Drucksache 17 / 18 338 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 06. April 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. April 2016) und Antwort Polizeieinsatz bei der rechten Demo am 2. April 2016 in Marzahn-Hellersdorf Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Festnahmen hat es im Zusammenhang mit der rechten Demonstration am 2. April 2016 in Marzahn -Hellersdorf gegeben und wie teilen sich diese nach der polizeilichen Zuordnung rechte Demonstration /Gegendemonstration auf? Zu 1.: Im Zusammenhang mit der Versammlungslage am 2. April 2016 in Marzahn-Hellersdorf wurden insgesamt 134 Personen festgenommen. Darunter befanden sich sechs Teilnehmende aus den Versammlungen „Sicherheit statt Angst! Recht auf Zukunft – Mut zum Widerstand “ und „Asylmissbrauch stoppen!“. 127 Festgenommene sind den Personengruppen zuzurechnen , die durch Stör- und Blockadeaktionen versuchten , an den angemeldeten Aufzug „Sicherheit statt Angst! Recht auf Zukunft – Mut zum Widerstand“ zu gelangen. Eine Person unterliegt keiner Zuordnung. 2. Was waren die Gründe für die Festnahmen im Einzelnen ? Zu 2.: Die Festnahmen gründeten sich deliktisch auf den Verdacht der Öffentlichen Aufforderung zu Straftaten , Beleidigung, Nötigung, Körperverletzung, gefährlichen Körperverletzung, des Landfriedensbruchs, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, der versuchten Gefangenenbefreiung, der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen , der Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (VersG) und den Verdacht eines Verstoßes gegen das Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (SprengG). Im Einzelnen wurden Personen, die bei den Versammlungen „Sicherheit statt Angst! Recht auf Zukunft – Mut zum Widerstand!“ und „Asylmissbrauch stoppen!“ teilgenommen haben, vorläufig festgenommen, bei denen der Verdacht des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, der Körperverletzung, der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen , der Öffentlichen Aufforderung zu Straftaten sowie der Verdacht von Verstößen gegen das VersG besteht. Darüber hinaus wurden Personen, die als Gegendemonstrierende in Erscheinung getreten sind, aufgrund des Verdachts von Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung , versuchter Gefangenenbefreiung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Nötigung, Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten sowie Verstößen gegen das VersG und SprengG vorübergehend festgenommen. 3. Wie viele Festnahmen und wie viele Anzeigen durch die Polizei wegen Landesfriedensbruchs hat es gegeben und wie begründet sich jeweils der entsprechende Verdacht? Zu 3.: Mit Stand vom 8. April sind der Polizei Berlin drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs bekannt. Insgesamt wurden 110 Personen wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch festgenommen . Davon konnten 107 Personen festgenommen werden , nachdem sie eine Polizeiabsperrung durchbrachen und sich auf die vorgesehene Aufzugsstrecke begeben hatten. Die Festnahme zweier weiterer Personen gelang, als diese mit einer größeren Gruppe von Personen an anderer Stelle Polizeiabsperrungen gewaltsam durchbrachen . In einem Fall hatte eine Person mit erkennbar friedensstörendem Willen eine Menschenmenge aufgewiegelt . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 338 2 4. Wurden im Zusammenhang mit Menschen, die sich an einer Sitzblockade beteiligt haben, durch die Polizei Hunde eingesetzt und wenn ja, a. in wie vielen Fällen? b. auf welcher Rechtsgrundlage? c. ist der Einsatz von Hunden gegen Menschen im Zusammenhang mit Sitzblockaden aus Sicht des Senats üblich und verhältnismäßig? Zu 4.: a. In der Zossener Straße wurden im Umfeld einer Sitzblockade Diensthunde zur Sicherung einer Freiheitsentziehung eingesetzt. b. Der Diensthund ist ein Hilfsmittel der körperlichen Gewalt. Sein Einsatz erfolgt auf Grundlage des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin (UZwG Bln) unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls und Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. c. Es wird auf die Antwort zur Frage 4b verwiesen. 5. Treffen Berichte zu, nach denen die Polizei gegen Menschen, die sich an einer Sitzblockade beteiligt haben, Gewalt in Form des Drückens mit dem Finger in die Augenhöhle angewendet hat und wenn ja, a. ist das gewaltsame Drücken mit dem Finger in die Augenhöhle beim Wegtragen von Sitzblockierern Bestandteil der Ausbildung von Polizeikräften? b. unter welchen Voraussetzungen ist das gewaltsame Drücken mit dem Finger in die Augenhöhle bei polizeilichen Zwangsmaßnahmen zulässig? Zu 5.: Dem Senat ist kein solcher Vorfall bekannt. 