Drucksache 17 / 18 305 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Philipp Magalski (PIRATEN) vom 31. März 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. April 2016) und Antwort 35 Jahre nach Rock City Berlin: Wie will der der Senat die Club- und Subkultur in Berlin unterstützen und Verdrängungsprozesse verhindern? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele und welche Berliner Veranstaltungsräume oder Zentren der Club- und Subkultur gibt es aktuell in Berlin noch? (Bitte nach Bezirken aufschlüsseln.) Zu 1.: Das Musicboard Berlin hat 2015 mit www.clubkataster.de eine interaktive und anschauliche Karte entwickelt, die Kulturstätten, Vergnügungsstätten sowie Schank- und Speisewirtschaften verzeichnet, in denen Musik und Popkultur stattfinden. Das Clubkataster basiert auf frei verfügbaren Informationen sowie Daten, die auf Nachfrage von bekannten Clubs und Subkulturstätten zur Verfügung gestellt wurden. Unter der Rubrik „Statistik“ sind interaktive Grafiken zu finden, die eine Darstellung nach Bezirken sowie nach Kategorien wie Club oder Live ermöglichen. In erster Linie dient das Clubkataster als Handreichung für Berliner Behörden und ist nicht als Wegweiser durch Berlins Club- und Subkulturszene zu verstehen (siehe dazu Antwort auf Frage 7). Geht man davon aus, dass in allen genannten Kategorien bis auf „Disco“ Club- und Subkultur stattfinden, sind auf Clubkataster.de aktuell ca. 370 derartige Räume bzw. Zentren für Berlin verzeichnet. In der hinterlegten Liste sind sogar ca. 400 derartige Räume verzeichnet. Die Varianz ergibt sich aus Angaben, für die bislang kein Eröffnungsdatum bekannt ist und sie deshalb auf Clubkataster .de nicht angezeigt werden. Bei der anstehenden Aktualisierung sollen die Eröffnungsdaten nachträglich erhoben werden. Die ca. 400 Räume verteilen sich wie folgt auf die Bezirke : Charlottenburg-Wilmersdorf 10 Friedrichshain-Kreuzberg 149 Lichtenberg 10 Marzahn-Hellersdorf 9 Mitte 107 Neukölln 35 Pankow 41 Reinickendorf 2 Spandau 5 Steglitz-Zehlendorf - Tempelhof-Schöneberg 15 Treptow-Köpenick 18 2. Wie viele und welche Berliner Veranstaltungsräume oder Zentren der Club- und Subkultur gab es 2011 in Berlin? (Bitte nach Bezirken aufschlüsseln.) Zu 2.: Für das Jahr 2011 sind ca. 300 bis 450 geöffnete Räume für Club- und Subkultur aufgelistet. Die Varianz liegt auch hier darin begründet, dass für ca. 150 dieser Orte bislang kein Eröffnungsdatum angegeben werden kann. Unter diesen 150 befinden sich jedoch Clubs, die bekanntermaßen erst nach 2011 eröffneten und somit hier ausgenommen werden müssten. Eine Aufschlüsselung nach Bezirken ist auf Grund dieser Datengrundlage derzeit nicht aussagekräftig. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 305 2 3. Wie viele und welche Berliner Veranstaltungsräume oder Zentren der Club- und Subkultur sind in den letzten fünf Jahren geschlossen worden? (Bitte nach Bezirken aufschlüsseln.) a) Was waren jeweils die konkreten Gründe? Zu 3.: Auf Clubkataster.de sind für die Jahre zwischen 2011 und 2015 ca. 170 Schließungen verzeichnet, wobei auf Nachfrage erläutert wurde, dass es sich bei ca. 100 der 135 in 2012 verzeichneten Schließungen um Platzhalter für nicht datierbare Schließungen vor allem in den 1990er Jahren handelt. Eine Korrektur wird zeitnah erfolgen. Abzüglich dieser Platzhalter ist damit von ca. 75 Schließungen in den letzten fünf Jahren auszugehen. Konkrete Gründe für Schließungen wurden nur in Einzelfällen angegeben, aus denen keine generelle Aussage abgeleitet werden kann. 4. Wie viele und welche Berliner Veranstaltungsräume oder Zentren der Club- und Subkultur sind in den letzten fünf Jahren von wo nach wohin umgezogen? a) Was waren jeweils die konkreten Gründe? b) Wie viel Nutzfläche stand jeweils vor und wie viel jeweils nach dem Umzug zur Verfügung? Zu 4.: Umzüge können im Clubkataster nicht statistisch nachvollzogen werden. 