Dringlichkeit für erforderliche Beschaffungen oder Vergaben festgestellt. Die Entscheidung über die Auswahl einer Betreiberin oder eines Betreibers trifft der Referatsleiter der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL – Referat II D). Die Einhaltung der o. g. Regeln öffentlicher Vergaben werden im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben durch die Innenrevision , die Fachaufsicht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales überprüft. 5. Welche konkreten Prozessschritte, angefangen bei der Akquise bis hin zur Inbetriebnahme durch eine externe Betreiberfirma, beinhaltet der Aufbau neuer Unterkünfte aktuell und wie sollen diese künftig ggf. verändert werden? Zu 5.: Die dem LAGeSo angebotenen Objekte werden in einer Immobiliendatenbank erfasst und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BUL (Referat II D) einer Tischprüfung unterzogen. Bei Feststellung einer grundsätzlichen Eignung erfolgt die Weiterleitung an die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Die Objekte durchlaufen sodann bei der BIM folgende Phasen: 1. Identifikation und Qualifizierung (Kontaktaufnahme zur Eigentümerin/zum Eigentümer, Abfordern prüffähiger Unterlagen) 2. Vorprüfung (Gesamtkonzeption, Kapazität, Einpassungsplanung , bauordnungs- und stadtplanungsrechtliche Zulässigkeit) 3. Tiefenprüfung unter Einbindung der bezirklichen Bauaufsicht, des Bedarfsträgers und der Berliner Feuerwehr Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 290 2 4. Ermittlung Kosten- und Maßnahmenplan sowie Verhandlung eines Letters of Intent (Absichtserklärung ) oder Mietvertrags (Freigabe durch Bedarfsträger nach vorheriger Genehmigung Verpflichtungsermächtigung durch Senat und Hauptausschuss ) 5. Umsetzung 6. Übergabe an Bedarfsträger/Inbetriebnahme (nach vorheriger Bindung eines Betreibers) 7. Regelbetrieb 6. Wie bewertet der Senat, dass für einen Großteil der bestehenden Unterkünfte nach wie vor keine Betreiber *innenverträge abgeschlossen worden sind und ggf. nur Absichtserklärungen existieren? 7. Wie bewertet der Senat, dass es Unterkünfte wie etwa die Notunterkunft Erpelgrund gibt, die nicht nur keinen abgeschlossenen Betreiber*innenvertrag besitzen, sondern auch keine Absichtserklärung? In wie vielen Unterkünften ist dies der Fall? 9. Bis wann wird für welche Art von neu zu eröffnender Unterkunft ein Vertragsabschluss mit welcher bereits ausgewählten oder aber noch auszuwählenden Betreiberfirma abgeschlossen werden? 10. Für welche der bereits eröffneten Unterkünfte ist im laufenden Jahr bis wann mit einem Vertragsabschluss zu rechnen und für welche Unterkünfte plant der Senat aus welchen Gründen keinen Vertragsabschluss vorzunehmen ? (Bitte aufschlüsseln.) Zu 6., 7., 9. und 10.: Der Senat hat bereits mehrfach dargelegt, dass die Inbetriebnahme von Flüchtlingsunterkünften ohne schriftlichen Vertrag lediglich eine vorübergehende Notlösung sein kann, die sich allein aus der Tatsache rechtfertigt, dass andernfalls keine ausreichenden Kapazitäten für eine menschenwürdige Unterbringung aller nach Berlin verteilten Asylbegehrenden bereitgestellt hätten werden können. Die Verhandlungen zum Abschluss der Verträge nehmen insbesondere wegen der rechtlichen Ausgestaltung der Verträge und der Verhandlungen über die Kalkulation einige Zeit in Anspruch. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales und das LAGeSo haben zur Ausgestaltung und Verhandlung der Betreiberverträge eine Arbeitsgruppe Vertragsmanagement eingerichtet, welche die Aufgabe hat, den Betreibervertrag des Landes Berlin abschließend zu erarbeiten und die Verhandlungen mit den Betreiberinnen und Betreibern über einen endverhandelten Tagessatz aufzunehmen. Derzeit konnten in 37 Flüchtlingsunterkünften noch keine Absichtserklärungen zwischen den Betreiberinnen und Betreibern der Unterkünfte und Berlin abgeschlossen werden. Obwohl für diese Unterkünfte noch keine schriftlichen Betreiberverträge vorliegen, bestehen zivilrechtliche Vertragsverhältnisse. Der Wirksamkeit steht nicht entgegen, dass zwischen den Betreiberinnen und Betreibern und dem LAGeSo noch nicht über sämtliche Vertragsbestandteile eine Übereinkunft getroffen worden ist. Der Ablauf der Vertragsabschlüsse mit den für die jeweiligen Flüchtlingsunterkünfte ausgewählten Betreiberinnen und Betreibern befindet sich derzeit noch in der Abstimmung. 8. Für welche neu zu eröffnenden Unterkünfte hat der Senat bereits Betreiber*innen ausgewählt und für welche neu zu eröffnenden Unterkünfte läuft momentan ein Vergabeverfahren? Zu 8.: Für die Unterkunft Hennigsdorfer Straße wurde der Betreiber Albatros, für die Storkower Straße die STK118 Immobilien GmbH, für die Treskowstraße das Unionhilfswerk (UHW), für die Lützowstraße das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) und für die Ohlauer Str. (Gerhart-Hauptmann-Schule) wurden die Johanniter ausgewählt. Für die Einrichtungen Grünauer Str., Wartenberger Str., Lietzenburger Str., und Alt-Friedrichsfelde werden aktuell eine Betreiberin oder ein Betreiber gesucht. 