Drucksache 17 / 18 311 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Heiko Herberg (PIRATEN) vom 01. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. April 2016) und Antwort Verwicklungen der landeseigenen Unternehmen Berlins in das NS-Unrecht: BEHALA Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat überwiegend nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er hat daher die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA) um eine Stellungnahme gebeten. Die dort in eigener Verantwortung erstellte und an den Senat übermittelte Stellungnahme ist in die Beantwortung eingeflossen. Darüber hinaus sind in die Beantwortung alle Erkenntnisse eingeflossen , die zum Zeitpunkt der Anfrage vorlagen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass in den Archiven der Unternehmen, dem Landesarchiv (siehe z. B. www.wga-datenbank.de) oder sonstigen mit der Aufarbeitung des NS-Unrechts und der Wiedergutmachung befassten Einrichtungen und Initiativen weitere Unterlagen vorhanden sind, aus denen sich Hinweise auf Enteignungen , den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern , auf problematische personelle Kontinuitäten sowie darüber hinausgehendes Unrecht zur Zeit des Nationalsozialismus ergeben. 1.a) Ist dem Senat bekannt, ob es im Zuge der sog. Arisierung in den Jahren 1933-1945 zu Enteignungen jüdischer Anteilseigner*innen, Aktionär*innen o.ä. der BEHALA oder möglicher früherer Rechtsvorgängerinnen kam? 1.b) Kam es nach Kenntnis des Senats im Rahmen der Arisierung zu Enteignungen jüdischer Grundstücksoder Immobilienbesitzer*innen, an denen die BEHALA beteiligt war oder von denen sie profitierte? 1.c) In welchem Umfang fanden diese Enteignungen statt und wie viele Personen waren hiervon betroffen? Zu 1. a-c): Dem Senat und der BEHALA liegen mit Ausnahme der Anhaltspunkte aus der Beantwortung der Frage 3.a) gegenwärtig keine Erkenntnisse über Enteignungen vor. 2. Ist dem Senat bekannt, ob und in welchem Umfang durch das Unternehmen Zwangsarbeiter*innen in den Jahren 1933-1945 beschäftigt wurden bzw. inwieweit das Unternehmen von Zwangsarbeit direkt oder indirekt profitierte ? Zu 2.: Dem Senat liegen Informationen vor, nach denen ein Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in der BEHALA erfolgte. Die Angaben zur Anzahl der eingesetzten Personen, die den damaligen Geschäftsberichten der BEHALA entnommen worden sind, lassen einen Einsatz von bis zu 550 Personen pro Tag möglich erscheinen. 3.a) Wurden von Betroffenen bzw. ihren Familien oder deren Nachfahren Restitutions- und /oder Entschädigungsforderungen , bspw. im Rahmen der Jewish Claims Conference, geltend gemacht? Zu 3. a).: Ja. 3.b) Wurden Rückübertragungen oder Entschädigungen durch die BEHALA an Betroffene bspw. im Rahmen des § 30a Abs. 1 Satz 1 HS 2 Vermögensgesetz bis Ende 1992 vorgenommen? Zu 3.b).: Nein. 4.a) Sind dem Senat bzw. der BEHALA im oben beschriebenen Kontext problematische personelle Kontinuitäten zwischen der NS-Zeit und der Nachkriegszeit bekannt (bspw. durch Vorstandsmitglieder, die vor und nach 1945 an prominenter Stelle im Unternehmen wirkten )? 4.b) Gab es hierzu bereits Aufarbeitungen, ähnlich zum Beispiel derjenigen des Auswärtigen Amtes? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 311 2 Zu 4. a und b): Dem Senat und der BEHALA liegen hierzu gegenwärtig keine Erkenntnisse vor. Eine Aufarbeitung ähnlich derjenigen des Auswärtigen Amtes gibt es nicht. 5.a) Sind dem Senat sonstige Entschuldigungs- oder Entschädigungsgesten der BEHALA gegenüber möglichen Betroffenen bzw. den Nachkommen bekannt? 5.b) Wurde seitens des Unternehmens aktiv der Kontakt zu Betroffenen bzw. deren Nachfahren gesucht? Zu 5. a und b): Siehe Antwort zu 4. Darüber hinaus hat die BEHALA gemeinsam mit weiteren Anstalten öffentlichen Rechts und Landesunternehmen auf Bitte des Senats insgesamt 4.050.000 DM in den Entschädigungsfonds der Stiftungsinitiative für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ eingezahlt. 6.a) Sollte es zu Enteignungen oder Beschäftigung von Zwangsarbeiter*innen gekommen sein bzw. sollten personelle Kontinuitäten bekannt sein – in welcher Form hat das betroffene Unternehmen über die Restitutionen hinaus zur öffentlichen Aufarbeitung beigetragen (bspw. durch Forschungsarbeiten, Dokumentation, öffentliche Ausstellungen, Bereitstellung von Dokumenten etc.)? 6.b) In welchen Formen weist das Unternehmen öffentlich auf eine mögliche eigene Verantwortung und Verwicklung in das NS-Unrecht hin? 6.c) Bewertet der Senat die bisher erfolgte Aufarbeitung als ausreichend? 6.d) Sieht sich der Senat in der Position und hält er es für angebracht, die BEHALA in sonstiger Weise zu einer weiteren, systematischeren Aufarbeitung und möglicherweise Aufbereitung zu ermutigen? Zu 6. a bis d): Der Senat erwartet, dass sich öffentliche Institutionen und landeseigene Unternehmen mit ihrer Geschichte auseinandersetzen und historisches Unrecht aufarbeiten. In der Vergangenheit hat sich der Senat anlassbezogen konkret dafür eingesetzt, dass sich Unternehmen auch an entsprechenden bundesweiten Initiativen beteiligen, beispielsweise an dem Entschädigungsfonds der Stiftungsinitiative für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung , Zukunft“. Für die Einzelheiten wird rein beispielhaft auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 14/1784 verwiesen. Berlin, den 20. April 2016 Cornelia Y z e r ....................................................... Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Apr. 2016)