Drucksache 17 / 18 294 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 18. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. März 2016) und Antwort Basiskonten für geflüchtete und wohnungslose Menschen bei Berliner Banken Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie schätzt der Senat die Bedeutung eines eigenen Bankkontos für geflüchtete und wohnungslose Menschen als Faktor für die Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ein? 2. Welche Nachteile haben geflüchtete und wohnungslose Menschen ohne eigenes Bankkonto auf dem Arbeitsund Wohnungsmarkt? Zu 1. und 2.: Ein eigenes Bankkonto hat auch eine hohe Bedeutung für geflüchtete und wohnungslose Menschen . Es stellt einen wichtigen Faktor zur Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben dar. Der Anteil an Waren und Dienstleistungen, deren Erwerb oder Inanspruchnahme ein Konto voraussetzt, ist in der Vergangenheit stetig gestiegen. Insofern können Menschen , die nicht über eine eigene Kontoverbindung verfügen können, in vielen Lebensbereichen nur eingeschränkt am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen . Insbesondere bedeutet eine fehlende Kontoverbindung einen erheblichen Nachteil in Bezug auf die Anmietung von Wohnungen, da alternative Abrechnungsformen für die Vermieterin oder den Vermieter mit einem höheren Aufwand hinsichtlich der Abrechnung der Miete verbunden sind. Insofern werden Menschen ohne Konto, die sich um eine Wohnung bewerben, von vornherein eine schlechtere Ausgangsposition haben. Auch auf dem Arbeitsmarkt stellt ein fehlendes Konto einen Nachteil gegenüber anderen Kandidatinnen und Kandidaten um einen Arbeitsplatz dar, da die Barauszahlung des Arbeitsentgeltes mittlerweile unüblich ist. Mit dem Fehlen eines Kontos geht auch in diesem Lebensbereich eine erhebliche Stigmatisierung einher. 3. Welche Möglichkeiten haben geflüchtete und wohnungslose Menschen um in Berlin ein Bankkonto zu eröffnen ? Zu 3.: Geflüchtete und wohnungslose Menschen haben auch jetzt schon die Möglichkeit, ein Konto zu eröffnen . Es existiert jedoch kein Kontrahierungszwang, d. h. jedes Geldinstitut entscheidet im Einzelfall, ob die Antragstellerin oder der Antragsteller akzeptiert wird. Die Berliner Sparkasse hat sich zur Eröffnung sog. Jedermann -Konten im Zuge der Selbstverpflichtung bekannt. Auch dort wird jedoch z. B. ein Identitätsnachweis gefordert . 4. Welche Unterschiede bestehen in diesem Zusammenhang zwischen registrierten Flüchtlingen, Asylbewerbern und Personen mit Aufenthaltstiteln? (Aufstellung erbeten.) Zu 4.: Im Prinzip gilt für alle Personenkreise, dass ein rechtmäßiger Aufenthalt gegeben sein muss. Dies ist bei Inhaberinnen und Inhabern einer Aufenthaltsgestattung oder von Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnissen der Fall. Kritischer werden seitens der Banken wohl Asylsuchende beurteilt, die über einen Ankunftsnachweis verfügen, sowie Menschen, die eine Duldung haben. 5. Welche Banken sind verpflichtet den unter 2. genannten Personen sowie wohnungslosen Menschen die Einrichtung eines Bankkontos zu ermöglichen und welche Banken können dies aktuell ablehnen? 6. Welche Banken in Berlin haben aktuell hierzu die freiwillige Selbstverpflichtung für sogenannte Jedermann- Konten von 1995 abgegeben? 7. Wie unterscheidet sich in diesem Zusammenhang die Berliner Sparkasse von anderen Banken in Berlin? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 294 2 Zu 5. bis 7.: Aktuell besteht in Berlin für keine Bank eine verbindliche Verpflichtung, für geflüchtete oder wohnungslose Menschen ein Konto zu eröffnen. Seit Mitte der 1990er Jahre besteht eine freiwillige Selbstverpflichtung der Kreditinstitute. Dies hat in der Praxis jedoch nicht dazu geführt, dass die genannten Personenkreise durchweg Zugang zu einem sogenannten Jedermann-Konto erhalten haben. Die Sparkassen haben sich im Jahr 2012 darauf verständigt , im gesamten Geschäftsgebiet ansässigen Privatpersonen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder Nationalität auf Wunsch zumindest ein Guthabenkonto anzubieten. Auch unter diesen Bedingungen liegt die Eröffnung eines Kontos jedoch im Ermessen der Sparkasse. 8. Unterstützt der Senat die Einrichtung eines sogenannten Basiskontos für geflüchtete und wohnungslose Menschen in Berlin? (Wenn ja, auf welche Weise?) 12. Wie kann Berlin eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/92/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen einnehmen? Zu 8. und 12.: Der Senat unterstützt ausdrücklich die Einrichtung sogenannter Basiskonten für geflüchtete und wohnungslose Menschen und setzt sich für eine frühzeitige Umsetzung der Richtlinie 2014/92/EU ein. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LA- GeSo) berät Asylsuchende seit März 2016 zu den Möglichkeiten einer Eröffnung von Girokonten, damit möglichst viele Menschen die bestehenden Angebote nutzen. Bisher sind beim LAGeSo schätzungsweise 4.000 Konten bekannt. Seit 11. April 2016 werden auch die in der Turmstraße Wartenden zur Kontoeröffnung beraten. In diesem Zusammenhang wird die Verabschiedung des Zahlungskontengesetzes ausdrücklich begrüßt, das ausdrücklich auch den Aufenthalt von Menschen mit Duldung als rechtmäßig im Sinne dieses Gesetzes definiert . 9. Wie kann ein Basiskonten-Modell für Berlin realisiert werden und welche Akteure (Senatsverwaltungen, Banken und weitere) müssen sich hierzu austauschen? 10. Gab es hierzu bereits Gespräche? (Wenn ja, wann, mit wem und mit welchem Ergebnis?) Zu 9. und 10.: Der Senat geht davon aus, dass es aufgrund der Verabschiedung des Zahlungskontengesetzes, das u. a. bezüglich des dort geregelten Benachteiligungsverbotes voraussichtlich im Sommer 2016 in Kraft treten wird, keines gesonderten Berliner Modells zur Einrichtung von Basiskonten bedarf. 11. Wie bewertet der Senat ein Basiskonten-Modell mit der Möglichkeit der Geldein- und Auszahlung (bar und unbar) sowie der Überweisung und ohne die Möglichkeit einer Überziehung hinsichtlich geäußerter Bedenken bzgl. der Gefahr der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ? Zu 11.: Wie bereits geschildert hält der Senat die Einrichtung eines Basiskontos für erforderlich, damit geflüchtete und wohnungslose Menschen am Leben in der Gesellschaft teilhaben können. Da die aktuelle Bundesgesetzgebung auch eine Änderung des Geldwäschegesetzes beinhaltet, geht der Senat davon aus, dass mögliche Bedenken in dieser Hinsicht ausgeräumt werden konnten. Berlin, den 15. April 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Apr. 2016)