Drucksache 17 / 18 329 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Martin Delius und Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 05. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. April 2016) und Antwort Ghettoisierung verhindern III – Beschulung von geflüchten Kindern und Jugendlichen in „Schulfilialen“ und Unterkünften Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was ist eine „Schulfiliale“? a) Welche Regelungen gelten für „Schulfilialen“ und wo sind oder werden diese regelmäßig festgelegt? Zu 1.: Bei dem Begriff der „Schulfiliale“ handelt es sich nicht um einen juristischen Tatbestand. Das Schulgesetz trifft keine Regelung zu einer verpflichtenden räumlichen Einheit einer Schule und sieht demzufolge auch keine Sonderregelung für getrennte Schulstandorte vor. 2. Welche Kooperationsverpflichtungen zwischen der Schulfiliale und der Regelschule gibt es? a) Wo sind oder werden diese regelmäßig festgelegt? b) Wie werden diese vom wem und wie regelmäßig geprüft? Zu 2.: Da es sich um eine Schule handelt, gelten die in Teil VI des Schulgesetzes enthaltenen allgemeinen Regeln zur schulinternen Zusammenarbeit. 3. Wie viele Kinder und Jugendliche werden zurzeit in wie vielen „Willkommensklassen“ unterrichtet, die in wie vielen „Schulfilialen“ welcher Regelschulen eingerichtet wurden? a) Wie weit sind die „Schulfilialen“ von den jeweiligen Regelschulen entfernt? Zu 3.: Die Erhebung der Zahlen von Schülerinnen und Schülern erfolgt generell auf der Ebene der Organisationseinheit Schule, d.h. der genaue Ort der Beschulung, ob in Filialen oder in speziellen Räumen, wird nicht erfasst. 4. Wie wird sichergestellt, dass die geflüchteten Kinder und Jugendlichen, die in „Willkommensklassen“ in „Schulfilialen“ unterrichtet werden, a) Kontakte zu geflüchteten und nicht-geflüchteten Kindern und Jugendlichen der Regelschule aufnehmen und pflegen können, b) an Veranstaltungen der Regelschule teilnehmen können, c) an Schüler*innenvertretungswahlen teilnehmen können? Zu 4.: Sofern Willkommensklassen in „Schulfilialen“ unterrichtet werden, nehmen sie grundsätzlich – wie alle Klassen in Filialen - an allen gesamtschulischen Veranstaltungen (z.B. Projekttage, Schulfeste, Arbeitsgemeinschaftsangebote ) teil. Daneben nehmen die Schülerinnen und Schüler der Willkommensklassen an vielen Schulen frühzeitig in ausgewählten Fächern (z.B. Sport, Musik, Kunst) am Regelunterricht ihrer nicht geflüchteten Mitschülerinnen und –schüler teil. Es ist Aufgabe der Schulleitung und der Lehrkräfte sicherzustellen , dass die allgemeingültigen Regeln zur Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern über alle Standorte einer Schule hinweg Anwendung finden. 5. Wie wurden und werden Schüler*innen- und Elternvertretungen der jeweiligen Regelschule über die jeweiligen Schulfiliale und die Abläufe dort informiert? Zu 5.: Diese Information der Schüler/-innen und Elternvertretungen ist regelmäßige Aufgabe der Schulleitung und der Lehrkräfte. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 329 2 6. Wie, von wem und wie regelmäßig wird geprüft, ob Plätze in der Regelschule frei werden, sodass geflüchtete Kinder und Jugendliche, die in „Willkommensklassen“ in „Schulfilialen“ unterrichtet werden, in eine „Willkommensklasse “ der jeweiligen Schule oder gar in eine Regelklasse wechseln können? Zu 6.: Die Zuweisung von Schulplätzen ist Aufgabe der bezirklichen Schulämter und geschieht in Absprache mit den regionalen Koordinierungsstellen für Willkommensklassen und den Schulleitungen. 