11. Bis wann wird im LAGeSo ein strukturiertes Controlling aufgebaut und bis wann und in welcher Form wird auf welcher Grundlage eine Verbesserung des internen Abrechnungsverfahrens herbeigeführt? Zu 11.: Mit der Errichtung des neuen Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten wird auch ein strukturiertes Controlling aufgesetzt. Einzelheiten befinden sich gerade in der Abstimmung zwischen den Beteiligten. 12. Auf Grundlage welchen Verfahrens prüft das LA- GeSo bzw. die BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) die Herrichtungskosten für neu zu eröffnende Unterkünfte? Zu 12.: Die BIM veranlasst die Erstellung von Kosten - und Maßnahmenplänen, welche anschließend dem Bedarfsträger zur Freigabe übermittelt werden. Bei der Erreichung eines genehmigten Zustandes für SILB/THV/BIMA-Objekten ermittelt die BIM GmbH die Kosten für die durchzuführenden Maßnahmen auf Basis der DIN 276/HOAI jeweils in aktuell geltender Fassung. Die ermittelten Kosten der Herrichtung werden seitens der BUL überprüft, wobei Maßstab zur Umsetzungsentscheidung die sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung ist. 13. Auf Grundlage welchen Verfahrens funktioniert das amtsinterne Mahnwesen innerhalb des LAGeSo? 14. Konnten in der Vergangenheit alle mit Betreiber *innen bereits abgeschlossenen Verträge wie im Wirtschaftsprüfbericht empfohlen einer Prüfung unterzogen werden und wenn ja, auf welcher Grundlage und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht und bis wann soll dies geschehen? Wenn ja, welche Verträge wurden daraufhin mit welchem Ergebnis neu verhandelt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 290 3 15. Gegen welche Betreiber*innen a. wurden wann aus welchen Gründen jeweils Sanktionen , Regressansprüche, Vertragsstrafen oder Rückforderungen geltend gemacht und mit welchem Ergebnis? (Bitte aufschlüsseln.) b. existieren momentan aus welchen Gründen jeweils Sanktionen, Regressansprüche, Vertragsstrafen oder Rückforderungen? (Bitte aufschlüsseln.) c. sind aktuell aus welchen Gründen jeweils Sanktionen , Regressansprüche, Vertragsstrafen oder Rückforderungen geplant, angekündigt oder werden geprüft? (Bitte aufschlüsseln.) 18. Auf welcher Grundlage prüft das LAGeSo derzeit Überzahlungen an Betreiber*innen, zum Beispiel bei anfallenden Mietkosten? Zu 13., 14., 15. und 18.: Sämtliche Verwaltungsvorgänge wurden, wie im Wirtschaftsprüferbericht empfohlen , durch erfahrene Betriebsprüfer/innen einer vertieften Prüfung unterzogen. Die Umsetzung der aus den Berichten abgeleiteten Handlungsempfehlungen wird von der BUL sukzessive geprüft. Eine Neuverhandlung vertraglich vereinbarter Tagessätze ist jedoch problematisch, weil die Vertragsparteien an die verhandelten Verträge gebunden sind. Sofern es in einzelnen Verwaltungsvorgängen zu Überzahlungen des Tagessatzes gekommen ist, werden diese durch Verrechnung oder Rückforderung gegenüber den Betreiberinnern und Betreibern geltend gemacht. 16. Für welche Betreiber*innen werden seit Jahresbeginn aus welchen Gründen und auf welcher Grundlage Vorabzahlungen in welcher Höhe gewährt? Zu 16.: Die Betreiberinnen und Betreiber, mit denen Absichtserklärungen über die Verhandlungen zum Abschluss eines Betreibervertrages vereinbart worden sind, erhalten je nach Ausgestaltung der Absichtserklärungen Abschlagszahlungen zwischen 50 und 80 Prozent, welche nach Erbringung der Leistung bzw. eines Teils der Leistung gewährt werden. Hierbei handelt es sich jedoch nach Nr. 6 zu § 56 AV-LHO nicht um Vorleistungen im Sinne des Haushaltsrechts. Die Betreiberinnen und Betreiber haben nach dem neuen Abrechnungsverfahren das Recht, eine Abschlagszahlung in Höhe von 50 % der voraussichtlichen Gesamtkosten des Monats zu beantragen. Hierzu bedarf es der Einreichung einer Rechnung zum 15. des laufenden Monats. Die Höhe der Abschlagszahlung ergibt sich aus einer von den Betreiberinnen und Betreibern erstellten Gesamtkalkulation, welche auf der Gesamtkapazität der Unterkunft basiert. 17. Auf welcher Grundlage beantwortet das LAGeSo aktuell mögliche Baukostenüberschreitungen bei der Herrichtung neuer Unterkünfte? Zu 17.: Bei der Herrichtung neuer Unterkünfte sind die Prozesse zwischen den Bedarfsträgern und den Kooperationspartnern grundsätzlich so abgestimmt und modelliert , dass grundsätzlich nicht mit regelmäßigen Baukostenüberschreitungen gerechnet wird. Berlin, den 18. April 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Apr. 2016)