5. Wie bewertet der Senat das Verschwinden und die Verdrängung von Veranstaltungsräumen, Clubs und Zentren der Jugend- und Subkultur, wie beispielsweise des Knaack, des Clubs der Visionäre, der Kirche von Unten, des Vétomats, oder des Drugstore in der „Potse“, die nur exemplarisch für viele bedrohte subkulturelle Freiräume in Berlin stehen? Zu 5.: Die Club- und Subkultur ist ein wichtiger Bestandteil von Berlins Selbstverständnis als Kulturmetropole und Sehnsuchtsort für Kreative aus aller Welt. Zahlreiche Clubs haben in den vergangenen Jahren eröffnet oder wiedereröffnet, so dass sich gemäß Clubkataster insgesamt ein eher ausgewogenes Bild ergibt. Sind Räume der Club- oder Subkultur aufgrund äußerer, sich verändernder Umstände gezwungen zu schließen, ist das zu bedauern. Ziel des Senats ist es deshalb, in diesen Fällen mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen und wenn möglich durch Vermittlung zu verhindern (siehe dazu auch Antwort auf Frage 7). Jedoch ändert sich die Berliner Club- und Subkultur seit jeher sehr schnell und die Gründe für Schließungen sind sehr vielfältig, so dass nicht generell von Verdrängung die Rede sein kann. 6. Wie viele Klagen von Anwohner*innen gab es in den letzten zehn Jahren wegen Ruhestörungen, die vermeintlich von subkulturellen Veranstaltungsräumen ausgingen ? a) Wie erfolgreich oder erfolglos waren jeweils die Klagen für die Kläger und welche Konsequenzen folgten jeweils für die Veranstaltungsräume? Zu 6.: Hierzu sind keine Informationen verfügbar, die eine statistische Auswertung ermöglichen. 7. Eine unter https://www.youtube.com/watch?v=NQ_WBlIKnMo verfügbare Reportage des SFB aus dem Jahr 1981 zeigt das Engagement des damaligen Kultursenats für subkulturelle Veranstaltungsräume. Dieser stellte damals u.a. zur Sanierung des „Quartier Latin“ mehr als 500.000 DM zur Verfügung, sodass dort u.a. die Veranstaltung „Rock City“ erfolgreich stattfinden konnte. Ein großer Teil der Mittel wurde für den Schallschutz verwendet. a) Was unternimmt und was kann der Senat heute und zukünftig mit welchen Mitteln unternehmen, um - in Zeiten, in denen subkulturelle Freiräume tendenziell zu verschwinden drohen und tatsächlich verschwinden - Veranstaltungsräume zu erhalten und neue entstehen zu lassen? Zu 7.: Mit dem Musicboard Berlin hat der Senat 2013 eine Einrichtung geschaffen, die in Kooperation mit der Clubcommission Anlaufstelle für bedrohte Räume der Club- und Subkultur ist, in Konfliktfällen moderiert und zwischen verschiedenen Interessen vermittelt. Mit Veröffentlichung des Clubkatasters versandte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ein Rundschreiben (Nr. 3/2014 1 ), mit dem die Bezirke u.a. angehalten werden , bei heranrückender Wohnbebauung und drohenden Lärmkonflikten die Einhaltung des Rücksichtnahmegebots zu prüfen, wenn sich z.B. Clubs in der Nähe künftiger Wohnhäuser befinden. Das Clubkataster dient dabei als Handreichung für die Behörden, um zu erkennen, wo potentiell lärmemittierende Räume vorhanden sind und wo es gilt, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, so dass der Clubbetrieb nicht gefährdet wird. Mit der Toolbox der Clubcommission fördert das Musicboard Berlin darüber hinaus ein Beratungsprojekt, um vermeidbaren Konflikten , die zur Schließung eines Clubs führen könnten, frühzeitig entgegenwirken zu können. 1 Abrufbar unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/rundschreiben/de/ download/bauaufsicht/rs_20140821_heranr_wohnbeb.pdf Charlottenburg-Wilmersdorf - Friedrichshain-Kreuzberg 29 Lichtenberg 1 Marzahn-Hellersdorf - Mitte 35 Neukölln 4 Pankow 5 Reinickendorf - Spandau - Steglitz-Zehlendorf - Tempelhof-Schöneberg 1 Treptow-Köpenick 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 305 3 Darüber hinaus achtet die Senatskanzlei im Rahmen der Liegenschaftspolitik darauf, dass zur Verfügung stehende Räume (auch) künftig kulturell bzw. kreativwirtschaftlich genutzt werden können. Das Musicboard Berlin bzw. die Senatskanzlei vermitteln auch bei Fragen zur Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen oder an private Initiativen mit Raum für kulturelle Nutzung. Berlin, den 14. April 2016 Der Regierende Bürgermeister In Vertretung Hella Dunger-Löper Staatssekretärin für den Chef der Senatskanzlei (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Apr. 2016)