7. In wie vielen und in welchen vertragsgebundenen Einrichtungen für Geflüchtete (Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte, Notunterkünfte) welcher Bezirke werden seit wann wie viele geflüchtete Kinder und Jugendliche wie regelmäßig und wie häufig unterrichtet? a) Wie viel Personal steht dafür zur Verfügung? b) Welche Qualifikationen hat das Personal? Zu 7.: Eine Inhouse–Beschulung findet derzeit ausschließlich in Lichtenberg in einer Erstaufnahmeeinrichtung in der Herzbergstraße statt. Derzeit werden 7 Lerngruppen beschult, die ausschließlich aus Kindern dieser Einrichtung zusammengesetzt sind. Entsprechend sind 7 Lehrkräfte dafür vor Ort tätig, deren Qualifikationen den Anforderungen für diese Tätigkeit in Willkommensklassen entsprechen. Diese sind gemäß der Stellenausschreibungen : Lehramtsbezogener Master of Education bzw. 1. Staatsprüfung und 2. Staatsprüfung für ein Lehramt oder eine abgeschlossene Lehramtsausbildung nach Recht des Herkunftslandes oder eine 1. Staatsprüfung für ein Lehramt, ein lehramtsbezogener Master of Education, ein Diplom-, Magister- oder ein anderer Masterabschluss, der an einer Universität oder an einer Fachhochschule erworben wurde und gute Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Für die deutschen Sprachkenntnisse ist ein Nachweis zu erbringen (z.B. Nachweis des Zertifikats Niveau C 2 vom Goethe-Institut). Wünschenswert sind eine erfolgreich abgeschlossene Fort-, Weiter- oder Ausbildung und/oder berufliche Erfahrungen im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF) bzw. Deutsch als Zweitsprache (DaZ) sowie gute Fremdsprachenkenntnisse . 8. In wie vielen und in welchen vertragsgebundenen Einrichtungen für Geflüchtete (Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte, Notunterkünfte) welcher Bezirke sollen zukünftig geflüchtete Kinder und Jugendliche wie regelmäßig und wie häufig unterrichtet werden? a) Welches und wie viel Personal mit welcher Qualifikation wird dafür noch benötigt? Zu 8.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft verfährt gemäß dem Grundsatz der Beschulung in Schulen. Ausnahmen hiervon sind nur in genau zu begründenden Situationen denkbar. Eine Entscheidung hierüber wird jeweils anlassbezogen nach Prüfung und Ausschluss aller möglichen Alternativen herbeigeführt. Es gibt daher keine diesbezügliche zukünftige Planung. Benötigtes Personal wird bedarfsgerecht unterjährig eingestellt. 9. Kann der Senat jeden Raum in einer vertragsgebundenen Einrichtung für Geflüchtete (Aufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünfte, Notunterkünfte) zu einer „Filiale“ einer Schule erklären? a) Wenn ja, nach welchem Verfahren und auf welcher rechtlichen Grundlage? Zu 9.: Nein, die Widmung von Gebäuden oder Gebäudeteilen zu Schulen erfolgt nach § 109 Abs. 1 Satz 2 des Berliner Schulgesetzes (SchulG) durch die Bezirke. Eine Ausnahme gilt nach § 105 Abs. 5 SchulG nur für zentral verwaltete Schulen. Sofern ein Schulträger die Beschulung an einem weiteren Standort vorsieht, gelten für dieses Gebäude alle rechtlichen Anforderungen an Schulgebäude (Brandschutz, Arbeitsschutz, Belichtung, etc.). 10. Gemäß den Angaben im „Masterplan Integration und Sicherheit“ (15.03.2016, S. 38) plant der Senat die Beförderung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen zu weiter entfernten Schulen. a) Gibt es solche Beförderungen bereits? b) Wenn ja, von welchen Einrichtungen zu welchen Schulen? c) Wenn nein, welche Beförderungen von welchen Einrichtungen zu welchen Schulen sind in Planung? d) Welches Beförderungsunternehmen erhält für die Beförderung der geflüchteten Kinder und Jugendlichen wie viele Mittel aus dem Haushalt 2016/17 und wo sind diese etatisiert? Zu 10.: Solche Beförderungen gibt es bislang nur im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Es werden Schülerinnen und Schüler der Unterkunft Maxie-Wander-Straße zur Selma-Lagerlöf-Grundschule (10G03) und Schülerinnen und Schüler der Unterkunft Brebacher Weg zur Bruno-Bettelheim-Grundschule (10G06) befördert. Die Auswahl und Beauftragung des Beförderungsunternehmens erfolgt durch das Schulamt. Die Mittel für die Beförderung sind im Haushalt der Senatsverwaltung für Finanzen im Rahmen der Basiskorrektur bereitgestellt. Berlin, den 14. April 2016 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Apr. 2016)