6. Was hat die Polizei unternommen, um zu verhindern , dass aus der rechten Demonstration Teilnehmende ausbrechen und Gegendemonstrantinnen und - demonstranten durch Tritte und Schläge verletzen und warum ist es trotzdem zu derartigen Angriffen gekommen ? Zu 6.: Die Polizei begleitete den Aufzug „Sicherheit statt Angst! Recht auf Zukunft – Mut zum Widerstand“ an der Spitze und am Schluss sowie anlassbezogen auch seitlich mit Einsatzkräften. Gleichwohl gelang es einem Teilnehmer dieses Aufzuges nach verbalen Auseinandersetzungen mit Personen der linken Szene, die seitliche polizeiliche Begleitung gewaltsam zu durchbrechen. Bevor es zu einem Aufeinandertreffen der widerstreitenden Lager kam, wurde der Teilnehmer durch Polizeidienstkräfte festgenommen. Es wurden die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen durchgeführt und entsprechende Strafermittlungsverfahren eingeleitet. Weitere Fälle, bei denen Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer des Aufzuges Personen verletzt oder angegriffen haben, sind der Polizei Berlin nicht bekannt. 7. Wurden durch die Polizei Teilnehmende der rechten Demonstration wegen Angriffen auf Teilnehmende der Gegenproteste oder Journalisten festgenommen, angezeigt oder deren Personalien aufgenommen und wenn ja, in wie vielen Fällen? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Es wird auf den in der Antwort zu Frage 6 geschilderten Vorfall verwiesen. Darüber hinaus sind dem Senat keine Fälle bekannt. 8. Wurden durch die Polizei Ermittlungsverfahren wegen des Zeigens des „Deutschen Grußes“ von Teilnehmenden der rechten Demonstration von Amts wegen eingeleitet und wenn ja, in wie vielen Fällen? Wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Bis zum 8. April 2016 wurde durch die Polizei Berlin kein solches Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil kein Sachverhalt bekannt war, der einen entsprechenden Anfangsverdacht begründen würde. 9. Wurden durch die Polizei Ermittlungsverfahren wegen volksverhetzender Äußerungen von Teilnehmenden der rechten Demonstration von Amts wegen eingeleitet und wenn ja, in wie vielen Fällen? Wenn nein, warum nicht? Zu 9.: Mit Stand 8. April 2016 liegt der Polizei Berlin eine entsprechende Strafanzeige vor. 10. In welcher Form und mit welchen szenekundigen Einsatzkräften hat die Polizei die rechte Demonstration beobachtet, um eventuelle Straftaten wie z.B. Volksverhetzung oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen festzustellen und zu verfolgen? Zu 10.: Am Einsatz waren auch Polizeidienstkräfte der Fachkommissariate für politisch motivierte Kriminalität beteiligt. Grundsätzlich ist anzumerken, dass jede eingesetzte Polizeidienstkraft auf Grund ihrer Ausbildung in der Lage ist, die in der Frage beispielhaft aufgeführten Straftaten festzustellen und zu verfolgen. 11. Wurden bzw. werden die Ermittlungsbehörden im Nachgang zu der rechten Demonstration wegen bekannt gewordener Straftaten (etwa Fotodokumentationen von Hitlergrüßen) von Amts wegen tätig? Zu 11.: Wird der Polizei Berlin ein Sachverhalt bekannt , der den Anfangsverdacht einer Straf-tat begründet, ist sie nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet, ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 18 338 3 12. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis des Senats im Zusammenhang mit den genannten Demonstrationen verletzt und wie viele davon waren jeweils a. Teilnehmende der rechten Demonstration? b. Teilnehmende der Gegenproteste? c. Einsatzkräfte der Polizei? d. Unbeteiligte/sonstige Personen? Zu 12.: Dem Senat ist bekannt, dass im Zusammenhang mit den Versammlungen mindestens zehn Personen verletzt wurden. a. Dem Senat sind keine verletzten Teilnehmenden der betreffenden Versammlung bekannt. b. Dem Senat sind drei Verletzte, die den Gegenprotesten zugerechnet werden können, bekannt geworden. c. Es wurden insgesamt 7 Polizeidienstkräfte verletzt. d. Dem Senat sind keine Verletzungen von Unbeteiligten oder sonstigen Personen bekannt. 13. Wie viele Einsätze von Rettungswagen hat es gegeben ? Zu 13.: Anhand einer Auswertung durch die Berliner Feuerwehr konnte ein Einsatz mit einem Rettungswagen dem Versammlungsgeschehen eindeutig zugeordnet werden . Drei weitere Rettungswageneinsätze erfolgten zwar entlang der Route des Aufzugs „Sicherheit statt Angst! Recht auf Zukunft – Mut zum Widerstand“, können dem o.a. Ereignis aber nicht eindeutig zugeordnet werden. Berlin, den 19. April 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Apr. 2016)